Letzte Woche wurde selbst in Berliner Electro-Szene-Kreisen noch spekuliert: Ist Ellen Allien diesen Sommer wirklich mit einem neuen Album am Start? Dem dritten in drei Jahren? Oder kommt „nur“ eine ihrer zahlreichen 12-Zoll-Maxi-Singles? Inzwischen steht fest: Die wichtigste Berliner Techno-Produzentin haut ein vollwertiges Album raus. „AurAA“ heißt es, kommt am 12. Juni auf ihrem Berliner Label BPitch Control. „AurAA“ beherbergt ganze sieben Tracks von jeweils vier bis fünf Minuten Länge. Und das grafisch hypnotisierende Video, das Ellen Allien heute am Tag vor Himmelfahrt gepostet hat, ist auch schon mal ein toller Appetizer – nicht nur für die titelgebenden wahren Romantiker*innen, die sich in Berlin ja manchmal rarzumachen scheinen:
Da kann man schon sehnsüchtig werden nach Ellen Alliens DJ-Sets vor wenigen Monaten noch in der alten Griessmuehle an der Sonnenallee. Dort hat sie alle zwei Monate bei „We Are Not Alone“ aufgelegt, unweit vom Neuköllner Schiffahrtskanal. Sowieso ist das ja immer das Spannende bei Ellen Allien, wie sie sich so einzigartig zwischen Dancefloor- und und Zuhause-Techno bewegt. „Intelligent Dance Music“ hat man dazu lang gesagt, in Ermangelung besserer Worte für das, was auch Leute wie Aphex Twin und Squarepusher leisten. Techno, der keine funktionale Gebrauchsmucke ist, sondern definitiv Kunst. Autorentechno halt, könnte man analog zum Autorenfilm sagen.
Und wie klingt Ellen Allien auf „AurAA“ nun?
Der tip durfte das kommende Album „AurAA“ schon komplett hören, und wir würden sagen: Zwei Tracks, nämlich „Confusion“ und „Traum“ eignen sich 1:1 von vorne bis hinten four-to-the floor und ohne weitere Remix-Spielereien für den Tanzboden. Die anderen fünf Tracks warten schon mit so einigen Breakbeats und anderen Brechungen auf und sind tatsächlich eher was fürs Sozialisolationssofa – aber so, dass einem die Beine und die Hirnzellen zappeln.
Schon krass sowieso, wenn man sich noch mal vor Augen hält, was für eine Ausnahme-Erscheinung Ellen Allien ist, und wie weit die Aura der „AurAA“-Produzentin reicht. Keine andere Berliner Techno-Künstlerin wird weltweit auf diesem Level wahrgenommen und gefeiert. Die Online-Gefolgschaft zählt allein auf Facebook nahezu eine Million Menschen. Und sie hat es sich verdient, freilich.
Keine andere hat soviel Klanginspiration gezogen aus dem frisch wiedervereinigten Berlin – und es dementsprechend technoid geprägt. Die ersten Alben hießen „Stadtkind“ und „Berlinette“. Ja, Ellen Allien, geboren im revolutionären 1968 in West-Berlin, ist und bleibt immer ganz klar eine aus Berlin, auch wenn sie ein paar Impulse aus ihrer kurzen London-Zeit bekam. Aber psst, das müssen wir den Insulaner*innen nicht verraten, sonst versnobben die vollends.
Der Sound von Ellen Allien prägt die Stadt
Auch das Label mit dem knackigen Namen BPitch Control, das Ellen Allien aufgebaut hat und regiert, steht für Berliner Techno-Sound wie kein zweites. Hier gibt’s Platten vom Berghain-Resident Ben Klock oder vom „Berlin Calling“-Überflieger-DJ Paul Kalkbrenner. Aber auch von zarteren Acts wie Apparat und Modeselektor (die zusammen Moderat heißen) und der brasilianisch-berlinischen Piano-Songwriterin Dillon. Krasse Frau, unsere Berliner Ellen Allien! Ab 12. Juni wird sie sicher viele Berliner Wohnungswände zum Wummern bringen.
Douglas Greed hat zufällig den Berliner Techno-Soundtrack zur Pandemie geschrieben – mit Maske. Noch mehr Techno aus Berlin: Wie Fritz Kalkbrenner den melancholischen Nerv Berlins trifft. Außerdem: Das Kater Blau begeistert uns mit einer neuen Compilation. Clubs in Not: So steht es um die Clubszene in Berlin. Berlin hat nicht nur großartige Clubs, die Hauptstadt ist auch Sitz zahlreicher bekannter Labels, hier sind die 12 besten. Clubs im virtuellen Raum: Mit „#UnitedWeStream“ crowdfunden, doch was bleibt für die Clubs an Geld tatsächlich hängen?