Interview

Jazz-Sänger Leuthäuser bei OnlyFans: „Sex besser bezahlt als Konzerte“

Der Jazz-Sänger Erik Leuthäuser, 25, ist ein etablierter Typ in der Berliner Jazz-Szene und weit darüber hinaus. Er hat seine eigene Show in der Bar Jeder Vernunft. Seit ein paar Tagen postet er nun unter dem Namen BarebackFaggot (zu deutsch in etwa: Ohne-Gummi-Schwuchtel) Sex-Bilder von sich auf der Online-Plattform OnlyFans. Er schreibt dort: „I sing songs about gay sex & Weltschmerz and here I’m just a horny BarebackFaggot sharing some porn“. Sex-Fotos gegen Cash also, hinter der Paywall. 4,99 Euro pro Monat kostet der Spaß interessierte Fans, die Erik nackt und in Action sehen wollen. Mit tipBerlin spricht er erstmals darüber, was ihn zur Online-Sex-Arbeit bewogen hat. Und was das auch mit Sex-Drogen wie Crystal Meth zu tun hat.

Erik Leuthäuser bei OnlyFans: Dieses Foto ist harmlos verglichen mit dem, was Erik Leuthäuser bei OnlyFans postet. Foto: Lisa Wassmann

tipBerlin Erik, wie kamst du auf die Idee, Sex-Bilder von dir bei der Plattform OnlyFans zu posten?

Erik Leuthäuser Ich habe ja auf meinem Instagram immer ab und an verschiedene Sachen gepostet und habe festgestellt: Wenn es nur Promo ist, nur Musiksachen, nur super Pressebilder und so – dann finde ich oft auch bei anderen solche Profile langweilig. Erkenne ich dann wirklich, wer die Person ist? Nein. Deshalb hab ich angefangen, auch wenn ich auf Reisen bin, Sachen zu posten. Nach zehn Reise-Fotos hintereinander dachte ich dann aber schon selbst: Oh, ist das jetzt ein Travel-Instagram? Ich hab für mich selbst festgestellt: Ich will auf Social Media alles zeigen, was mich ausmacht. Denn all das, was ich so sehe, fließt ja in meine Musik ein. Die Musik ist immer noch der Fokus.

Erik Leuthäuser bei OnlyFans: „Sex ist auch ein Teil von mir“

tipBerlin Aber queere Sexualität ist eben auch ein Teil von dir. Davon erzählst du ja auch offen bei deinen Konzerten.

Erik Leuthäuser Klar, Sex ist auch ein Teil von mir. Der genauso da sein kann. Und auch ein Teil, den ich versuche, von Scham zu befreien. Deshalb hab ich angefangen, sexuelle Bilder zu posten. Ich hab dann schnell gemerkt: Die Vorschriften von Instagram, was Freizügigkeit angeht – das ist super streng! Enorm streng. Und es ist sogar noch strenger geworden. Deshalb: OnlyFans. Weil ich mir auch dachte: Mir schreiben so viele Leute, ob sie Bilder von mir bekommen können. Halt auch Leute, die ich überhaupt nicht kenne. Da war ich im Zwiespalt: Klar, ich hab kein Problem, irgendwem ein Bild zu senden. Das mach ich auf Planet Romeo (der queeren Dating App, Anm. d. Red.) auch…

Oberkörper ohne – bei OnlyFans gibt’s ihn auch Unterkörper ohne: Jazz-Sänger Erik Leuthäuser. Foto: Lisa Wassmann

„OnlyFans hilft mir, wieder zu einer Sexualität ohne Drogen zu finden“

tipBerlin Aber, Hand aufs Herz, es geht dir schon auch ums Geld, oder nicht?

Erik Leuthäuser Es ist Corona, ich bin finanziell natürlich auf diese ganzen staatlichen Hilfen für Projekte angewiesen, hab super viel unterrichtet, und das Geld ist trotzdem knapp. Und eben das zusammenzubringen, also alles zu zeigen, was in die Musik einfließt, aber gleichzeitig noch ein bisschen Kohle damit zu machen – daher kam die Idee mit OnlyFans. Plus: Ich hab in den letzten Jahre in Berlin so viel Porn-Zeugs von mir auf dem Computer gesammelt, dass ich mir dachte: Mir hilft es auch, das zu teilen. Denn ich teile nur Sachen, die ohne Chems (also Sex-Drogen wie Crystal Meth, Anm. d. Red) entstanden sind. Und das hilft mir, wieder einen Umgang zu finden, eine Art von Sexualität für mich zu etablieren, die nichts oder zumindest weniger mit Drogen-Konsum zu tun hat.

tipBerlin Du hast ja in der Vergangenheit sehr offen darüber gesprochen, dass du abhängig von Crystal Meth warst. Aber sag mal, wie lang willst du das eigentlich machen mit den Sex-Fotos auf OnlyFans? Auch wenn Corona um ist noch?

Erik Leuthäuser Ich mach das so lange, bis ich kein Bock mehr drauf habe. Wer weiß! Ich hab ja gerade erst angefangen.

tipBerlin Und wie läuft es? Rollt der Rubel?

Erik Leuthäuser Es funktioniert schon ganz gut. Ich habe einem Freund gerade gesagt: Ich habe an einem Tag OnlyFans mehr verdient als bei einem zweistündigen Konzert, was ich gestern hatte. Das finde ich schon interessant: dass Sex-Arbeit besser bezahlt ist, zumindest Sex-Arbeit bei OnlyFans, als ein Konzert, in das ich letztlich mein ganzes Leben investiert habe, künstlerisch, mit Üben und allem. Dafür wird weniger bezahlt als bei OnlyFans. Krass, ne?

Erik Leuthäuser bei OnlyFans: „Mein Freund ist total cool damit“

tipBerlin Und gibt’s auch sexuelle Sachen, mit denen du dich unwohl fühlen würdest? Die du nicht zeigen wollen würdest auf OnlyFans?

Erik Leuthäuser Bei OnlyFans kann man selber entscheiden, was man preisgibt. Man ist sehr selbstbestimmt. Ich kann entscheiden, was ich posten möchte. Und kann auch Grenzen setzen. Einfacher Grenzen setzen als bei anderer Art von Sex-Arbeit. Das ist allgemein positiv und hat auch dazu geführt, dass mein Freund total cool damit ist. Trotz allem bleibe ich natürlich in erster Linie Musiker. Das ist immer noch mein Hauptding. barebackfaggot auf OnlyFans ist nur eine kleine Ergänzung. So würde ich das sehen.


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