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radioeins-Musikchefin Anja Caspary hört auf

Erst als Moderatorin und die letzten Jahre als Musikchefin prägte Anja Caspary das Programm von radioeins. Nach 25 Jahren ist damit nun Schluss. Die Hintergründe für die Entscheidung sind noch nicht bekannt, dennoch ist klar, dass Casparys Leidenschaft für die Musik fehlen dürfte. Einige Worte zum Abschied.

radioeins-Musikchefin Anja Caspary (2022)

Anja Caspary kam im Gründungsjahr 1997 zu radioeins

Anja Caspary war schon immer eine Erscheinung. Die blonden Haare, das Lächeln. Im Büro von Hagen Liebing, dem einstigen Bassisten von Die Ärzte und langjährigen Musikredakteur von tipBerlin, hing das Poster der radioeins-Moderatorin an der Wand. Genau so, dass er sie sehen konnte, wenn er vom Bildschirm aufsah. Zwischen meterhohen CD-Stapeln, Musikzeitschriften, Büchern und Zetteln strahlte sie ihn an. Anja und Hagen waren ein Paar, lebten zusammen, hatten Kinder, später heirateten sie. Jeder, der in Berlin mit Musik zu tun hatte, kannte die beiden. Den Rockstar-Redakteur und die berühmte Radiomoderatorin. Sie liebten die Musik, sie lebten für sie, die Plattensammlung im gemeinsamen Haushalt war gewaltig.

Anja Caspary kam 1997 zu radioeins, im Gründungsjahr des Senders, sie moderierte Magazine im Tagesprogramm und Sondersendungen, vorher war die gebürtige Frankfurterin beim Musikfernsehen. Auf radioeins lief jeden Montagabend ihre eigene Sendung, die „Radio Affair“. Caspary spielte Rockklassiker, Led Zeppelin und Deep Purple genauso wie neue Rockbands, von Queens Of The Stone Age bis zu den Foo Fighters. Die harten Sounds stellte sie mit Enthusiasmus und Kenntnis vor, in jedem Satz spürte man ihre Begeisterung. Die „Lange Rille“ wurde zum Markenzeichen der Radioaffäre. Extralange Songs, oft sieben oder acht Minuten lang. Genug Platz für Trommelwirbel und Gitarrenexzesse.

2012 wurde sie beim Deutschen Radiopreis in der Kategorie „Beste Moderatorin“ nominiert

2012 wurde sie beim Deutschen Radiopreis in der Kategorie „Beste Moderatorin“ nominiert, drei Jahre später, nach dem ihr Vorgänger Peter Radszuhn 2014 starb, übernahm sie den Posten der Musikchefin. Plötzlich stand eine Frau an entscheidender Position und lenkte die musikalische Ausrichtung des vielleicht einflussreichsten Radiosenders der Stadt.

Dann kam das Jahr 2016, ein Einschnitt in ihrem Leben. Am 25. September verstarb Hagen Liebing nach kurzer schwerer Krankheit. Caspary machte weiter, entwickelte mit ihrem Team das Programm, erfand neue Formate, etwa die beliebten Sommersonntage, bei denen eine gut 100-köpfige Jury jeweils 100 Songs zu einem bestimmten Thema auswählt. 2020 erschien ihr Buch „In meinem Herzen steckt ein Speer“, in dem sie über ihre eigene Krebserkrankung und Hagen Liebings Tod schrieb.

Mit ihren Moderationen und später dem Musikprogramm gehörte Caspary fest zum Alltag vieler Berliner und Berlinerinnen. Sie legte bei Rockpartys auf und man sah sie immer wieder bei Konzerten. Im Frannz Club genauso wie im Olympiastadion. Auch mit dem Buch traf sie einen Nerv, sie schrieb über Einsamkeit, Krankheit und Liebe. Und natürlich auch über Musik.

Am 2. März 2023 kam die kurze Nachricht, in der sie das Ende ihrer radioeins-Zeit verkündete: „Ich durfte mehr als 25 Jahre lang die Handschrift des Senders mitprägen und erinnere mich voller Freude an die vielen Jahre, die vielen umgesetzten Ideen, Aktionen und Projekte, die radioeins zu einem der führenden Sender in Berlin-Brandenburg gemacht haben. Darauf bin ich stolz.“

Aus welche Gründen es zu dieser Entscheidung kam, lässt sie offen. In diesem Augenblick sind die Gründe aber unwichtig. Die Arbeit, die sie gemacht hat, für die Musik und für die Stadt, spricht für sich. Die Nachricht endet mit den optimistischen Worten: „Das Gute ist, ich bin nicht aus der Welt, ich werde der Musik erhalten bleiben. Darauf freue ich mich, genauso wie auf die neuen Aufgaben, die mich erwarten.“

Nachtrag (6. März 2023): Laut Informationen des „Tagesspiegel“ kursiert bei radioeins ein 106 Seiten umfassendes Dossier voller Vorwürfe gegen Anja Caspary. Dabei geht es vor allem um Machtmissbrauch und unangemessenes Verhalten gegenüber Untergebenen und freien Mitarbeitern. 


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