Hip-Hop

12 Berliner Rapperinnen: Urgesteine und Durchstarterinnen

Rap hat in der Hauptstadt Tradition. In Berlin gibt es entsprechend viele Rapperinnen. Manche von ihnen sind bereits seit mehr als einem Jahrzehnt aktiv, andere seit wenigen Monaten. Ein Schmelztiegel für mehrere Generationen Deutschrap. Das sorgt für musikalische Vielschichtigkeit. Statt ausschließlich großstadttypischer Härte finden wir viele Berliner Rapperinnen mit klar unterschiedlichen Herangehensweisen. Ein paar stellen wir euch vor.


Sookee/Sukini

Mittlerweile macht Sookee als Sukini Musik für Kinder und Jugendliche. Foto: Imago/Photopress

Die Berlinerin Rapperin Sookee thematisiert Sexismus, Homophobie und Gewalt- sowie Kapitalismusidealisierung in ihren Songs. Sie hinterfragt Machtstrukturen in Politik und Wirtschaft, führt Verschwörungsideologien ad absurdum. Inhaltliche Schwere lässt sie im Deutschrapkosmos jedoch nicht untergehen. Stattdessen konnte sie sich positionieren und viele Menschen erreichen. Und nein, dafür braucht es nicht zwangsläufig ein Augenzwinkern. Direkt funktioniert genauso gut. Seit 2019 macht sie als Sukini Musik für Kinder und Jugendliche, die Rapkarriere als Sookee beendete sie dafür. Ihr letztes Album „Mortem & Makeup“ (2017) ist ein würdiger Abschluss.


addeN

Im Iran geboren, in Hamburg großgeworden, ist Rapperin addeN als Teenagerin nach Neukölln gezogen und geblieben. Mittlerweile ist sie Lokalmatadorin, ihre Musik hart und dreckig wie der Hermannplatz, ihre Art zu rappen mal hektisch wie das dortige Treiben, mal entschleunigt wie das angrenzende Tempelhofer Feld. Die Stilwechsel stechen gerade auf ihrem neuesten Release „Bossfemme“ heraus. Sie selbst will die Mutterrolle im Deutschrap übernehmen. Passt. Schon in den frühen 2000ern schlug sie auf der „Reimbattleliga“, einer mittlerweile toten Battlerap-Plattform, ihren Gegner:innen textliche Erziehungsmaßnahmen um die Ohren. Heute macht sie auf Albumlänge damit weiter, auch wenn sie selbst sagt, sie sei für „Rumgebattle“ zu alt. Irren ist menschlich.


Badmómzjay

Badmómzjay kam aus dem Nichts und etablierte sich sofort in der deutschen Musiklandschaft. Foto: Imago/Gartner

Kapitalismuskritisch ist Badmómzjay nicht. Muss sie auch nicht sein. Mangelnde thematische Vielfalt gleicht die Rapperin mit musikalischem Einfallsreichtum aus. Und der kam an. Galt sie 2020 mit 17 Jahren noch als spannende Newcomerin ist sie heute etablierte Künstlerin. Alles ist gut, solange Briketts im Hypetrain verfeuert werden. Doch so schön er auch fährt, manchmal stößt er auf Probleme. In ihrem Song „Snowbunny“ fetischisierte sie Schwarze Menschen, worauf Kritik folgte. Sie entschuldigte sich, nahm den Song offline und das war’s. Zugute halten kann man ihr dieses Statement. Ist, traurigerweise, in der Musik- wie auch Promiwelt nicht üblich.


Juju

Juju dürften einige noch aus ihrer SXTN-Zeit kennen. Foto: Imago/HMB-Media

Sie begann mit 14 Jahren zu rappen, hat sich kurz in einem Rapbattle versucht und gründete 2014 mit der Rapperin Nura die Kombo SXTN. Danach: Chartplatzierungen, Goldplatten, Preise, Preise, Preise und die Trennung. 2019 knüpfte sie als Solokünstlerin mit ihrem Album „Bling Bling“ an ihre Erfolge an. Technisch guter Rap, poppige Balladen und, leider extrem schwierig, ein Feature mit Xavier Naidoo. Ob das clever war? Eher nicht, auch wenn es ihr nicht wirklich geschadet hat. Ein Spiegel-Redakteur bezeichnet es sogar als Schlüsselstück des Albums. Wäre es ohne den verschwörungsideologischen Minnesänger wohl auch geworden, thematisiert sie doch ihre Jugend in Neukölln und berichtet, wie sie zur harten Künstlerin Juju wurde.


Toni Strange

Sie ist ein wenig trippy, die Musik der Berliner Rapperin Toni Strange. Melodisch, aber auch bedrückend; Ruhig, aber auch fordernd; Professionell, aber nicht distanziert. Nun ist es vielleicht eine Erscheinung der Gegenwart, das sich Rap immer mehr dem psychischen Innenleben widmet und manchmal zwingen Künstler:innen Hörenden ihre Geschichten auf, ersticken förmlich den Hörgenuss mit ihrem emotionalen Ballast. Toni Strange nicht. Klar, ihre Musik ist gefühlvoll, behandelt Themen wie Depressionen und Ängste, ist dabei aber nicht aufdringlich. Vielmehr lädt sie die Menschen ein, sie zu begleiten. Das merkt ihr beim Hören ihrer gelungenen EP „Lust & Liebe“.


Kitty Kat

Kitty Kat macht typischen Berliner Rap. Etwas hart, etwas Selbstverherrlichend, etwas tiefgründig. Wobei letzteres gelegentlich erzwungen wirkt. Foto: Imago/POP-EYE

Die Berliner Rapperin Kitty Kat hat einen langen Weg hinter sich, nicht nur bezogen auf ihren musikalischen Werdegang. 1982 in Ost-Berlin geboren, flohen ihre Eltern mit ihr nur vier Jahre später nach Westdeutschland und ließen sich in Augsburg nieder. Sie machte eine Ausbildung zur Bankkauffrau in München und zog mit 21 Jahren nach Berlin, wo sie der Aggro-Berlin-Produzent Paul NZA entdeckte. Von 2006 bis 2009 war sie bei Aggro, ohne aber ein Soloalbum zu veröffentlichen. War geplant, wurde nie umgesetzt, da das Label schloss. Ihre erste Platte „Miyo!“ veröffentlichte sie über Universal, ein inhaltlich berlintypisches Stück: hart und viel Selbstverherrlichung. Es folgten weitere und Jobs als Ghostwriterin. Ihre aktuellste Veröffentlichung „Love & HipHop“ ist einen Blick wert. Ihre Härte hat sie abgelegt, dafür ist sie darauf musikalischer unterwegs.


Alice Dee

Es ist so, dass technisch starker Rap belächelt wird. Künstler:innen verstecken schlechte Texte hinter originellen Betonungen und schnellen Rappassagen. Worte ziehen vorbei, aber niemand nimmt sie wahr. Alice Dee rappt auf hohem Niveau, schafft es ihre Texte aber auf dieselbe Stufe zu hieven. Es macht Spaß, ihre schnellen Passagen zu hören. Es macht Spaß, ihre Gesellschaftskritik zu hören, darüber anschließend nachzudenken. Es macht Spaß, zu hören, wie sie politische Botschaften und Battlerap geschickt kombiniert. Auf ihrer EP Wildstyles spricht sie über Queer Empowerment, Selbstbehauptung und viel Hass auf eine selbstverliebte, häufig testosteronspeihende Szene.


Haszcara

Schon komisch, gerade Musizierende müssen sich ständig Vergleiche gefallen lassen, das gilt besonders für Rapperinnen. Plötzlich heißt es, sie klingen wie Cora E, wie Nicki Minaj, wie Sabrina Setlur. Einflüsse gibt es immer, keine Frage. Vergleiche beziehen sich aber in dem Fall häufig auf den Fakt, dass eine Frau rappt. Für manche auch 2021 noch eine Überraschung. Haszcara hat zu dem Thema den Song „Schon Lange“ herausgebracht. Doch da hört es nicht auf. Auf ihren Songs zieht sich vor allem ein roter Faden zur Selbstermächtigung. Sie rappt melodisch, schnell, langsam, gelegentlich auch verschachtelt. Stimme und Stil lassen sich dabei kaum einer anderen Künstlerin zuordnen.


FaulenzA

Ähnlich unvergleichlich ist FaulenzA. Es ist mitunter schwer, sie einem Genre zuzuordnen, liegt vielleicht an ihrer musikalischen Sozialisation. Mit 14 Jahren, damals noch in Mönchengladbach beheimatet, eine Punkband. Erst sieben Jahre später erweiterte sie ihr Repertoire um Rapelemente. Sie veröffentlichte 2011 ihr erstes Album „Mäuseanarchy“ und zog nach ihrem Coming-out als Trans-Frau nach Berlin. Es folgten weitere Songs, allerdings im Singer-Songwriter-Stil. 2016 schaffte sie es die vielen Genres so zu vermengen, das daraus etwas völlig Neues entstand. Auf „Einhornrap“ und „Wunderwesen“ könnt ihr das Ergebnis hören. Inhaltlich geht es vor allem um Empowerment für LGBTQIA+ und den Kampf gegen Rassismus.


Nura

Wie die Berliner Rapperin Juju konnte sich Nura von SXTN emanzipieren. Foto: Chris Schwarz

Rapperin Nura ist die andere Hälfte von SXTN. Geboren in Eritreer, kam sie als Dreijährige nach Deutschland. Es folgten bittere Berührungen mit Rassismus, familiäre Probleme, eine Zeit im Kinderheim. Mit 18 Jahren zog sie nach Berlin. Was dann geschah, konntet ihr bereits bei Juju nachlesen. Sie konnte vielleicht nicht dieselben Erfolge wie Juju erzielen, brachte 2018 trotzdem mit „Habibi“ ein spannendes Soloalbum heraus. Es wird mehr gesungen und weniger gerappt. 2020 veröffentlichte sie ihr Buch „Weißt du was ich meine? Vom Asylheim in die Charts“, das in Zusammenarbeit mit dem Musikjournalisten Jan Wehn entstand. Kürzlich erschien „Auf der Suche“, ein Album, auf dem sie stilistisch wieder an ihre SXTN-Zeit anknüpft, zumindest ein bisschen.


Lena Stoehrfaktor

Wo sich bisher alle genannten durch einen modernen Sound auszeichnen, lädt Lena Stoehrfaktor zur Retrospektive. Das Tempo ist langsamer, die Wut dafür deutlich hörbarer, die Beats ähneln eher Marschmusik: Links, zwo, Drum. Es scheppert, aber ordentlich. Einen guten Einblick in ihre Texte gibt sie mit „Kein Frieden Mit Der Mitte“. Ein Song der die neue Rechte, zwar drastisch, aber nicht wirklich überzogen beschreibt. Lena Stoehrfaktor ist eine linke Musikerin mit Hang zu Boom Bap.


Bounty & Cocoa

Dezember 2020 waren sie plötzlich da. In kurzer Zeit veröffentlichten sie Video nach Video. Visuell beeindruckend, musikalisch überzeugend. Alles modern, gut gerappt, mal aggressiv, mal sexpositiv, gilt vor allem für „Wet“. Zu den beiden Rapperinnen ist nicht viel bekannt. Ob das auch unbedingt sein muss, sei dahingestellt. Sie lassen die Musik für sich sprechen.


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