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Berliner Popmusiker Elias im Porträt: „Ich bin gar keine Rampensau“

Elias meidet das Rampenlicht, will dass seine Musik für sich spricht. Am liebsten würde er bis heute sein Gesicht nicht zeigen, wenn er eine Lösung gefunden hätte, die sich organisch anfühlen würde, verrät er im Gespräch. Wenn es um seine Gefühle geht, ist er jedoch hemmungslos unmaskiert. Elias vermischt Hip-Hop-Elemente und elektronischen Alternativ-Pop, um ein Auffangnetz für seine Verletzlichkeit und alles was ihn so beschäftigt zu bauen. Und den Berliner Musiker beschäftigt viel, insbesondere die Liebe. Manchmal gerappt, machmal gesungen, handeln seine Texte vom Zweifeln, der Angst vor dem Verlust und dem Loslassen, der Sehnsucht und der Angst vor Nähe. Die harten elektronischen Klangmuster werden durch Pop-Elemente weicher. Elias‘ Musik ist eine Gefühlsschleuder.

Elias zeigt sein Gesicht ungern und bevorzugt verpixelte, digital-kaputte Ästhetik für sein Debütalbum „Verlieren/Gefunden“. Foto: Aysan Lamb

Elias: Ende Juli erscheint sein Debütalbum „Verlieren/Gefunden“

Der 26-Jährige, der sich im zweiten Musikerleben befindet, denn er war einmal erfolgreich unter einem anderen Namen, ist gerade dabei, mit seiner elektronischen deutschsprachigen Musik die Pop-Welt aufzurütteln. Am 26. Juli erscheint sein Debütalbum „Verlieren/Gefunden“. Elias hat eine Odysee hinter sich, während der er sich vielen großen Fragen stellen musste. Auch wenn es zwischen den melancholischen Textzeilen oft nicht ganz so klingt: Elias ist nicht nur verdammt verliebt, sondern inzwischen auch verdammt glücklich mit sich selbst. Dieses Ankommen, sein altes Leben hinter sich zu lassen und neu anzufangen, steht ihm gut. Auf einem Tischtennisplatz in der Sonnen nahe des Görlitzer Parks, spricht er darüber, was ihn dazu bewegt hat und wie es ihm jetzt geht und das mit einem breiten Grinsen im Gesicht.

„Ich war zu dem Zeitpunkt so richtig großer Green-Day-Fan“

Elias

Elias‘ Karriere folgt dem klassischen Muster: Er hat früh angefangen, sich durch das breite Angebot an Musikinstrumenten durchzuprobieren. Schlagzeug, Klavier und Geige. Schmunzelnd erzählt er, dass Geige besonders schlecht zu ihm gepasst hat. In Elias‘ Familie hielt sich die Regel: Das Kind muss eine Sportart und ein Instrument lernen. Als dann auch noch die Geige alles andere als gut dem jungen Elias von der Hand ging, waren seine Eltern kurz davor ihre eigene Devise über Bord zu werfen und Elias‘ musikalische Förderung vorerst hintenanzustellen. Doch dann setzt sich Elias doch durch: „Ich war zu dem Zeitpunkt so richtig großer Green-Day-Fan und wollte unbedingt ‚Wake Me Up When September Ends‘ spielen und war dann so: ‚Lasst mich doch bitte noch Gitarre ausprobieren!'“ – und das war es dann. Der musikalische Grundstein für den geborenen Kölner war gelegt.

Die Karriere mit englischsprachiger Musik musste enden

Mit circa elf Jahren geriet Elias dann an einen Gitarrenlehrer, der ihm ganz ohne Noten einen guten Zugang zur Musik verschaffte. Songwriting folgte und 2018 veröffentlichte er die erste eigene Musik, von der er schnell finanzielle Unabhängigkeit erlangte. Eigentlich der Traum eines jeden Musikers, doch Elias fühlte sich fehl am Platz. Ein paar Jahre verstrichen und die Quarterlife-Crisis setze ein. Elias fing an, alles zu hinterfragen und katapultierte sich kurz vor einen Zusammenbruch und kam zum Schluss: Die Karriere mit englischsprachiger Musik musste enden.

Eine lebensverändernde Entscheidung, die Elias zuerst einmal destabilisierte. Eines Tages hörte er einen deutschen Popsong, es war ein Schlüsselmoment in seinem Prozess: „Ich glaube, mich hat noch nie etwas so berührt wie dieser Song in diesem Moment.“ Danach war für Elias klar, er will auch mit seiner Musik so berühren. Motiviert von diesem Gedanken, brachte er sich das Produzieren bei und probierte sich an deutschsprachigen Songs. Ein Umbruch, der dem Musiker verdammt gut tat, aber auch gleichermaßen aufwühlend war, denn mit der Entscheidung sein früheres Musikerdasein aufzugeben und neu anzufangen, ging die Krise erst richtig los. Elias erinnert sich an das Chaos in seinem Kopf: „Ich habe meine ganze Identität und mein ganzes Leben auf der alten Karriere aufgebaut. Und was mache ich jetzt? Ich habe damals etwas erschaffen und erschaff gerade was neues, das sich mehr nach mir anfühlt als alles andere, was ich jemals gemacht habe. Und ich check jetzt, wer ich irgendwie halbwegs bin.“

Das Alte ist für mich nicht mehr existent.

Musiker Elias

An dem Punkt, gab es für Elias nur eine Option: Von null starten und sein altes musikalisches Ich hinter sich lassen. Elias drückt es radikal aus: „Das Alte ist für mich nicht mehr existent“. Nach dem Motto hat er es dann einfach gemacht: „Ich habe ein Tiktok-Video hochgeladen und das hatte dann relativ gute Resonanz. Ich war total überrascht, dass Leute das auch so fühlen, was ich selbst fühle. Und ich glaube, hätte das nicht so funktioniert, dann hätte ich vielleicht nicht den Mut gehabt direkt weiterzumachen.“

Das erste richtige Zeugnisdes neues Ichs war die EP „Wie lässt man los?“ von 2023. „Ich habe Rotz und Wasser geweint“, erzählt Elias, als er den Titeltrack „Wie lässt man los?“ aufgenommen hat. Diese Offenheit zeigt sich jetzt auch in seinem Debütalbum, auf dem er die Breite seines Gefühlsspektrums ausreizt und das mit herzzerreißender Sprachbildern beschreibt, wie in dem Track „3Uhr19“: „Der Himmel weint grad Trän’n und die fall’n mir ins Gesicht / Fühlt sich an, als käm’n die von mir, ah / Oder so, als käm’n die von dir“.

Elias‘ erste Live-Show spielte er im September 2023 im Monarch in Kreuzberg. Eine kleines Konzert mit Fans, Familie und Freunden. Nach der Show hat sein bester Kumpel ihm ein Kompliment gemacht, er sagte, dass „man jetzt merkt, dass die Person, die auf der Bühne steht und Musik macht, genau dieselbe Person ist, die auch mit einem einen Döner essen geht. Es ist kein Bruch mehr zwischen dir und dem, was du musikalisch machst.“

Nun präsentiert sich Elias in voller Bandbreite mit seinem Debütalbum. Der Zeitpunkt seines, wie er es selbst nennt, „Liebestapes“ ist selbst für ihn ein ungewöhnlicher, denn leichte, seichte Sommergefühle bekommt er bei der Platte auch nicht. Elias ist das aber im Grunde egal: „Ich will mich gar nicht darin verlieren darüber nachzudenken, was für eine Jahreszeit wir haben. Ich glaube, man rutscht dann schnell in so etwas, wie nach dem Motto ’so macht man es‘ und ’so macht man es nicht‘. Wenn wir als kreative Menschen es wirklich schaffen, während wir was machen, es einfach nur für uns selbst zu machen, dann kann das auch mal passieren, dass ein schweres, melancholisches Album im Sommer rauskommt.“ Ziemlich sinnbildlich für den Kurs, den Elias seit seinem neuen Musikerleben fährt. Er macht was er will und vor allem, was ihm gut tut.

Elias schrieb den Song „Was ist das für ein Gefühl?“ mit dem Moabiter Rapper Apsilon

Er ist glücklich und seit langem wieder unendlich verknallt in einer Beziehung. Eine Erfahrung, die für den Mittzwanziger ganz neu ist. Nach dem ersten Date mit seiner Freundin, schrieb er den Song „Was ist das für ein Gefühl?“ zusammen mit dem Moabiter Rapper Apsilon. Für Elias ist der Track der Inbegriff für totales Verliebtsein: „Sag mir, dass du das hier genauso fühlst / Ich mеin‘, ich will nicht übertreiben / Ich will nur, dass wir so bleiben, wie wir sind“. Die beiden Musiker rappen und singen über das Gefühl, sich gar nicht mehr zu kennen, verwirrt zu sein, denn der Kopf wurde einem abdrehen. Nicht zu wissen wie es weiter geht, aber sich trotzdem sicher zu sein, nicht loslassen zu wollen. Das harmonische Feature erschien im Oktober 2023 und hat es nun auch auf sein Album „Verlieren/Gefunden“ geschafft.

„Verlieren/Gefunden“ ist wie eine „intrinsische Konversation“, also ein nach innen gewendetes Zwiegespräch. Es handelt in der ersten Hälfte von Bindungsängsten und der Furcht, sich beim Verlieben selbst zu verlieren, um in der zweiten Hälfte vom Loslassen und hoffnungsvoller Romantik. Elias beherrscht Melancholie durch und durch. Mit seiner zurückhaltenden Art, sich kunstvoll als Liebesmärtyrer darzustellen, fährt er bislang gut. Rampensau hin oder her, wenn Elias auf der Bühne steht, wird es emotional, so empfiehlt es sich, Taschentücher und Handylampen bereit zuhalten, wenn Elias dieses Jahr auf den deutschen Festivalbühnen und im Herbst auf seiner ersten Solotour performen wird.

  • Elias Fr 29.11, 20 Uhr, Kantine am Berghain, Am Wriezener Bahnhof, Berlin, Tickets hier

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