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Kommentar

Nena-Konzert abgebrochen: Tollpatschiges Eigentor und Hieb gegen die Branche

Das Nena-Konzert in Schönefeld wurde am Wochenende vorzeitig vom Veranstalter abgebrochen. Immer wieder hatte die Sängerin gegen die Corona-Maßnahmen und das Hygienekonzept der Veranstaltung gewettert und die Fans zu unsolidarischem und verantwortungslosem Verhalten aufgerufen. Solche Aktionen sind nicht nur ein tollpatschiges Eigentor, sondern ein unfairer Seitenhieb gegen gute Konzepte, ohne die Konzerte und andere Großveranstaltungen innerhalb der Pandemie überhaupt nicht möglich wären.

Nena-Konzert abgebrochen: Die Sängerin schadet nicht nur sich selbst. Foto: Imago/Future Image

Nena bricht Konzert ab: Durchdachte Hygienekonzepte sollen Sicherheit garantieren

Auf einer weitläufigen Fläche hinter dem unbenutzten Terminal 5 in Schönefeld ist eine besondere Konzert-Location entstanden. Von Juni bis August sollen hier Open-Air-Shows stattfinden. Die Veranstalter von Unter Freiem Himmel 2021 sind sehr stolz auf ihr durchdachtes Hygienekonzept, das einen sicheren Konzertbesuch inmitten der Pandemie garantieren soll. Ein Konstrukt aus Glasscheiben und 15.000 Cola-Kisten dient hierbei als Abgrenzung und bietet den Besucher:innen eigene kleine VIP-Bereiche“, wie es auf der Website heißt. Diese intelligente Lösung ist nur eine von vielen interessanten Möglichkeiten, Großveranstaltungen trotz Pandemie verantwortungsvoll durchführen zu können.

Nena animiert zum Missachten des Hygienekonzepts

Beim Nena-Konzert geht dieser Plan leider nicht auf: Obwohl das Hygienekonzept von Anfang an bekannt ist, versucht die Sängerin immer wieder, das Publikum vor die Bühne zu locken. Holt euch eure Freiheit zurück“, schreit Nena, bevor sie mit ihrem Hit Nur geträumt“ die Menge zum Tanzen ohne Abstand bringen will. Die Fans lassen sich nicht zweimal bitten und strömen nach vorne. Die Ordner:innen versuchen die Besucher:innen zurück in ihre Bereiche zu schicken, appellieren an die Vernunft und die vereinbarten Sicherheitsregeln, ohne die Konzerte überhaupt nicht stattfinden könnten. Doch Vernunft und Solidarität scheinen an diesem Abend für viele Leute und besonders für die krawallige Nena außer Kraft getreten zu sein.

Obwohl die Veranstalter mit einem Konzertabbruch drohen, ruft die Sängerin immer wieder zum Missachten der Hygieneregeln auf und lässt hierbei ihre problematische Einstellung zu den Corona-Maßnahmen durchblitzen. Ihre Rhetorik erinnert stark an Querdenker-Parolen. Das Abstandhalten scheint für die Sängerin wohl eher eine freiwillige Einschränkung als eine lebensrettende Notwendigkeit zu sein: „Ich überlasse es in eurer Verantwortung, ob ihr das tut oder nicht, das darf jeder frei entscheiden. Genauso wie sich jeder frei entscheiden kann, ob er sich impfen lässt oder nicht!“, stichelt Nena weiter.

Wie auf einem Video zu sehen ist, stehen die Fans vor der Bühne, viele von ihnen tragen keine Maske und jubeln wie auf einer Demonstration. Zu allem Überfluss hetzt Nena auch noch gegen die Menschenmassen auf dem politisch notwendigen CSD, um das eigene Missachten des Veranstaltungskonzeptes zu rechtfertigen. Dieser Vergleich ist nicht nur aufgrund der gesellschaftlichen Relevanz des CSD ungeschickt. Im Gegensatz zu Nenas Konzert hatten sich laut der Polizei hierbei die meisten Teilnehmenden größtenteils an die Hygieneregeln gehalten.“

Nena gilt als Kritikerin der Corona-Maßnahmen

Die Sängerin hat in den letzten Monaten bereits einige Kontroversen ausgelöst und gilt als Kritikerin der Corona-Maßnahmen. So bedankte sie sich beispielsweise öffentlich bei den Veranstaltern einer Anti-Corona-Demo in Kassel und dem Sänger Xavier Naidoo, der seit einiger Zeit ungehemmt mit gefährlichen Verschwörungstheorien und Holocaustleugnungen um sich schmeißt. Naidoos Konzert in der Zitadelle Spandau wurde zum Glück abgesagt. Wie soll denn auch ein Corona-konformes, sicheres Konzerterlebnis garantiert werden, wenn der Sänger selbst gegen die Corona-Einschränkungen hetzt und somit die Konzepte der Veranstaltungen vollkommen lächerlich macht?

Seit fast vierzig Jahren feiert Nena riesige Erfolge als Sängerin. Leider lässt sie in letzter Zeit kein Fettnäpfchen aus. Foto: Imago/Frinke

Nena-Konzert abgebrochen: Tollpatschiges Eigentor und Seitenhieb gegen Kulturbranche

Nenas Konzert muss letztendlich vom Veranstalter kurz vor den Zugaben abgebrochen werden, da sich die Sängerin und Teile des Publikums nicht an die vorher akzeptierten Konzertbedingungen halten wollten und somit eine sichere und verantwortungsvolle Veranstaltung unmöglich machten. Viele Fans hatten das Konzert schon vorher aufgrund Nenas kontroverser Aussagen oder der nicht mehr zu garantierenden Sicherheit verlassen. Momentan wird in den sozialen Medien heftig diskutiert. Hierbei zeigen sich viele Fans von der Sängerin enttäuscht, während andere sie für ihre Einstellung feiern und durchaus deutlich machen, dass Nena inzwischen auch bei Querdenkern, Esoterikern und Impfgegnern beliebt ist.

Dieses Beispiel zeigt auf schockierende Art, wie unterschiedlich die Auffassung von Solidarität und Pandemiebekämpfung sein kann. Mit ihrem Verhalten hat sich Nena nicht nur selbst ein tollpatschiges Eigentor geschossen, sondern einen bösen Seitenhieb gegen die Kulturbranche ausgeteilt, die es in der Pandemiezeit sowieso schon hart genug getroffen hat. Gefährliche Ausnahmen wie ihr Konzert in Schönefeld werfen ein dunkles Licht auf durchdachte Veranstaltungen, die unter Beachtung der Konzepte und mit Appell ans eigene Verantwortungsbewusstsein keine Bedrohung darstellen würden.

Besser ein eingeschränktes Konzert als gar kein Konzert

Natürlich fühlt es sich unglaublich gut an, nach all der Zeit wieder ein kleines bisschen Normalität zu erleben und Sachen unternehmen zu können, auf die so lange verzichtet werden musste. Die Corona-Pandemie ist jedoch trotzdem immer noch nicht besiegt und Veranstaltungen müssen daher an diese schwierigen Bedingungen angepasst werden. Hätte beispielsweise die Fußball-EM nicht auch mit halb so vollen Stadien und Maskenpflicht Spaß gemacht und dafür nicht Leben und Gesundheit tausender Menschen gefährdet? Ist es nicht auch mal interessant, besondere Events mit außergewöhnlichen Konzepten zu erleben, bevor hoffentlich alles wieder zur Normalität zurückkehrt?

Selbstverständlich sind die Corona-konformen Veranstaltungen Kompromisse. Könnten große Mengen wieder ungefährdet miteinander tanzen, jubeln, singen und schreien, müsste kein Veranstalter mehr Glasscheiben aufstellen, Mindestabstände oder das Tragen von Masken kontrollieren. Leider müssen wir uns noch etwas gedulden. Es fühlt sich trotzdem unglaublich gut an, nach all der Zeit wieder auf einem Konzert zu sein. Wir sollten dankbar für gute Konzepte sein, die uns auch in einer Pandemie verantwortungsvolle Veranstaltungen ermöglichen. Hierbei gilt doch immer noch: Besser ein eingeschränktes Konzert als gar kein Konzert.

Was Nena betrifft, sind die 99 Luftballons“ wohl endgültig geplatzt.


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