Kritik

Neues Album von Rammstein: „Zeit“ ist Todesromantik und Muppet-Show

Endlich wieder ein neues Album von Rammstein. Mit ihrer achten Platte „Zeit“ meldet sich die Berliner Skandalband brachial zurück. Postpubertät, Polemik, Bombast: So lange Till Lindemann und seine musikalischen Mitstreiter Rätsel aufgeben, hört man ihnen wohl weiter zu – am besten sind sie aber im Trashpunk.

Neues Album von Rammstein: Die Berliner Band ist vor allem für ihre bombastischen Liveshows bekannt. Foto: Imago/Zuma Wire/ZUMAn27

Neues Album von Rammstein: Großer Epos und Existenzielles

Tja, so ist das mit Rammstein: Sie bewegen sich immer irgendwo zwischen Todesromantik und Muppet-Show, zwischen Finsterrock und Pennälerhumor. Auch auf dem neuen Album „Zeit“, das wie gewohnt mit einer Menge Marketingbohei veröffentlicht wurde, schlägt der Pegel mal mehr in die eine, dann in die andere Richtung aus.

Der Titeltrack „Zeit“ oder auch „Schwarz“ sind Midtempo-Rock-Nummern mit Piano-Sprengseln, wie man sie von der Band um Till Lindemann allzu gut kennt; die Refrains klingen nach großem Epos und nach Existenziellem („Zeit/ Bitte, bleib stehen, bleib stehen/ Zeit/ Das soll immer weitergehen“, „Denn immer wenn ich einsam bin/ zieht es mich zum Dunkel hin“). In „Dicke Titten“ und „Ok“ („Ohne Kondom“) dagegen – die Titel lassen es vermuten – regiert die ewige Postpubertät, das Begehr des männlichen lyrischen Ich wird nicht allzu verklausuliert besungen. 

Rammsteins neues Album „Zeit“: Anarcho-Trashpunk-Sahneseite

Am besten sind Rammstein wohl, wenn sie sich von ihrer Anarcho-Trashpunk-Sahneseite zeigen. „ZickZack“ zum Beispiel ist eine polemische Ode an Schönheitsoperationen, eine einzige Feier von Botoxspritzen, Silikonimplantaten und Fettabsaugetechniken, die sehr gut in unsere Zeit passt. Im amüsanten Video dazu macht Till Lindemann in schönheitschirurgischem Sinne Berlusconi Konkurrenz.

Für die Bewerbung des neuen Rammstein-Albums „Zeit“ gab es einen Bandkiosk mit Fan-Magazin im Teenie-Style. Foto: Imago/Jan Huebner

Erstaunlich ist einmal mehr, dass weder musikalisch noch textlich einer der elf Songs irgendwie einfallsreich oder überraschend wäre, dass sie aber nach wie vor irgendetwas Niederes oder Abgründiges in einem triggern oder kitzeln. Lust und Ekel liegen auch auf „Zeit“ wieder sehr nah beieinander.

Rammstein versteht sich zu inszenieren. Foto: Bryan Adams_Rammstein Gbr

Einmal möchte man der von Rammstein besungenen „Armee der Tristen“ oder „Partei der Hoffnungslosen“ augenblicklich beitreten, ein andermal wendet man sich eher ab, weil das Konzept allzu schlicht und durchsichtig erscheint („Meine Tränen“, „Lügen“). Aber Rammstein geben einem immer noch kleine Rätsel auf, und solange das noch so ist, hört man ihnen wohl weiter zu.

  • Rammstein „Zeit“ (Universal)

Mehr Musik

Großer Rammstein-Fan ist auch der Musiker und Schauspieler Tom Schilling. Wir haben ihn zum Interview getroffen. Noch brachialer als Rammstein ist die Berliner Band Gewalt. Sänger Patrick Wagner ist ein intensiver Gesprächspartner. Ihr interessiert euch für Musikgeschichte? Dann besucht unbedingt mal die Pilgerstätten für Musikfans in Berlin. Auf dem Laufenden bleiben: Unsere Konzerte der Woche in Berlin. Immer neue Texte über Musik findet ihr hier.

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