Kultur und Kapital

Berliner Popstars und ihre Nebengeschäfte von Eistee bis Pizza

Berliner Pop- und Rapstars haben die eine oder andere lukrative Nebeneinkunft, von Eistee über Döner bis zu Tiefkühlpizza. Meistens haben sie auch eine Geschichte über ihre eigene Verbindung zu den Produkten. Warum das rührend ist, aber auch klare Kalkulation, erklärt unsere Autorin Aida Baghernejad.

Kokain und Asche von Rammstein. Mehrere Varianten des Original-Dufts vermarktet die Band
Kokain und Asche von Rammstein. Mehrere Varianten des Original-Dufts vermarktet die Band.

Parfüm aus dem Hause Rammstein: Nach Benzin, Leder und Patchouli soll riechen, wer sich „Kokain“ zulegt

Nach Benzin, Leder und Patchouli soll riechen, wer sich „Kokain“ zulegt. Also nicht das weiße Pulver, sondern Rammsteins Duftinterpretation davon: 2019 erschien das erste Parfüm der Berliner Brachialband, mittlerweile sind es fast zwanzig. Elf davon bei ihrem exklusiven Vertriebspartner, einer großen Drogeriekette, aktuell erhältlich. Darunter etwa „Kokain Seeman Reloaded“ mit dem Duft von Algen, Fischgedärm und Salz, „Pussy“, ein synthetischer Blümchenduft, oder „Engel“, eine Kombination aus Pfeffer, Hanf und Grapefruit. Das Prinzip der kalkulierten Provokation, hier wird es zur Vollendung gebracht.

Immerhin hat es fast ein Vierteljahrhundert gedauert, bis auch Rammstein sich den Gesetzen des Pops beugten und ihren Namen und ihre Aura einer Parfümlinie liehen. Schließlich hätte schon ihr erster großer Hit, „Du riechst so gut“ von 1994, eine derartige Kollaboration nahe gelegt. Das Parfüm zum Song und zur eigenen Karriere gehört für Popsternchen nämlich seit über 20 Jahren einfach dazu: J. Lo hat es vorgemacht, unter Britney Spears’ Namen allein wurden mittlerweile ganze 37 verschiedene Dürfte vermarktet.

Irgendwann kam es zur wahren „Scentocalpyse“, wie es das US-amerikanische Onlinemagazin „Jezebel“ ausdrücken sollte. Jede und jeder, von David Beckham über Paris Hilton bis hin zu Taylor Swift, ­Beyoncé und zuletzt Billy Eilish sprangen auf den Celebrity-Parfümtrend auf. Und jetzt eben auch: Rammstein.

Berliner Popstars, ihr Eistee und ihre Burger: Bei Massiv in Wedding brutzelt es in der Kasse
Deutschrap und Burger, das passt gut zusammen. Bei Massiv in Wedding brutzelt es in der Kasse

Berliner Popstars und ihr Eistee

Dabei sind sie aktuell nicht der einzige musikalische Act, der sein Universum um mal mehr, mal weniger zweifelhafte Konsumprodukte erweitert: Die Berliner Rapperin Shirin David beispielsweise hat nicht nur Parfüms unter ihrem Namen herausgebracht, sondern als eine der ersten Rapper:innen in Deutschland 2020 auch einen Eistee. Ihr „Dirtea“, wie er in Anlehnung an ihr Image als offenherzige Hip-Hop-Braut heißt, gibt es in alkoholfreien, wie auch alkoholhaltigen Version, als auch als Energy-Mischgetränk.

Vor ihr hatte nur Capital Bra schon seine Interpretation des Themas als „Bra Tee“ veröffentlicht, von dem zwischenzeitlich auch Limonaden und Kaugummis ausgekoppelt wurden. Dass „Tee“ trotzdem im Namen bleibt ist wohl der Wiedererkennbarkeit geschuldet. Es sollten Eistees von Haftbefehl („Haft-Tea“) und Bushido folgen, letztes Jahr zog Katja Krasavice mit der Limonade „Sugar Mami“ nach und ging dafür sogar auf eine Tour.

Warum eigentlich? Im Interview zu ihrem letzten Album auf ihr neues Projekt angesprochen, erzählte David davon, dass Eistee, am besten in der Großpackung aus dem Discounter, ein fester Bestandteil ihrer Teen­agerjahre gewesen sei. Auch wenn sie sich als Tochter einer alleinerziehenden Mutter nicht viel leisten konnte, ein Eistee sei immer drin gewesen. 

Düfte und Geschmack transportieren Erinnerungen

Derlei Geschichten sind charmant und enthalten bestimmt auch einen Funken Wahrheit, viel eher dürfte es aber wie auch beim Parfüm darum gehen, nicht nur den eigenen Namen lukrativ zu vermarkten, sondern auch Fans emotional zu binden. Düfte und Geschmack transportieren Erinnerungen, Käufer:innen können riechen wie ihre Held:innen, das Gleiche schmecken, ja, metaphorisch am gleichen Tisch sitzen wie Rapstars. Ihre Produkte zu konsumieren, wird zur direkten Unterstützung, der Erfolg der Marke zum gemeinsamen Projekt – so dankt Capital Bra auf Instagram seinen Follower:innen für ihren „Support“. 

Die Rapperin Shirin David brachte Eistees auf den Markt.
Die Rapperin Shirin David brachte Eistees auf den Markt.

Weil man von Eistee allein ja auch nicht satt wird, lieferte der „Berlin lebt“-Rapper vor zwei Jahren auch eine Tiefkühlpizza zum Softdrink. Unter dem Namen „Gangsteralla“ finden sich mittlerweile drei Varianten – Thunfisch, Salami und Sucuk – in den Kühlregalen. Eine anfangs erhältliche vegetarische Variante kam wohl beim Zielpublikum nicht so gut an. Ex-Goldräuber, Label-Inhaber, Rapper und Serienunternehmer Xatar blieb bei ­Köfte, in Kooperation mit Aldi Nord wurden sie dann auch tiefgefroren verkauft. Ob sich so ein Geschäft für Xatar rechnet, ist nur anzunehmen.

Bei Capital Bra ist dagegen bekannt, dass er mit den Pizzen schon in ihrem ersten Jahr auf dem Markt mehr Umsatz generierte als mit seiner Musik. Da überrascht es nur wenig, dass mittlerweile auch Haftbefehl bei „Gangsteralla“ dabei ist und seit November seine „Babo Pizza“ vermarktet. Der Offenbacher Rapper hat sowieso wenig Berührungsängste, wenn es darum geht, seinen Namen zu verleihen, als erster Rapper in Deutschland war er in das Geschäft rund um E-Zigaretten eingestiegen und hat auch einen eigenen Bio-Burgerladen eröffnet. Warum der allerdings in Hannover statt seiner Heimatstadt zu finden ist, ist unklar. 

Der Berliner Massiv dagegen bleibt dem Wedding treu

Der Berliner Massiv dagegen bleibt dem Wedding treu. Sein erster Dönerladen „Baba’s Döner“ (Motto: „Die Welt ist schöner dank Baba’s Döner“) befindet sich in der Müllerstraße, seit Kurzem ergänzt durch einen Burgerimbiss am Nettelbeckplatz. Es sei seine „Vision“, „Döner auf original Berliner Art auch außerhalb Berlins zugänglich zu machen“, heißt es im Statement auf der Webseite. Dafür wurden mittlerweile drei Filialen in Berlin und weitere in Stuttgart, Oberhausen und Offenbach eröffnet. Neben diesem altruistischen Ziel, Berliner Kultur auch in andere Ecken Deutschlands zu bringen, wird aber auch der Wunsch, noch zu Hochzeiten der eigenen Karriere ein zweites Standbein zu schaffen, eine Rolle spielen. Mit etablierten Produkten könnte auch nach dem großen Erfolg ein regelmäßiges Einkommen generiert werden. Money makes the world go round.


Mehr Musik

Die Berliner Jazzszene pulsiert: Diese Jazz-Clubs und Jazz-Bars in Berlin servieren beste Klänge. Berlin und Musik passen einfach zusammen, wie die Berliner Hip-Hop-Geschichte in Bildern und Nikolai Okunews Buch über Heavy Metal in der DDR zeigen. Immer gut über das Leben in Berlin informiert: Abonniert jetzt unseren wöchentlichen tipBerlin-Newsletter. Was ist noch los? Hier sind die besten Veranstaltungen heute in Berlin. Bisschen vorplanen: Alle Konzert-Tipps fürs Wochenende in Berlin findet ihr hier. Die Stadt liefert immer neue Geschichten, auch musikalische: Deswegen befüllen wir unser Musik-Ressort auch stetig.

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