Seit 1986 produziert der Moderator und Radiojournalist Olaf Zimmermann regelmäßig Sendungen zur elektronischen Musik für verschiedene Berliner Radiostationen. Anfangs noch in der DDR für DT64, wo er die Depeche-Mode-Fans mit dem „Titel der Woche“ ihrer Lieblingsband beglückte und Martin Gore interviewte, später bei Radio Brandenburg und seit 1997, dann auch unter dem Namen „Elektro Beats“, auf radioeins. Allein dort sind mehr als 1300 Ausgaben der „Elektro Beats“ über den Äther gelaufen und stehen in den letzten Jahren auch in Podcast-Charts weit oben.
Am letzten Sonntag im September endet nach knapp 40 Jahren die Geschichte der „Elektro Beats“. Vorerst, denn Olaf Zimmermann ist immer noch mit großer Leidenschaft dabei. Wir sprachen mit dem umtriebigen Moderator, der sich gerne mit seinen Studiogästen fotografieren lässt, über seine Anfänge beim Radio, ein Studium der Zahnmedizin, Tanzabende mit Kraftwerk-Mastermind Ralf Hütter, ein legendäres Doppelinterview mit den beiden Gründern von Neu!, Klaus Dinger und Michael Rother, seinen Abschied von radioeins und Pläne für die Zukunft.
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tipBerlin Olaf Zimmermann, du bist viel unterwegs, gefühlt trifft man dich jeden Abend bei einem anderen Konzert in der Stadt, was hast du gerade gesehen?
Olaf Zimmermann Zuletzt war ich beim Pop-Kultur Festival und habe da sehr spannende Sachen erlebt, Hope zum Beispiel oder auch Tarwater zusammen mit Schneider TM. Im Vorfeld habe ich mit Christian Morin, einem der Kuratoren des Festivals, eine Ausgabe der „Elektro Beats“ gemacht. Dann war ich beim Kiezsalon, der Konzertreihe von Michael Rosen, in der MaHalla in Schöneweide. Auch mit sehr innovativen Leuten, der Abend war kuratiert von einem Londoner Kollektiv, das gerade den eigenen Spielort in London verloren hat. Jetzt freue ich mich auf ein eher intimes Konzert von Ätna auf dem ehemaligen Flughafen Tegel und auf die Einstürzenden Neubauten in der Columbiahalle.
tipBerlin Erinnerst du dich noch an dein erstes Konzert?
Olaf Zimmermann Mein allererstes Konzert, da muss ich zwölf oder dreizehn gewesen sein, war im alten Friedrichstadt-Palast. Es war eine Art Festival, natürlich mit DDR-Bands, ich glaube Renft waren dabei und auch Panta Rhei. Für mich war das sehr prägend, ich war fasziniert von den langhaarigen Menschen und der utopischen Lautstärke.
tipBerlin Und dort hat dich die Musikleidenschaft gepackt?
Olaf Zimmermann Ja, die Leidenschaft für die Musik aber auch für das Drumherum. Mich hat Radio schon immer fasziniert. Meine Mutter war mal mit einem Komponisten verheiratet und der kreierte seine Opern und Operetten in einem aseptischen Raum. Da durfte ich nicht Pop oder sonstige Musik hören. Als sie sich haben scheiden lassen, war das für mich eine Erweckung. In den 1970er-Jahren, bevor Punk und New Wave aufkamen, habe ich viel Rockmusik gehört, Deep Purple, Led Zeppelin und so. Schnell kam auch die Faszination für elektronische und experimentelle Sounds und ich besorgte mir die Platten der frühen Pink Floyd, Cluster und Klaus Schulze. Aber neben der Faszination für Musik, die sicherlich viele Jugendliche haben, hat mich auch der journalistische Background interessiert. Schon im jungen Alter schrieb ich manchmal für die Zeitung und auch Sendemanuskripte fürs Radio. Beruflich schlug ich aber nach der Schule erst einmal einen ganz anderen Weg ein.
Olaf Zimmermann: „Radio? Da bin ich mit Anfang Zwanzig so schräg reingerutscht“
tipBerlin Was hast du gemacht?
Olaf Zimmermann Ich begann ein Studium der Zahnmedizin an der Humboldt Universität, brach nach fünf Semestern aber ab. Später habe ich aber noch Kulturwissenschaften parallel zu meiner Arbeit beim Rundfunk studiert und abgeschlossen.
tipBerlin Wie bist du schließlich beim Radio gelandet?
Olaf Zimmermann Da bin ich mit Anfang Zwanzig so schräg reingerutscht. Zuerst war ich Aufnahmeleiter beim Berliner Rundfunk und machte auch viele Nachtdienste. Dann habe ich meine ersten Sendungen produziert, über Mink DeVille, Leonard Cohen und so. Es gab eine Redaktion, die hatte eine sehr humoristische Bezeichnung, sie hieß „KJTM“, das steht für „Kinder, Jugend und Tanzmusik“.
tipBerlin Wann kamst Du zu DT64?
Olaf Zimmermann DT64 war anfangs eine Jugendschiene beim Berliner Rundfunk und 1986 wurde DT64 ein eigenständiger Sender, da war ich von Anfang an dabei. Dort gab es auch eine Sendung, die „Musik für den Rekorder“ hieß, in der wurden Platten in ganzer Länge gespielt, die man sich Zuhause aufs Tonband oder Kassette aufnehmen konnte. Jedenfalls war ich schon in dieser Anfangszeit meistens für Avantgarde und Elektronik zuständig und schon bevor meine eigene Sendung startete, habe ich oft Elektrosachen ins normale Tagesmusikprogramm eingebaut. Was damals aktuell war, vor allem Depeche Mode, Anne Clark, Art of Noise, Human League, OMD oder auch kürzere Stücke von Can und Tangerine Dream.
tipBerlin Das war so eine Art Vorstufe zu den „Elektro Beats“?
Olaf Zimmermann Genau. Meine eigene Sendung startete aber auch schon 1986 bei DT64 und hieß „Electronics“ und das ist tatsächlich eine Vorstufe von „Elektro Beats“. Das Besondere ist, dass es über Mauerfall und drei Sender hinweg meine Sendung nonstop gab. Nach DT64 folgte eine Zeit bei Radio Brandenburg, da hieß meine Sendung, den Namen habe ich mir nicht ausgedacht, da passiert: „Zwischen Himmel und Erde“, und 1997 startete radioeins und da gab es lauter Nachtsendungen, die hießen alle irgendwas mit „Beats“, vielleicht ein bisschen in Tradition von „SFBeat“ und meine Sendung heißt seitdem „Elekro Beats“. Die lief zuerst in der Nacht von Sonntag zum Montag von 1 bis 5 Uhr und die habe ich auch immer live gemacht und hatte da Studiogäste. Da waren vier Stunden live Klaus Schulze oder vier Stunden live Karl Bartos oder ich habe da eine Sendung zum Yellow Magic Orchestra gemacht. Dann ist meine Sendung die einzige gewesen, die von diesen Nachtsendungen überlebt hat und landete Mittwochabend auf dem Sendeplatz von 23 bis 1 Uhr und jetzt final auf dem Sonntagabend von 21 bis 23 Uhr.
tipBerlin Damit existieren die „Elektro Beats“ in ihren verschiedenen Inkarnationen 38 Jahre. Fühlst du dich als Radio-Urgestein?
Olaf Zimmermann Ich weiß es nicht, aber schon allein wegen meiner Reihe „Depeche Mode – Titel der Woche“, die damals in „Electronics“ lief und in der ich alle Remixe und sowas gespielt habe, wurde ich sehr bekannt und die Leute, die meine Sendung wegen Depeche Mode gehört haben, bekamen dann auch die anderen Sachen, die ich gespielt habe mit und haben ihre Hörgewohnheiten erweitert. Das war sicherlich prägend für viele. Ich habe für den DT64 1988 dann auch Martin Gore interviewt. Depeche Mode kamen ja im Rahmen ihrer „Music for the Masses“-Tour nach Ost-Berlin und spielten ein Konzert in der Werner-Seelenbinder-Halle. Nach dem Interview bekam ich 20.000 Zuschriften, das war die offizielle Zahl, laut Posteingangsstelle des Senders. Zu „Memento Mori“ habe ich 2023 Martin Gore noch einmal interviewt, 35 Jahre später. Bis heute wird mit meiner Person und meiner Sendung die Depeche-Mode-Kultur in der DDR in Verbindung gebracht, ich tauche auch in dem Zusammenhang in vielen Büchern und Dokumentarfilmen dazu auf.
tipBerlin Neben Depeche Mode, was sind deine wichtigsten „Elektro Beats“-Momente, lässt sich das nach fast vier Jahrzehnten überhaupt sagen?
Olaf Zimmermann Ja das geht, wenn man die Frage so beantwortet, auf welches Interview oder welche Begegnung ich besonders stolz bin. Da muss man auf jeden Fall Kraftwerk nennen, also Ralf Hütter, den ich auch zu auslaufenden DT64-Zeiten das erste Mal getroffen habe und das war wirklich was sehr Großes. Ich habe ein Interview mit ihm geführt mit Fragen, die ich mir in späteren Interviews mit ihm nie mehr getraut hätte, zu fragen, nach Bootlegs und so. Dann waren wir zusammen essen und am Nachbartisch saß Dieter Meier von Yello, den ich damals noch nicht kannte, aber mit dem ich danach viele Sendungen gemacht habe.
Olaf Zimmermann: „Es gab kein Berghain aber wir sind im Walfisch gelandet“
tipBerlin Bis du mit Ralf Hütter noch um die Häuser gezogen?
Olaf Zimmermann Tatsächlich äußerte Ralf Hütter den Wunsch, in Berlin tanzen zu gehen. Das war ein Montag im Jahre 1990. Es gab kein Berghain aber wir sind im Walfisch gelandet, einem Technoclub, den es damals gab, und da spielte Gabi Delgado mit Delkom. Ralf Hütter fand das ganz toll.
tipBerlin Und außer Kraftwerk?
Olaf Zimmermann In Paris durfte ich Vangelis interviewen. Der hasste Promo-Termine und Interviews und hatte auch Flugangst, deshalb hat er sich seinen Oscar für „Die Stunde des Siegers“ aus Hollywood schicken lassen, und, um mal ein drittes Highlight zu nennen, war da eins der letzten Interviews mit Klaus Dinger von Neu! und La Düsseldorf. Einmal hieß es, ja, also Klaus Dinger und Michael Rother, den ich davor schon häufiger in der Sendung hatte, kommen zu mir ins Studio und wir machen ein Special.
tipBerlin Zusammen? Die beiden Gründer von Neu! waren doch legendär zerstritten.
Olaf Zimmermann Eigentlich zusammen, ja. Und dann war es aber so, dass irgendwie schon wieder Herr Dinger nicht ganz gesund gelebt hat, er soll sich ja über tausend Trips eingeschmissen haben, weiß ich jetzt nicht, auf jeden Fall war er mit Verschwörungstheorien am Start und wollte doch nicht zu mir in die Sendung kommen. Ein Special nur mit Michael Rother wurde auch untersagt, also sagte ich, na okay, wir machen Telefon-Interviews und das wurde genehmigt. So habe ich tatsächlich eine legendäre Sendung gemacht, wo in der einen Stunde Michael Rother die Neu!-Geschichte erzählt hat und in der anderen Stunde Klaus Dinger.
Olaf Zimmermanns „Elektro Beats“ prägten das Berliner Radio
tipBerlin Auch die Sendung Nummer 1000 von „Elektro Beats“ war etwas Besonderes, mit sehr vielen Studiogästen.
Olaf Zimmermann Da habe ich gedacht, du lädst dir mal ganz viele Gäste ein und es waren 17 Leute da, Modeselektor, Mouse on Mars, Kid Simius, Tangerine Dream, Schiller, Brandt Brauer Frick, Eva Padberg mit ihrem Mann, also Dapayk und Padberg und andere. Das war eine ziemlich anarchische Sendung, ich hatte nämlich die Idee, weil ich ja ansonsten immer alle befrage, dass sich die Gäste zur tausendsten Sendung gegenseitig interviewen sollten. Das funktionierte nicht immer so nahtlos, also musste ich mein Konzept, was sowieso sehr aus der Hüfte geschossen war, nochmal spontan verändern. Es war trotzdem eine tolle Erfahrung!
tipBerlin Und Ende September 2024 ist es damit vorbei. Wobei die Entscheidung über das Ende von „Elektro Beats“ nicht von radioeins getroffen wurde, sondern weiter oben beim rbb, das ist wichtig zu erwähnen. Wie hat dich die Nachricht über das Aus erreicht?
Olaf Zimmermann Also die offizielle Formulierung ist ja, dass ich 44 Jahre beim Radio bin und mit 22 angefangen habe, da kann man sich ausrechnen, wie alt ich bin. Da fängt das Leben an (lacht). Auf jeden Fall ist es so, dass ich immer fürs Radio gebrannt habe und es gibt vielleicht auch Leute, die der Rente entgegenfiebern. Ich bin nicht so. Aber es kam dennoch so und es wurde festgestellt, dass ich in Rente gehen muss und meine Sendung, nach etwas Hin und Her, auch nicht weitermachen kann. Dass es nicht weiter geht, war natürlich erstmal ein Schock. Aber dann habe ich mich gesammelt und dachte, okay, es ist eben so und vielleicht gibt es auch ein Leben danach?
tipBerlin Mit welchem Gefühl wirst du die letzten Sendungen moderieren?
Olaf Zimmermann Ich habe gedacht, okay, jetzt machst du nicht auf Sparflamme, nach dem Motto, ich spiele die 100 besten „Elektro Beats“ -Tracks. Nein, ich mache die drei finalen Sendungen, die an den letzten drei Sonntagen im September laufen werden, besonders und lade mir hochkarätige Gäste ein, die mich in den letzten Jahren und Jahrzehnten begleitet haben. In der ersten Farewell-Sendung (15. September) sind Robert Görl von DAF, Westbam, Gudrun Gut und Housemeister dabei und es gib einen akustischen Gruß von T. Raumschmiere. Zur zweiten Farewell-Sendung (22. September) kommen Propaganda, Ralf Dörper and Michael Mertens reisen extra aus Düsseldorf an. Dazu kommt Paul Frick von Brandt Brauer Frick, Thorsten Quaeschning, der künstlerische und musikalische Leiter von Tangerine Dream und Christopher von Deylen alias Schiller. Und in der finalen Sendung (29. September), wenn alles wie geplant abläuft, kommen DJ Hell, Dina Summer, Gernot und Szary von Modeselektor beziehungsweise Moderat, Monolake, also Robert Henke und unser Freund Jim Avignon.
Olaf Zimmermann: „Podcast ist ein Stichwort, der ist sehr erfolgreich und ich könnte mir durchaus vorstellen, damit weiterzumachen“
tipBerlin Was wird in Zukunft aus Olaf Zimmermann und den „Elektro Beats“? Deine Leidenschaft für elektronische Musik und Musik überhaupt, dürfte ja bleiben.
Olaf Zimmermann Es ist ja so, dass es seit circa drei Jahren meine Sendung im Nachklapp als Podcast gibt und die ist in diesem Format weltweit sehr erfolgreich. Ich bin meistens in der Rubrik „Musikinterviews“ platziert und da in Deutschland häufig auch in der Top Ten, aber auch international weit oben. Das Format ist ja, dass ich in der ersten Stunde spannende Gäste habe und in der zweiten immer etwas kleinteiliger werde, mit neuen Platten, aber es ist ja auch so, dass ich die Brücke von aktuellen Tracks zu den Krautrock- und Elektronik-Vorreitern schlage, also Leuten wie Irmin Schmidt oder Hans-Joachim Roedelius, und das gefällt den Leuten. Podcast ist ein Stichwort, der ist sehr erfolgreich und ich könnte mir durchaus vorstellen, damit weiterzumachen. Es gibt Ideen, die Sendung auf diese Art fortzusetzen.
- Elektro Beats – sonntags von 21 bis 23 Uhr auf radioeins, 95,8, letzte Sendung am 29.9.
Ein weiteres Konzert-Highlight 2025 aber bisher leider nicht für Spandau angekündigt… Oasis sind zurück. Durstig geworden? Dann gleich weiterziehen in die schönsten Kneipen von Spandau. Oder nach Hause laufen? Schöne Spaziergänge durch Spandau stellen wir hier vor. Bloß nicht verpassen: Unsere Konzerte der Woche und die schönsten Festivals in und um Berlin. Was diese kleine Agentur tut, ist beachtlich: Viele Karrieren beginnen bei amStart von Konzertveranstalter Ran Huber. Immer gut über das Leben in Berlin informiert: Abonniert jetzt unseren wöchentlichen tipBerlin-Newsletter. Was ist noch los? Hier sind die besten Veranstaltungen heute in Berlin. Bisschen vorplanen: Alle Konzert-Tipps fürs Wochenende in Berlin findet ihr hier.