Berlin verstehen

Punks Not Dead: 12 Fotos von Punks aus Ost- und West-Berlin

Punk und Berlin. Das passt zusammen. Als Ende der 1970er-Jahre in London und New York die neue zornige Subkultur alte Mauern einriss, als aus drei Akkorden Kampfansagen wurden, die Kids ihre Haare abschoren, sich Sicherheitsnadeln und Nietenjacken besorgten und die „No Future“-Haltung über dem Ganzen schwebte, da traf die explosive Mischung in der geteilten Stadt auf fruchtbaren Boden. Der Kalte Krieg, die verfallenden Häuser, grauer Beton und der Wunsch nach Rebellion und Widerspenstigkeit gegenüber Autoritäten bildeten den Hintergrund, vor dem die Szene auf beiden Seiten der Mauer gedeihen konnte.

In West-Berlin spielten im September 1977 die englischen Vibrators im Kant-Kino, damit fing alles an. Mit PVC, die als erste Punkband der Stadt gelten, und schon bald mit Tempo, The Wall, Ffurs, Evil Kids und anderen, gründete sich eine neue Welle wütender Gruppen, die ihre Songs von den Bühnen rotzten. Im Punkhouse in Charlottenburg und im SO36 in Kreuzberg waren die West-Punks unter sich, im Osten der Stadt gab es keine regulären Clubs für die von der Stasi wachsam beäugten „negativ-dekadenten Jugendlichen“. Doch auch dort gab es Punks, illegale Konzerte und selbstgemachte Kassettenaufnahmen, die Bands hießen Ahnungslos, Bandsalat, Sendeschluss oder Weiterverarbeitung. Hier sind 12 Fotos, die an frühe Punkzeiten in Ost- und West-Berlin erinnern.


Punks in Ost-Berlin

Punks in Ost-Berlin, 1982. Foto: Imago/Ilse Ruppert/Photo12
Punks in Ost-Berlin, 1982. Foto: Imago/Ilse Ruppert/Photo12

Anfang der 1980er-Jahre reiste die damals in Hamburg lebende Fotografin Ilse Ruppert in die Hauptstadt der DDR und traf eine Gruppe von Punks, die in Prenzlauer Berg in einer Wohnung lebten. Sie machte Fotos, die in ganz Europa abgedruckt wurden. Die wilden Kids aus Ost-Berlin sorgten für Aufruhr, so hat man den Arbeiter- und Bauernstaat noch nicht gesehen. Ruppert bekam allerdings Einreiseverbot.


Mit Iro auf der Demo

Punks in Berlin: Punker auf einer Demonstration in Berlin, 1984. Foto: Imago/Günter Schneider
Punker auf einer Demonstration in Berlin, 1984. Foto: Imago/Günter Schneider

Punk war Haltung, besonders in West-Berlin war die Szene stark politisiert. Anarchie, Rebellion und linksradikale Ansichten wirkten auf die Subkultur, die ihr natürliches Umfeld in der Hausbesetzerbewegung fand. In Kreuzberg, Schöneberg und anderen Bezirken waren zeitweilig bis zu 200 Häuser besetzt, die Kids mit Iro und dem Anarchie-A wohnten dort illegal, lieferten sich Schlachten mit der Polizei und protestierten auf Demos.


Illegales Punkkonzert in Prenzlauer Berg

Privat organisiertes Punkkonzert in Prenzlauer Berg, 1985. Foto: Imago/Frank Sorge
Privat organisiertes Punkkonzert in Prenzlauer Berg, 1985. Foto: Imago/Frank Sorge

Punk ist vieles. Eine politische Position, ein sozialer Status, ein Modephänomen, zuallererst aber auch ein Musikgenre. Bands wie die Ramones in New York oder die Sex Pistols hatten die Schnauze voll vom pompösen Rock dekadenter Stadionbands, die groß abkassierten. Lange Haare und bunte Klamotten, überhaupt alles, was an die Hippies erinnerte, musste weg. Der harte Drei-Akkord-Sound und die Lederjacken erinnerten eher an die rebellischen Rock’n’Roll-Halbstarken der 1950er. Man organisierte sich die Konzerte selbst, so wie hier in einem Hinterhof in Prenzlauer Berg um 1985, und auch die Platten- und Kassetten veröffentlichten kleine Punklabels in Eigenregie. So begann die Indie- und DIY-Kultur.


Punks mit Ratten

Punkerpaar spielt mit seinen Ratten, 1989. Foto: Imago/Günter Schneider
Punkerpaar spielt mit seinen Ratten, 1989. Foto: Imago/Günter Schneider

Die Punkszene war auch Gemeinschaft, eine Ersatzfamilie. Viele Kids strandeten in West-Berlin, und alleine die Tatsache, dass sie Punks waren, brachte sie zusammen. Man war Teil einer Subkultur, die im Widerspruch zur Gesellschaft stand. Spießer, CDU und den Springer-Zeitungen waren die West-Punks ein Dorn im Auge. Auf der anderen Seite der Mauer landeten nicht wenige Punks im Knast, weil sie nicht zur Armee wollten oder keinen Bock auf einen Job in der Produktion.


Mahnwache in der Gethsemanekirche

Punks in Berlin: Punks während einer Mahnwache für die politischen Gefangenen der DDR vor der Gethsemanekirche in Ost-Berlin, 1989. Foto: Imago/Seeliger
Punks während einer Mahnwache für die politischen Gefangenen der DDR vor der Gethsemanekirche in Ost-Berlin, 1989. Foto: Imago/Seeliger

In den letzten Tagen der DDR spielten auch die Ost-Punks eine Rolle bei den turbulenten Geschehnissen im Vorfeld des Mauerfalls. Die Szene traf sich bei den so genannten Blues-Messen in Kirchengemeinden progressiver Pfarrer. Vor allem die Zionskirche und die Gethsemanekirche galten als Treffpunkte der Szene. Hier gab es Konzerte, Demonstrationen und Mahnwachen für politische Gefangene.


Walpurgisnacht

Walpurgisnacht am Kollwitzplatz in Prenzlauer Berg, 1996. Foto: Imago/Rolf Zöllner
Walpurgisnacht am Kollwitzplatz in Prenzlauer Berg, 1996. Foto: Imago/Rolf Zöllner

Nach dem Mauerfall brachte sich eine neue Generation wütender Punks in Position, vor allem in den Ost-Bezirken. Mitte, Prenzlauer Berg und Friedrichshain wurden zu Zentren der Szene. Der Besetzerherbst 1990, die Häuserkämpfe in der Mainzer Straße und die Walpurgisnächte im Mauerpark hielten den wütend-aggressiven Punk-Ethos hoch.


Straßenkinder

Punks in Berlin: Soziale Einrichtung für Straßenkinder: Klik in Mitte, 1997. Foto: Imago/Rolf Zöllner
Soziale Einrichtung für Straßenkinder: Klik in Mitte, 1997. Foto: Imago/Rolf Zöllner

Großstadtrebellen, kreative Labelbetreiber, linke Kämpfer und radikal-coole Musiker, all das sind Punk-Entwürfe, die durchaus funktionieren. Punk kann aber auch ein Leben der sozialen Verwahrlosung bedeuten. Aus der Antihaltung wird Verweigerung, die zu Drogen, Alkohol und Obdachlosigkeit führt. In den Missionen und Jugendeinrichtungen in Berlin haben die Sozialarbeiter mit Punk-Kids zu tun, die oftmals kurz davor stehen, abzustürzen.


Alexanderplatz

Punks sitzen am Alexanderplatz herum, 2001. Foto: Imago/Müller-Stauffenberg
Punks sitzen am Alexanderplatz herum, 2001. Foto: Imago/Müller-Stauffenberg

In den 1980er-Jahren war das bevorzugte Haustier der Punks noch die Ratte. Die legendäre Ratten-Jenny, eine Berliner Punk-Legende, hatte sogar ihren Spitznamen vom unbeliebten Nagetier. Man solidarisierte sich mit den schnellen, aggressiven Großstadtbewohnern, die zur Plage werden können. Irgendwann wurde die Ratte von Hunden ersetzt, die Hunde-Punks ziehen mit ihren vierbeinigen Begleitern durch die Gegend, der Alexanderplatz war schon vor dem Mauerfall ein beliebter Treff der rebellischen Kids, das war 2001 immer noch so.


Ewige Jugendkultur

Punkerin mit Stachelfrisur, 2001. Foto: Imago/Dieter Matthes
Punkerin mit Stachelfrisur, 2001. Foto: Imago/Dieter Matthes

Punk ist vornehmlich eine Jugendkultur, zwar leben in Kreuzberg die Alt-Punks, doch „Für immer Punk“ der Goldenen Zitronen gilt nur bedingt und ist vielleicht eher als mit Wehmut gepaarte Ironie zu begreifen. Dennoch stirbt in Berlin die Punkszene nicht aus, sie bleibt die ewige Jugendkultur.


Modepunks

Punks in Berlin: Fans der Berliner Band Die Ärzte auf dem Mariannenplatz in Kreuzberg. Foto: Imago/Brigani-Art
Fans der Berliner Band Die Ärzte auf dem Mariannenplatz in Kreuzberg. Foto: Imago/Brigani-Art

Wie jede Subkultur wird auch Punk im Mainstream persifliert, ausgebeutet und umgedeutet. Es gibt Teilzeitpunks, Modepunks und Pseudopunks. Das Paket aus Irokesen-Haarschnitt, Nietenband und einer Prise Rebellion funktioniert und man streift es sich zur Party oder zum Konzert kurz über, und sitzt am nächsten Montag trotzdem wieder brav im Büro.

Eine Schlüsselrolle spielen in der Berliner Punkgeschichte Die Ärzte, die 1985 gegründete Band gehört zu den erfolgreichsten Bands in Deutschland. Doch die Fun-Punks sind längst selbst alte, weiße und reiche Männer, die Stadien füllen. Ist das noch Punk? Auf der anderen Seite sind Bela B. und Farin Urlaub dem Ethos treu geblieben, zeigen Gesicht gegen Nazis und spielen 2022 eine Tour in kleinen Berliner Clubs, die von der Corona-Pandemie in Schieflache geraten sind.


ACAB

Kommunikationsversuch zwischen Punk und Polizist in der Walpurgisnacht am Boxhagener Platz in Friedrichshain, 2007. Foto: Imago/Christian Schroth
Kommunikationsversuch zwischen Punk und Polizist in der Walpurgisnacht am Boxhagener Platz in Friedrichshain, 2007. Foto: Imago/Christian Schroth

Ob in der Rigaer Straße in Friedrichshain oder in der Köpi, dem legendären besetzten Haus an der Grenze von Mitte und Kreuzberg, der linksradikale Anarchismus der Punks wirkt in Berlin bis heute. Die Gentrifizierung, Verdrängung und die steigenden Mieten sorgen für eine aufgeheizte Stimmung. Bei drohenden Räumungen kommt es nicht selten zu Gewalt, und immer noch stehen sich bei Demos Polizei und Punks gegenüber.


Punks Not Dead

Punks in Berlin: Punks bei einer Demonstration, 2017. Foto: Imago/Gerhard Leber
Punks bei einer Demonstration, 2017. Foto: Imago/Gerhard Leber

Dieses Foto zeigt drei Punks in Kreuzberg. Die Iros und Kutten sehen aus wie vor 30 Jahren, Punks Not Dead! Während andere Jugendkulturen in Vergessenheit gerieten und höchstens noch ein Nischendasein unter Nostalgikern fristen, ist Punk alles andere als tot und hat, bei aller „No Future“-Attitüde, sehr wohl eine Zukunft. Vor allem in Berlin.


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