Sechs Jahre hat es gedauert, bis Depeche Mode ein neues Studioalbum vorgelegt haben, mit „Memento Mori“ erscheint nun das 15. Werk der 1980 in England gegründeten Synthie-Pop-Megastars um Dave Gahan und Martin Gore. Viel ist in diesen sechs Jahren seit dem Erscheinen von „Spirit“ geschehen: Eine weltumspannende Pandemie, ein Krieg, Krisen, Brexit und, wohl das persönlich einschneidendste Ereignis für die Band, der Tod des Depeche Mode Gründungsmitglieds Andrew „Fletch“ Fletcher, der im Mai 2022 im Alter von 60 Jahren verstarb.
Ein Album von Depeche Mode ist stets ein Großereignis, auch „Memento Mori“
Ein neues Album von Depeche Mode ist stets ein Großereignis. Zurecht, bedenkt man, dass seit den frühen 1990er-Jahren jedes Album der englischen Düstermänner in Deutschland auf dem ersten Platz in den Charts landete. Jedes einzelne! Auch „Memento Mori“ dürfte es so ergehen. 12 neue Songs, die wieder einmal Schwermut und elektronische Klänge vereinen, die dunkel sind aber nicht hoffnungslos, die trotz aller Schwere im Pop-Gewand daherkommen und zwar ein Ende besingen, aber zugleich in eine mögliche Zukunft weisen.
Wären Depeche Mode einfach nur ein Haufen depressiver Jungs, die mit Keyboards und Synthesizern ausgestattet ihren Weltschmerz beklagen und einfach nur alles schwarz sehen, hätten sie vielleicht nicht mehr als 100 Millionen Platten verkauft und regelmäßig die größten Arenen der Welt in kürzester Zeit ausverkauft. Wie auch in Berlin in diesem Jahr, wenn sie ins Olympiastadion kommen. Tickets gibt es schon lange nicht mehr und wenn doch welche auftauchen, kosten sie oft mehr als eine Woche Urlaub auf Mallorca. Etwas Optimismus brauchen die Massen, für die Depeche Mode ihre Musik machen.
Die Dialektik aus Paranoia und Besessenheit die zur Befreiung und Freude führt, ist die gar nicht so geheime Rezeptur. Anfangs, in den Wirren der Post-Punk-Ära, sogen sie avantgardistische Klänge, waren Fans des brachialen Wütens der Einstürzenden Neubauten, entdeckten die technischen Möglichkeiten der elektronischen Klangerzeugung und übersetzten all diese Einflüsse in eine chartstaugliche Ästhetik. Das Prinzip funktioniert bis heute.
„Memento Mori“ also. „Sei dir der Sterblichkeit bewusst“ bedeutet die lateinische Losung, die längst in die Alltagssprache übergegangen ist. So wie das Pendant „Carpe Diem“, und auch das schwebt bei Depeche Mode immer mit. Den Tag leben. Aus gegebenem Anlass steht aber die Sterblichkeit im Vordergrund, sie ist nicht erst seit Andy Fletchers überraschendem Tod in der Musik von Depeche Mode präsent. Und doch rückt die Tragödie Songs wie „Ghosts Again“ oder „Wagging Tongue“ in eben diesen Zusammenhang. Man kann „Memento Mori“ nicht hören, ohne an die emotionale Verfassung von Gore und Gahan nach dem Tod ihres Weggefährten zu denken. Immerhin gründeten sie noch als Teenager die Band und erreichten gemeinsam alles, was die Popwelt zu bieten hat.
Es geht also um die ganz großen Themen des Lebens, wie so oft bei Depeche Mode
Es geht also um die ganz großen Themen des Lebens, wie so oft bei Depeche Mode: Sex, Liebe, Schmerz, Glaube, Treue. Und eben den Tod. Mit ins Schwarz getauchter Erhabenheit singt Martin Gore: „A place to hide the tears that you cried. Everybody says goodbye. Faith is sleeping. Lovers in the end. Whisper: we’ll be ghosts again“. Gedanken an die Vergänglichkleit sind für Männer um die 60, die alles erlebt haben, keine Überraschung und doch schält sich aus der Verschmelzung von industriellem Krach und zarten Melodien eine unnachgiebige Stärke. Für eine Platte, die sich mit dem Tod beschäftigt, strotzt sie vor Lebenslust!
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