Interview

Musiklegende Moby über sein Lebenswerk und die „Greatest Hits“ Tour

Seit seinem Durchbruch mit dem Hit „Go“ im Jahr 1991 hat Moby die Tanzmusik revolutioniert und mit Alben wie „Play“ den Mainstream geprägt. Bereits als Kind wurde er Moby genannt, denn sein Ur-Ur-Großonkel ist kein Geringerer als Herman Melville, Autor des Romans „Moby Dick“. Heute ist der Produzent und Sänger immer noch innovativ und nutzt seine Beats und Basslines, um die Welt ein kleines bisschen besser zu machen und wohltätige Zwecke zu unterstützen. Anlässlich des 25-jährigen Jubiläums von „Play“ wird er nach mehr als einem Jahrzehnt wieder durch Europa touren. Wir sprachen mit Moby über das neue Studioalbum, seine Heimatstadt New York, das Engagement für Tierschutzorganisationen und ein berühmtes Buch, dass er nie zu Ende gelesen hat.

Moby ist Animal Rights Aktivist. Tattoos bedecken seine Arme, während auf seinem Hals „Vegan for Life“ steht. Foto: Promo/Mike Formanski

Als Ikone der elektronischen Musik und leidenschaftlicher Weltverbesserer bringt Moby mit seinem 22. Studioalbum „Always Centered at Night“ ein besonderes Werk auf den Markt. Das Album erscheint am 14. Juni und umfasst 13 Kooperationen mit Künstlern, deren Namen mal altbekannt, mal neu sind. Entstanden in der Dunkelheit der Nacht sind die Songs oft persönlich und politisch zugleich, geprägt von den vergangenen 30 Jahren elektronischer Musik.

Mobys neues Album „Always Centered at Night“: Hommage an Stimmen des Undergrounds

tipBerlin Moby, Sie haben Ihr neues Album „Always Centered at Night“ als Fortsetzung eines besonderen Projekts beschrieben, das von Undergroundmusik und Labels inspiriert ist, die Sie über die Jahre beeinflusst haben. Was war der kreative Impuls hinter diesem Album und wie unterscheidet es sich von Ihren vorherigen Werken?

Moby In erster Linie war es einfach eine Feier und fast wie eine Hommage an diese erstaunlichen Stimmen auf der Platte. Als ich noch sehr jung war, wollte ich unbedingt ein großer Sänger werden. David Bowie wollte ich sein, als ich neun Jahre alt war, aber dann fing ich an, in Bands zu spielen und merkte, dass ich ziemlich gut schreien konnte. Ich konnte einen Punkrock-Song schreien und gesungen ein bisschen wie Ian Curtis klingen, dennoch hatte ich keine tolle Stimme. Deshalb begann ich in den späten 1980er-Jahren nach Sängern zu suchen, mit denen ich zusammenarbeiten konnte.

tipBerlin Ihre Heimatstadt New York scheint auch eine Rolle zu spielen, oder?

Moby Das Album ist inspiriert vom Aufwachsen in und um New York, als es so viel interessante, eklektische Underground-Tanzmusik gab, die keine Definition hatte. In den frühen 1980er-Jahren ging man in New York in einen Nachtclub oder einen Plattenladen und hörte Grace Jones, Liquid Liquid, New Order und all diese eklektische Musik. Das wurde alles als Tanzmusik angesehen, und diesen offenen Eklektizismus liebte ich.

Album Artwork „always centered at night“.

„Viele Musiker haben das Gefühl, dass sie versuchen müssen, Popmusiker zu sein“

tipBerlin Welche Herausforderungen und Vorteile bringen Kooperationen mit Künstler:innen aus verschiedenen kulturellen Hintergründen und Musikgenres mit sich?

Moby Die größte Herausforderung war eine überraschende, nämlich die des derzeitigen musikalischen Klimas. Viele Musiker haben das Gefühl, dass sie versuchen müssen, Popmusiker zu sein. Eine der größten Herausforderungen war es also, ihnen das Gefühl zu geben, dass sie völlige kreative Freiheit haben, dass sie poetisch, kreativ, sowie persönlich sein können und dass sie nicht wie ein Popsänger klingen und nicht wie einer schreiben müssen. Ich habe das Gefühl, dass viele Manager und Plattenfirmen ihre Künstler so sehr unter Druck setzen, Pop zu sein, dass viele Musiker davon ausgehen, dass sie nicht kreativ sein dürfen. Als ich mit den Sängern gearbeitet habe, habe ich versucht, ihnen zu sagen, dass dies eine Gelegenheit ist, etwas anderes zu machen, so kreativ zu sein, wie sie wollen, so poetisch zu sein, wie sie wollen.

tipBerlin Auf Ihrer Suche nach neuen Klängen sind Sie ein Sammler von Stimmen geworden. Wie wählen Sie Ihre musikalischen Partner:innen aus?

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Moby Was ich wirklich suche, ist die Mischung aus technischen Fähigkeiten und Menschlichkeit. Es gibt viele Sänger auf der Welt, die technisch perfekt sind, aber ihre Stimmen sind nicht sehr interessant. Und dann gibt es Sängerinnen und Sänger, deren Stimmen technisch sehr unvollkommen sind und die man auch nicht unbedingt singen hören möchte. Es geht also darum, das Gleichgewicht zwischen den beiden zu finden, also die Leute, die wunderschön singen können, aber auch Emotionen und Verletzlichkeit in ihr Tun einbringen.

tipBerlin Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Lady Blackbird für die Leadsingle „Dark Days“?

Moby Das war interessant, denn jemand hatte mir eine Aufnahme ihrer Stimme geschickt und ich habe mich sofort in ihre Stimme verliebt. Dann habe ich versucht, mehr über sie herauszufinden, um mehr von ihrer Musik zu hören und daraufhin haben wir uns an ihren Manager gewandt. Einige der Sänger auf der Platte leben sehr weit weg. Manche kommen aus Afrika, andere aus Europa. Es hat sich jedoch herausgestellt, dass Lady Blackbird zufällig bei mir um die Ecke wohnt und wir im selben Lebensmittelladen einkaufen.

tipBerlin Sie haben auch mit dem verstorbenen Dub-Poeten Benjamin Zephaniah zusammengearbeitet für den Song „Where Is Your Pride“, der auch als Aktivist bekannt ist. Wie hat seine Arbeit Sie inspiriert und welche Botschaft wollen Sie durch diesen Song vermitteln?

Moby Ich arbeite seit 35 Jahren mit Sängern zusammen und er ist in dieser Hinsicht völlig einzigartig. Es ist das erste Mal, dass ich mit einem Künstler gearbeitet habe, den ich schon kannte, bevor ich ihn als Sänger kennengelernt habe. Ich kannte ihn als jemand völlig anderes und habe mich zuerst mit ihm angefreundet, weil wir beide Veganer und Tierschutzaktivisten waren. Erst als ich ihn als Tierschützer, Veganer, Dichter und Akademiker kennenlernte, erfuhr ich, dass er auch Spoken Word macht.

Wenn ich mit einem Sänger arbeite, dann arbeite ich in 99,9 Prozent der Fälle nur mit ihm als Sänger. Aber mit Benjamin arbeitete ich als mein Freund, als Akademiker und in erster Linie als Aktivist. Er war wirklich unglaublich offenherzig als Veganer und Tierschutzaktivist.

Musiklegende Moby im Interview: „Jeder einzelne Teil meiner Karriere als Musiker war völlig unerwartet“

tipBerlin Bisher haben wir darüber gesprochen, dass Sie mit anderen Künstlern kooperieren. Jetzt würde ich gerne wissen, welche Bedeutung es für Sie hat, wenn andere Musiker, wie Asap Rocky, Ihre Musik sampeln? Vor allem, wenn diese Künstler aus anderen Genres kommen.

Moby Für mich ist das sehr faszinierend, denn als ich aufwuchs, hatte ich nie erwartet, dass ich eine Karriere als Musiker haben würde. Ich hätte nie erwartet, dass ich Musik machen würde, die sich jemand anhört. Auch hätte ich nie erwartet, dass ich Platten veröffentlichen würde. Ich dachte, ich würde mein Leben als Philosophieprofessor verbringen und an einer Universität oder einem Community College unterrichten. Jeder einzelne Teil meiner Karriere als Musiker war völlig unerwartet. Was jetzt besonders überraschend ist, ist, dass die Musik, die ich vor einer Weile gemacht habe, neue Leute findet. Wenn ich höre, was andere Leute mit der Musik machen, die ich gemacht habe, dann finde ich das toll und interessant. Ich komme ja auch aus der Remix-Kultur. Also freue ich mich, wenn andere Leute mich in ihre eigene Version der Remix-Kultur einbeziehen.

tipBerlin Als einer der Pioniere der elektronischen Tanzmusik haben Sie die Entwicklung dieses Genres maßgeblich beeinflusst. Wie hat sich Ihrer Meinung nach die elektronische Musiklandschaft seit Ihren Anfängen verändert und welche Entwicklungen begeistern Sie am meisten?

Moby Es war früher technisch sehr schwierig, elektronische Musik zu machen. Als ich in den 1980er und 1990er-Jahren anfing, musste man Geld sparen, um die Geräte zu kaufen. Dann musste man herausfinden, wie man die Geräte zum Laufen bringt, und auch wie man die alten Geräte mit den neuen Geräten kombiniert. Das war eine echte Herausforderung. Jeder Elektronikmusiker in den 1980er- und 1990er-Jahren hat viel Zeit und Geld investiert, um herauszufinden, wie man sein Equipment zum Laufen bringt. Jetzt kann man einfach fantastisch klingende Synthesizer, Drums und Sampler auf sein Handy laden.

Der Nachteil daran ist, dass eine Menge elektronischer Musik heutzutage ziemlich ähnlich klingt. Manchmal ist es wirklich schwer, verschiedene Musikstücke voneinander zu unterscheiden. Aber der Vorteil ist, dass die elektronische Tanzmusik völlig demokratisch ist. Ich finde es toll, dass jeder überall auf der Welt elektronische Musik machen kann, ohne dass er dafür Geld ausgeben muss. Er muss nicht mit einer großen Firma zusammenarbeiten. Man kann einfach Musik machen und sie auf Soundcloud veröffentlichen oder irgendwo hochladen und ein Publikum finden. Das hat so eine wunderbare, egalitäre, demokratische Qualität.

25 Jahre „Play“, die wohltätige Mobys „Greatest Hits Tour“ und der Roman Moby Dick

Mobys Lebenswerk ist der Tierschutz. Foto: Promo/Mike Formanski

Ich bin vielleicht der einzige Musiker mittleren Alters, der seine „Greatest Hits“-Tour macht und dabei Geld verliert, aber die Arbeit für den Tierschutz ist mein Lebenswerk.

Moby

tipBerlin Mit Ihrem neuen Album und Ihren bevorstehenden Live-Shows feiern Sie auch das 25-jährige Jubiläum von „Play“, einem wegweisenden Album in Ihrer Karriere. Wie fühlt es sich an, auf diese Meilenstein zurückzublicken?

Moby Der einzige Grund, warum ich die Tournee wirklich mache, ist, dass das Geld, das ich auf der Tournee verdiene, an Tierschutzorganisationen geht. Ich bin vielleicht der einzige Musiker mittleren Alters, der seine Greatest Hits Tour macht und dabei Geld verliert, aber die Arbeit für den Tierschutz ist mein Lebenswerk.

Das ist also der Hauptgrund für die Tournee und der Rückblick auf einen Meilenstein in meiner Karriere. Es ist seltsam und interessant, denn ich habe nie erwartet, dass ich diese Karriere haben werde. Sogar als das Album „Play“ veröffentlicht wurde, was vor 25 Jahren war, dachte ich, es würde ein Misserfolg werden. Ich dachte, die Tournee würde nur zwei Wochen dauern. Niemand würde die Platte kaufen und dann würde ich zurück zur Schule gehen und meinen Doktor machen und Philosophie lehren. Alles, was rund um die Platte passierte, war also überraschend und völlig unerwartet.

tipBerlin Es wird für Sie auch das erste große Konzert seit über einem Jahrzehnt. Was bedeutet es für Sie, wieder auf der Bühne zu stehen, und was können Ihre Fans von Ihren kommenden Live-Shows erwarten?

Moby Wenn ich ein Konzert besuche, vor allem wenn es von einer Band ist, von der ich viele ihrer Platten mag, möchte ich ehrlich gesagt, dass sie meine Lieblingssongs spielen. Deshalb ist mein Ziel, wenn ich auftrete, sehr einfach. Ich möchte, dass das Publikum glücklich ist. Wenn sich jemand die Zeit nimmt, Geld auszugeben und sich die Mühe macht, zu einem meiner Konzerte zu kommen, dann möchte ich, dass er ein wunderbares Erlebnis hat. Die Show, die wir machen werden, ist eine Greatest Hits Show. Es ist hoffentlich die Musik, die jemand hören möchte, der Geld ausgibt und sich die Mühe macht, dieses Konzert zu besuchen.

tipBerlin Häufig verbinden Sie Musik und Literatur, zum Beispiel auch als Sie Ihr Buch „Porcelain“ und das gleichnamige Lied veröffentlichten. Können Ihre Fans eines Tages mit einer Vertonung von „Moby Dick“ rechnen?

Moby Wenn ich ganz ehrlich bin, und ich bin beschämt, das zuzugeben: ich habe „Moby Dick“ nie zu Ende gelesen. Ich habe so oft versucht, es zu lesen, und ich liebe bestimmte Teile davon, aber ich schäme mich, öffentlich zuzugeben, dass ich das Buch nie wirklich zu Ende gelesen habe.

tipBerlin Das ist also ein Nein?

Moby Im Moment nicht. Ich meine, vielleicht zwinge ich mich irgendwann auf einem sehr langen Flug oder so, das Buch zu beenden. Aber normalerweise ist es so, dass ich etwa die Hälfte geschafft habe und dann etwas anderes zu tun finde.

  • Always centered at Night (Embassy of Music), das Album erscheint am 14.6.
  • Moby im Velodrom, Paul-Heyse-Straße 26, Prenzlauer Berg, Do 22.9., weitere Infos und Tickets hier

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