Interview

Kat Frankie mit neuem Album „Shiny Things“: Durchbruch oder Inselleben?

Kat Frankie zählt zu den gefragtesten und umtriebigsten Musikerinnen Berlins. Auf ihrem neuen Album „Shiny Things“ thematisiert die Australierin westliches Anspruchsdenken und bürgerlichen Widerstand. Aber eine eigene Insel wäre auch schön, findet sie. Unsere Autorin Nina Töllner hat die Musikerin getroffen.

Sportliche Pilzkopffrisur: Kathryn Mellander alias Kat Frankie. Foto: Elina Kechicheva

Kat Frankie: „Ich habe eine wirklich schöne E-Gitarre gekauft und wollte sie spielen“

„Hast du das Neue schon gesehen? Kann ich es dir zeigen?“ Kat Frankie ist der Stolz deutlich anzumerken. Sie platziert ihr Smartphone auf dem Tisch und spielt darauf das Musikvideo zur wenige Tage später erscheinenden Single „Spoiled Children“ ab. Es ist ein Ausflug in die Epoche des Rokoko: Kat Frankie als Dirigent, den sein flegelhaftes Kammerorchester – ebenfalls komplett von Frankie gespielt – in den Wahnsinn treibt. Das Video ist amüsant, geradezu Slapstick-haft, die Optik fantastisch: weiße Perücken, Rüschenkragen; das schnörkelige Ambiente des Schloss Schönhausen in Pankow.

Kat Frankie mit ihrer „wirklich schönen E-Gitarre“, Foto: Imago/Martin Müller

Im Hier und Jetzt sitzt Frankie, die eigentlich Kathryn Mellander heißt, im Büro ihrer Promoagentur in Spreenähe, sprüht vor Energie und sieht mit Cord-Jumpsuit und neuer, sportlicher Pilzkopffrisur null nach Rokoko aus. Allein die raffinierte Haarfärbung – oben blond, darunter dunkel – verheißt Extravaganz. „Super nervig“, stöhnt Frankie. „Die dauert drei Stunden.“ Aber es wurde mal wieder Zeit für einen neuen Look. Auch für einen anderen Sound. Und neue Themen. Aber nochmal von vorne.

„Ich habe eine wirklich schöne E-Gitarre gekauft und wollte sie spielen“, benennt Kat Frankie den Grundstein von „Shiny Things“, ihrem bereits für 2021 geplanten fünften Soloalbum. „Dann bin ich zu den Neunzigerjahre-Sachen zurückgekehrt, die ich gehört habe, als ich jünger war, wie PJ Harvey. Das ist Gitarre, Bass, Schlagzeug und ganz viel Emotion.“ 

Kat Frankies „Shiny Things“ ist historisch-opulent und komödiantisch überzeichnet

Auf „Please Don‘t Give Me What I Want“ (2012) und „Bad Behaviour“ (2018) hatte sich die Australierin, die Ende 2004 aus ihrer Heimatstadt Sydney nach Berlin übersiedelte, von den Akustikgitarren-Klängen ihrer frühen Singer/Songwriter-Jahre gelöst. Über weite Strecken in Eigenregie bastelte sie einen kunstvollen Pop mit Einflüssen aus R&B und Gospel. Sie verwob Gesangsloops zu komplexen Geflechten, experimentierte mit Rhythmik, spielte Klavier und Synthesizer.

Dinge, die sich auch auf „Shiny Things“ finden – neben dunklem, auf repetitiven Powerriffs aufgebautem Alternative Rock wie das erwähnte „Spoiled Children“. In diesem Song mokiert sich Frankie über das „Mimimi“, in das unsere Wohlstandsgesellschaft schnell verfällt, wenn sie Privilegien abgeben oder auch nur eine Maske im Supermarkt tragen soll. Die Orchestermusiker im Musikvideo, die lieber Kaugummi kauen oder am Handy rumfummeln, als sich dem gemeinsamen Spiel zu widmen, fungieren als hübsche Metapher. 

Historisch-opulent und komödiantisch überzeichnet ging es schon in vorigen Videos zu. Zum Titeltrack „Shiny Things“ gab es ein von italienischen Renaissance-Gemälden inspiriertes Kammerspiel über einen Königsmord – mit ausladenden Halskrausen und Frankie als verschlagen lächelndem Intriganten. Auch hier: glänzende Fassade, fauler Kern. „Ich habe lange überlegt, in welcher Ära das Album existiert. Ich wollte, dass alles in der gleichen Bilderwelt lebt – von den Fotos über die Videos bis hin zu den Konzerten.“ Ui, sind Live-Auftritte mit Kostümen und Bühnenbild geplant? Frankies Augen glänzen. „Ich habe eine komplette Vision vor Augen!“ Eine idyllische Barockmalerei im Hintergrund, getrocknetes Gras auf dem Boden? „Mal sehen, ob ich es hinkriege.“

„Shiny Things“ von Kat Frankie: „Aktivismus schlägt sich in den Songs nieder“

Weniger idyllisch sind die Themen, die die Musikerin auf ihrem – erneut selbst aufgenommenen und produzierten – Album anfasst. „Shiny Things“, ein episch-melancholisches Pop-Stück mit wallendem Cello und wuchtigem Beat, reflektiert über das menschliche Verlangen, materiellen Tand anzuhäufen. Konkret politisch sind Songs wie „The Sea“ und „Be Like Water“. Während der eine von der militärischen Einmischung westlicher Mächte handelt, ist der andere vom Motto der Proteste in Hongkong inspiriert: „Be Like Water“, sei wie Wasser – ein Aufruf zum flexiblen Widerstand. „In den letzten paar Jahren gab es wahnsinnig viel Aktivismus. Und das schlägt sich in den Songs nieder“, erklärt Frankie den Ton der Platte.

In der Corona-Zeit hat sie über Revolutionen recherchiert, über Wege zu einer faireren Gesellschaft nachgedacht. Dabei ist ihr durchaus bewusst: Songs schreiben, auf Demos gehen, auf Social Media posten – „das ist gut, aber reicht das aus? Ich denke nicht.“ Immerhin: Wenn es um mehr Geschlechtergerechtigkeit im deutschen Musikgeschäft und auf hiesigen Festivalbühnen geht, kann eine Kat Frankie auch mal den Hebel ansetzen. „Du musst Gespräche führen mit Leuten, die Einfluss haben“, konstatiert sie nüchtern. „Und das ist das Gute daran, dass ich schon so lange dabei bin: Ich konnte solche Gespräche führen.“

Kat Frankie im Juni live auf dem Tempelhof Sounds

Frankie selbst mangelt es nicht an Anfragen. Gemeinsam mit ihrer Band spielt sie neben Indienrock-Ikonen wie den Strokes und Interpol am Festivalsonntag auf einem Mega-Musikeventevent: Das Tempelhof Sounds ist ein spannendes, neues Festival für Berlin. Sie hat Gitarre für Olli Schulz gespielt, ein Duett mit Clueso gesungen, war im Hip-Hop-Track „Denk an dich“ der melodiöse Gegenpart zu Casper und Marteria. Mit Konstantin Gropper von Get Well Soon schrieb sie den Titelsong zur Talkshow „Schulz & Böhmermann“.

Kat Frankie live auf dem Lollapalooza 2018. 2022 spielt sie erneut auf einem Riesenfestival in Berlin: dem neuen Tempelhof Sounds. Foto: Imago/Star-Media

Nicht zu vergessen: eigene Projekte wie das Synthiepop-Duo KEØMA, mit dem sie 2016 beim ESC-Vorentscheid antrat. Oder „Bodies“, eine A cappella-Performance mit sieben Sängerinnen, die sie nächstes Jahr wieder auf die Bühne bringen will. „Es hat mir das Herz gebrochen“, betrauert Frankie noch heute die abgesagten „Bodies“-Shows aus dem Jahr 2020, darunter zwei an der Volksbühne. 

Karrierehighlight Elbphilharmonie: „Guck mal, Mama, was ich geschafft habe!“

Ein absolutes Karrierehighlight war vor der Pandemie aber noch drin: ein ausverkaufter Auftritt in der Elbphilharmonie. „Ich habe meine Mutter aus Australien rübergeholt. ‚Guck mal, Mama, was ich geschafft habe! Das musst du sehen!‘“ Seit dem Konzert in Hamburg könne sie sich guten Gewissens zur Ruhe setzen.

Überhaupt: „Ich hasse es, zu arbeiten!“ Frankie lacht. „Aber wenn ich gefragt werde, etwas zu tun, worauf ich Lust habe, dann tue ich es. Den Rest der Zeit bin ich ein unglaublich fauler Mensch.“ Allein schon deshalb sehne sie den ganz großen Popstar-Durchbruch nicht herbei. Obwohl das Geld nett wäre. „Wenn ich einen Hit hätte, würde ich mir eine Insel kaufen und vielleicht nur noch Musik für mich selber machen.“ Die Australierin lächelt spielerisch unter ihrem zweifarbigen Pony. So recht mag man ihr nicht glauben.

  • Kat Frankie „Shiny Things“ (Grönland/Rough Trade)
  • Flughafen Tempelhof Platz der Luftbrücke 5, Tempelhof, So 12.6., Tagespass Tempelhof Sounds 89 €

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