Lifestyle

Karel Duba – der DJ an der Singer-Nähmaschine 

Karel Duba ist ein Künstler durch und durch. Der Mann im schicken „Peaky Blinders“-Anzug und Schiebermütze hat sich dem Handwerk verschrieben und gestaltet sein Leben fernab vom geradlinigen, einseitigen Karriereweg. Im Gespräch bei einer Tasse Kaffee im Schöneberger Café Le Bretagne erzählt er von seinen unterschiedlichen Berufen und seiner späten Entscheidung, nach der DJ-Karriere das Schneiderhandwerk zu erlernen.

Musik und Mode, maßgeschneidert: Karel Duba. Foto: Alma Cheurfa

Karel Duba: DJ, Autodidakt, Freigeist 

Einigen Berlinern wird Karel Duba, der nur bei seinem Künstlernamen genannt werden möchte, vor allem als DJ ein Begriff sein: In den 1990er-Jahren zog Duba nach Berlin und legte alte Platten auf. Er brennt für die Musik der 1920er- bis 1970er-Jahre, seine Musikrichtungen sind Soul, Funk und Swing. Als Retro-DJ etablierte Duba sich als Größe in der Clubkultur fernab elektronischer Musik. In seiner eigenen Wohnung eröffnete er den kleinen Club „Karel Duba”, der sich schnell großer Beliebtheit erfreute. Zahlreiche Auftritte, Zeitungsberichte – Duba wurde ein angesagter DJ, konnte bald von seinen Gagen leben. Einige könnten ihn beispielsweise aus der mittlerweile geschlossenen Friedrichshainer Astro-Bar kennen.

In den 1990er-Jahren kamen viele Kreative und Freigeister nach Berlin, die Mieten waren günstig, das Wohnen in besetzten Häusern üblich, und die Kunst- und Musikszenen florierten. Weil Karel Duba schon in jungen Jahren malte, arbeitete er auch nach seinem Umzug nach Berlin erstmal als Künstler weiter und verdiente Geld damit. Doch das wandelte sich: „Das kann ich doch auch nicht den Rest meines Lebens weitermachen”, dachte er sich und wurde DJ. Doch auch das konnte nicht von Dauer sein. Während die Technoszene Berlins immer mehr Menschen anzog, blieb DJ Karel Duba seiner Nische treu. Dann mussten viele Läden schließen, neue Orte hatten oft keine Plattenspieler mehr, die Gagen im Business stagnierten – und Duba begann sich zu langweilen.  

Konzentriert sitzt Karel Duba an einer Nähmaschine. Foto: Alma Cheurfa

Eine alte Singer-Nähmaschine wird sein Startschuss  

Die erste Nähmaschine bekam Duba unerwartet von seiner Schwiegermutter und besorgte sich sofort ein Schnittmusterbuch. Als kompletter Neuling auf dem Gebiet belegte er einen Volkshochschulkurs, um an der Nähmaschine klarzukommen. Von dem Buchinhalt verstand er anfangs nur wenig, aber fing an, Mützen zu nähen. Schiebermützen, wie er sie beim Treffen im „Le Bretagne“ trägt, aus klassischem Wollstoff und im originalen Vintage-Look.  

Zunächst arbeitete er mit zwei Discounter-Nähmaschinen, die nach nur wenigen Monaten den Geist aufgaben. „Dann habe ich angefangen, die Nähmaschine auseinanderzubauen, immer schön Fotos gemacht, mich bis zur Hälfte der Maschine vorgearbeitet”, erzählt Karel Duba, „aber dann dachte ich, das ist völlig absurd.“ Er gab seinen Reparaturversuch auf. Von Bekannten bekam Duba daraufhin eine alte Nähmaschine der Marke Singer aus dem Jahr 1908; eine rein mechanische Maschine, eingebaut in einen alten Holztisch und mit Tretantrieb. „Die habe ich bis heute noch, auf der nähe ich auch”, sagt er begeistert. Sein großes Ziel? Er möchte Herrenschneider werden und klassische Anzüge nähen.  

Blick in seine Wohnung. Vor dem linken Fenster steht die Singer-Nähmaschine aus dem Jahr 1908. Foto: Alma Cheurfa

Stück für Stück arbeitete er sich autodidaktisch vor. Platz ist immer zu wenig, er teilt sich die Wohnung mit zwei seiner Kinder und seiner Partnerin. Um Schnitte zu konstruieren, braucht man Platz. Dafür räumt er den Esstisch frei, breitet sein Schneiderzubehör aus und räumt es zur nächsten Mahlzeit wieder weg. „Außer es gibt Pizza, die können die Kinder im Bett essen”, fügt er lachend hinzu.  

Der komplizierte Weg zum Ausbildungsplatz 

Zwei Jahre hat er mit dem Jobcenter telefoniert, bis er sie von der Finanzierung seiner Umschulung überzeugte. Denn es ist gar nicht so leicht, sich in Berlin zum Schneider ausbilden zu lassen. Es gibt ein paar wenige Ausbildungsplätze an der Deutschen Oper, das war’s aber auch schon fast. „Mit einem Haufen Achtzehnjähriger will ich mich jetzt auch nicht mehr hinsetzen, das wird dann schon seltsam”, sagt Duba. 

Schließlich bewilligte ihm das Jobcenter aber doch eine Umschulung zum Mode- und Textilschneider im Kreuzberger Bildungswerk. Die zweijährige Ausbildung brachte ihm die Basics näher, legte den Fokus aber auf Damenoberbekleidung und industrielle Modeverarbeitung: „Es ging um Fast Fashion, schnelles Arbeiten, Geschwindigkeit”, sagt Duba.  

Dubas Grammophon der Marke Electrola. Foto: Alma Cheurfa

Es folgte ein neunmonatiges Praktikum bei einer Maßschneiderin für Vintage-Kleidung. „Das war dann endlich genau das, was ich machen wollte. Sie hätte mich auch weiter ausbilden wollen, konnte sich aber leider keinen Azubi leisten”, berichtet Karel Duba leicht bedrückt. „Absurderweise gibt es keine Modeindustrie in Berlin. Am Ende stehen alle mit ihrem Zertifikat da und müssen sich überlegen, was sie machen wollen” – wegziehen, sich selbstständig oder eine weitere Fortbildung machen.  

Die Schneiderei – Karel Dubas Erfüllung? 

Karel Duba näht nun seit 2020 und stellt fest, dass Schneidern ein unfassbar komplexer Beruf ist: „Jahrzehntelang kann man sich damit beschäftigen und immer noch Neues lernen, in dem Beruf hat man nie ausgelernt” findet er. Seine Mütze, sein Hemd und seine Krawatte, die er trägt, hat er bereits selbst genäht. Ein Jackett noch nicht, das ist die Königsdisziplin. Als nächstes möchte er gerne einen Ausbilderschein machen, am besten noch dieses Jahr. Damit könnte er unter anderem Volkshochschulkurse geben und sich danach selbstständig machen. In Serie möchte er nicht arbeiten, sondern nach alten Schnittmustern auf Maß schneidern. 

Karel Duba an seinem Arbeitstisch. Mit den klingenartigen Formen lässt sich nach Maß schneidern. Foto: Alma Cheurfa

Die Vintage-Schneiderei ist seine Leidenschaft und hat einen Markt 

Seine potenzielle Zielgruppe sieht er in der 1920er- und 1930er-Jahre-Vintage-Szene in Berlin, die Wert auf möglichst originale Schnitte und außergewöhnliche Details legt und bereit ist, auch reichlich Geld für ihre Leidenschaft zu bezahlen. Ein Beispiel sind abknöpfbare Krägen: Anfang des 20. Jahrhunderts wurde aus Ressourcengründen nur die nötigste Wäsche gereinigt. Die mit kleinen Knöpfen am Hemd befestigten Krägen und Manschetten konnten einfach abgenommen und ausgetauscht werden, ohne das gesamte Hemd waschen zu müssen.  

Karel Duba möchte für die Schneidertätigkeit auch seinen DJ-Fame nutzen. Mit seiner alten Singer sowie Grammophon stand er bereits auf einem Berliner Kreativmarkt – ein uriges Gesamtbild. Sein langfristiges Ziel ist ein kleines Atelier oder eine Gemeinschaftswerkstatt, sodass er nicht immer wieder seinen Nähbedarf, die Nähmaschinen und Stoffe wegräumen muss, sobald das nächste Essen ansteht. 

Karel Dubas rebellische Ader  

So spät nochmal eine Ausbildung anzufangen, mag für einige ungewöhnlich wirken. Ob sich Karel Duba jemals unwohl oder unverstanden gefühlt hat? In seinem Umfeld stieß er auf positive Resonanz und eine gewisse Selbstverständlichkeit, vor allem vonseiten seiner Familie. „Ich habe so eine rebellische Ader und der vorgezeichnete Lebensweg war spätestens dann zusammengebrochen, als ich vom Zivildienst abgehauen bin. Dann kamen besetzte Häuser und so weiter“, erläutert er grinsend und fügt hinzu: „Selbstbestimmung ist mir ganz wichtig”.

Und so ist es für ihn selbstverständlich, dass er als Maler, dann als DJ und jetzt als Schneider arbeitet – und wer weiß, ob er noch weitere Themen für sich entdeckt und sich aneignet. „Es wäre schön gewesen, wenn ich da ein paar Jahre eher draufgekommen wäre”, sagt Duba. Die Vorstellung, sich für immer auf einen Beruf festzulegen, verliert vor allem bei jungen Leuten zunehmend an Relevanz. Karel Duba zeigt, wie es aussehen kann, sich sein ganzes Leben nicht nur einem Beruf zu verschreiben, sondern verschiedene Leidenschaften zu verfolgen. 


Mehr zum Thema

Bei so vielen Schiebermützen und Nähmaschinen bekommt man gleich Lust auf mehr Vintage: In diesen Vintage-Läden in Berlin shoppt ihr zeitlos schön. Und wenn ihr euch dabei noch im Verhandeln üben wollt: Eine Auswahl unser liebsten Flohmärkte in Berlin findet ihr hier. Einige Jahre mehr als Schneider aktiv ist Egon Brandstetter: Wie es der Berliner Herrenschneider bis nach Hollywood geschafft hat, lest ihr im Portrait. Und falls ihr selbst nun mit dem Schneidern loslegen wollt: Wir haben für euch die besten Stoffläden in Berlin rausgesucht.

Tip Berlin - Support your local Stadtmagazin