Konzertkritik

Neil Young & Promise of the Real spielten in der Waldbühne

Der große alte Mann und seine junge Band gaben ein versöhnliches Konzert in Berlin

Neil Young umgeben von seiner Band Promise of the Real, Foto: Live Nation

Ein Konzert von Neil Young hat etwas von einem Museumsbesuch, nicht weil der 73-jährige Songwriter-Gigant verstaubt daherkommen würde, das nicht. Quicklebendig stampfte er im Hut und karierten Hemd auf der Bühne, konzentriert den Gittarrenkrach aufwühlend und umkreist von seiner halb so alten Band Promise of the Real. Museal ist das Ereignis dennoch, da man nun mal weiß was einen erwartet, so wie in einer Ausstellung zur Malerei des frühen 20. Jahrhunderts etwa, im Louvre oder der Alten Nationalgalerie. Über 50 Jahre ist Young dabei, zu lang, als dass er noch für richtige Überraschungen sorgen könnte. So sind es die Feinheiten, die einen Abend ausmachen, die kleinen Unterschiede. Spricht er mit dem Publikum, spielt er diesen oder jenen Song, wie unterscheidet sich die Setlist von der vom Vortag, wird es einen akustischen Teil geben? Fragen, die zum Konzerterlebnis dazugehören.

Die Sonne verschwand kurz nach dem ersten Akkord des Auftaktstückes „Country Home“ hinter den Bäumen, Wölkchen hingen am Himmel, ein paar Vögel schwirrten herum. Die Hitze der letzten Woche wich einer angenehmen Sommerkühle. Im Publikum saßen erwachsene Töchter neben ihren Müttern, Söhne, die schon selbst Väter sein könnten, neben ihren Vätern. Blasse Junghipster, sportlich gealterte Pärchen im Partnerlook und bärtige Rocker wuselten zwischen den Sitzblöcken und Bierbuden. Auf Neil Young kann man sich einigen: die Legende ohne Attitüde, der letzte Hippie, der Pate des Grunge, der Rockstar ohne Fehltritt und Skandal, der introvertierte Grantler, der Ausnahmegitarrist, der Oldtimerfreak, der Umweltschützer. Jedem sein Neil. Er ist eine integrative Kraft, der Botschafter des Rock’n’Roll, der beim Woodstock-Festival dabei war und der bis heute ungebrochen an den Idealen der Sixties festhält, ohne sie zu Klischees verkommen zu lassen.

Seine Botschaft ist universell und schreibt man sie auf, wirkt sie banal: Freiheit, Liebe, die Überwindung von Trauer, Einsamkeit und Verlust. Er hat sie in ungezählten Songs ausformuliert, von denen so mancher in Berlin erklang. Große Stücke wie „Mr. Soul“, „Helpless“ und „Old Man“ brachte er schon früh. Kaum war das erste Kaltgetränk ausgetrunken, schon versank man in beglückender Young-Magie. Kurz darauf setze er mit seinem Überhit „Heart of Gold“ einen drauf, erstmals stand auch der zuvor sitzende Teil der Zuschauer.

Promise of the Real, die junge Begleitband, die Willie Nelsons Sohn Lukas 2008 formierte und die Young seit 2015 begleitet, ist nicht Crazy Horse, jene nahezu mythisch verehrte Begleitband, die seinen Sound vier Jahrzehnte lang maßgeblich prägte. Den Nachfolgern fehlt das letzte Quäntchen Wucht. Doch auch hier bildet sich in den besten Momenten eine zum kollektiv geschmolzene Urkraft heraus, die Young schmanenhaft beschwört, wenn er seine Mitspieler im elektrifizierten Rausch um sich schart und zum Ende des Abends mit „Hey Hey, My My (Into the Black)“ und vor allem einer überlangen Version von „Rockin‘ in the Free World“ ein hymnisches, fast befreiendes Finale bietet.

Da ärgerte man sich auch nicht, wenn er als Zugabe statt der erhofften Klassiker „Powderfinger“ oder „Like a Hurricane“, mit dem er am Tag zuvor in Dresden das Konzert abschloss, sich mit den etwas weniger bekannten Nummern „Roll Another Number (For the Road)“ und „Piece of Crap“ verabschiedete.

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