Hip Hop

Nicky Minaj – Die Liebe der Königin

Der Thron der HipHop-­Königin mag weiter hart umkämpft sein, aber die aktuelle ist die wohl beste Nicky Minaj aller Zeiten

Foto: Universal Music

Wenn Königinnen zürnen, gerät die Gefolgschaft schnell in Aufruhr. Die Jünger von Nicki Minaj, die sich selbst „Barbz“ nennen, standen vergangenen Herbst in den sozialen Medien Spalier, als sich Harajuku Barbie, eins von Minajs Alter Egos, und Cardi B eine denkwürdige Schlammschlacht lieferten, die mit dem Wurf eines Stilettos auf der New Yorker Fashion Week ihren vorläufigen Höhepunkt fand. Es ging dann noch eine Weile hin und her: Nicki lästerte in ihrer Radioshow „Queen“ über die mütterlichen Qualitäten der Rivalin, Cardi schoss auf Instagram mit einer Salve ziemlich lustiger Handyvideos zurück. ­Irgendwann war der Sturm verebbt, die Gräben aber tiefer denn je. Dabei hatten Fans nach dem spektakulären Cameo der streitlustigen Walküren im Migos-Song „Motorsport“ hoffen dürfen, dass da endlich auch Platz für zwei gleichwertige Königinnen auf dem HipHop-Thron sein könnte – ganz ohne die üblichen Catfights und von außen befeuerte Rivalitäten. Lil Kim oder Foxy Brown, Beyonce oder Rihanna, die Zeiten schienen vorbei. Warum nicht ausnahmsweise: Nicki Minaj und Cardi B?

Dass Nicki Minaj gerade nervös wird, ist nur zu verständlich. 2018 hätte eigentlich ihr Jahr als unangefochtene „Queen“ of Rap werden sollen. Das gleichnamige vierte Album war eine Platinbombe mit Ansage. Aber dann funkte ihr erst Cardi B mit ihrem Debüt „Invasion of Privacy“ dazwischen, das endgültig unter Beweis stellte, dass sie mehr ist als bloß gut vermarktet. Und eine Woche vor der Veröffentlichung von „Queen“ landete Travis Scott mit „Astroworld“ auf Platz Eins der amerikanischen Charts, von dem ihn auch Minaj nicht verdrängen konnte. Ihre Durchlaucht echauffierte sich über Manipulationen von Scott, die ihr eine Nummer-Eins-Platzierung gekostet hätten. (Platin gab’s dennoch) Und zur Krönung wurde dann noch die geplante Tour mit Future abgesagt, weil sich die Karten nur schleppend verkauften. Die schlechte Verliererin geben und dabei Haltung bewahren, dieses Kunststück beherrscht nicht mal die sonst so souveräne und durchaus zur Selbstironie befähigte Nicki Minaj.

Eigentlich sollte sie sich über die Herausforderung freuen. Zur Queen krönen kann sich schließlich jede, wenn es an Konkurrenz mangelt. Minaj gilt zwar unbestritten als Königin der HipHop-Kollabos (die Liste ist prominent besetzt und recht von Mentor Lil’ Wayne über Drake, Beyoncé und Justin Bieber bis zu Madonna), aber ihre ersten Alben schwankten zu inkonsistent zwischen HipHop, R’n’B, Pop und EDM. Und ein echter Crossover-Mainstreamhit gelang ihr bisher nur mit „Anaconda“.

Den Durchbruch vom HipHop ins Popsegment hat Minaj nicht so überzeugend geschafft wie etwa Rihanna, die einfach die bessere Sängerin ist – aber eben auch nicht diesen unwiderstehlichen Stakkato-Flow besitzt. Erstmals demonstrierte sie 2014 mit „The Pinkprint“ auf Albumlänge, dass hinter der schillernden Kunstfigur tatsächlich Sub­stanz steckt. Der Nachfolger „Queen“ ist Minajs bisher bestes Album, ein Reminiszenz an ihre frühen Mixtapes und eine wortgewaltige Replik auf den ehemaligen Reality-TV-Star Cardi B – in den Augen der ungnädigen Königin ohnehin nur ein Emporkömmling.

Nicki Minaj ist aber nicht nur eine HipHop-, sondern auch eine richtige Drama Queen. An der High School machte sie einen Abschluss in der Schauspielklasse, seitdem hat sie ebenso konsequent an ihrem Image gefeilt wie an ihren Rap-Skills. Auf „Queen“ geben sich die bizarren Persönlichkeitsabspaltungen der Kunstfigur Nicki Minaj noch mal ein Stelldichein: die rasiermesserscharfe Nicki the Ninja, der Sexual Predator Nicki Lewinsky, ihr „Evil Twin“ Roman Zolanski (der sich mit seinem Gastauftritt in Kanye Wests „Monster“ verewigte) und natürlich Harajuku Barbie mit „Barbie Dreams“. In dem Cover von Biggie Smalls’ Modeselektor „Just Playing (Dreams)“ rattert die Königin der waffenfähigen Zweizeiler in weniger als vier Minuten mal kurz die Namen all der Rapper runter, die garantiert nie in den Genuss ihrer majestätischen Körpersäfte kommen werden. „Hol Dir Dein Hatorade, lösch Deinen Durst an mir.“ Auch wenn Nicki bei Verkaufszahlen keinen Spaß versteht, sie ist und bleibt eine brillante Komikerin.

Ihr permanenter Angriffsmodus ist angesichts des Sexismus im HipHop allerdings auch nachvollziehbar. „Ich hatte anfangs so viel gegen mich: schwarz sein, eine Frau, dazu Rapperin. Ich musste mich 100 Mal bewähren“, erzählte sie vergangenes Jahr. Darum nennt sie Foxy Brown auch als einen ihrer wichtigsten Einflüsse. Brown behauptete sich in den späten 90er-Jahren, gerade mal 18 Jahre alt, mit ihren expliziten Texten gegen die gesamte männliche Rap-Garde. Damals wurden Frauen im HipHop noch wie achte Weltwunder bestaunt. Auf „Queen“ gibt Minaj ihrem großen Vorbild jetzt Props. Ihr Duett „Coco Chanel“ (das Beste aus Queens und Brooklyn, New York‘s Finest sozusagen) gehört zu den Highlights des Albums: ein harter Dancehall-Riddim über einen Synthie-Hook, dazu die beiden markantesten Stimmen ihrer Generationen. Ein echtes Statement.

Eine Ansage ist auch die strategische Al­lianz mit Ariana Grande, von der beide Künstlerinnen profitiert haben. Der ehemalige Nickelodeon-Kinderstar holte sich bei Minaj die nötige Street Credibility. Minaj konnte im Gegenzug mit Hits wie „Get On Your Knees“ und „Side to Side“ beim viel jüngeren Publikum Grandes andocken.

Das Kalkül ging für beide glänzend auf und hat sich bewährt. Nicki und Ariana sind der perfekte Mix aus High-Concept-Pop und HipHop, da sieht auch ein Travis Scott, der sich seine Alben regelmäßig mit namhaften Cameos überfrachtet, alt aus. Ihr gemeinsamer Track „Bed“ hat von allen Songs auf „Queen“ die beste Hookline: Grandes süß-samtiges Gesäusel im Zusammenspiel mit Minajs wider­hakenden Bubblegum-Assoziationsketten sind zum Pop-Markenzeichen geworden.

Damit darf sich Berlin auf die wohl beste Nicki Minaj aller Zeiten freuen. Dass sie statt Future nun dessen Schützling Juice Wrld mit auf Tour bringt, ist zu verschmerzen. Neben einer Nicki Minaj in Höchstform bestehen momentan nur wenige Rapper. Gift hat sie in den vergangenen Monaten reichlich verspritzt. Jetzt können sich alle „Barbz“ da draußen auf die bedingungslose Liebe ihrer Queen gefasst machen.

Mercedes-Benz Arena Mercedes-Platz 1, Friedrichshain, Do 28.2., 20 Uhr, VVK ab 72,30 zzgl. Gebühren

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