Kommentar

Verbotene Partys am Plötzensee: Das Bezirksamt macht Politik

Eigentlich sollen in den nächsten Wochen Partys und Konzerte am Plötzensee stattfinden – mit dem Segen vom Senat und der Verordnetenversammlung des Bezirks Mitte. Doch das Bezirksamt Mitte schießt quer. Die Verwaltung macht in Berlin mal wieder Politik, und das auch noch mit fadenscheinigen Argumenten, findet unsere Autorin.

Partys am Plötzensee: Das Bezirksamt macht mit fadenscheinigen Argumenten Politik, findet unsere Autorin.
Unsere Autorin findet: Der Plötzensee ist für alle da. Foto: Imago Images/Schöning

Berlin ist wie ein Körper, bei dem die Füße nicht darauf hören, was der Kopf ihnen sagt. Die Füße, das sind die Verwaltungen, also die Bezirksämter, die eigentlich nur ausführen sollen, aber bekannt dafür sind, gerne ihr eigenes Süppchen zu kochen. Der Kopf besteht aus Senat und Bezirksverordnetenversammlungen, die eigentlich die politische Linie in der Stadt und in den Bezirken vorgeben.

Für die neuste Aufregung sorgte am vergangenen Wochenende das Bezirksamt Mitte: Das Amt gab am Samstag bekannt, dass Musikveranstaltungen im Strandbad Plötzensee und damit auch die berühmte Pornceptual-Party, die sonst in den Alten Münze stattfindet und für Sonntag von 12 bis 20 Uhr geplant war, nicht erlaubt seien. Als Grund führte Bezirksstadträtin Sabine Weißler Beschwerden von Anwohner:innen nach einer Party am Wochenende davor an. Die Parks und Gewässer würden nach der Pandemie umso dringender als gemeinschaftlich nutzbare Flächen von allen Bürgerinnen und Bürgern benötigt. „Wir wehren uns gegen die Vereinnahmung dieser Flächen als Veranstaltungsorte“, sagte Weißler.

Das Bezirksamt gibt nur denen Raum, die Ruhe wollen

Weißler argumentiert wie eine Person, die nicht sehen will, wie viel kulturellen Wert und Nutzen Partys wie die Pornceptual haben. Die eine Stadt nur für ein gesetztes Klientel will und die Bedürfnisse von jenen, die es nach den langen Wintermonaten im Lockdown nach lauter Musik und Spaß, aber auch nach einem Zusammenkommen mit ihrer Community dürstet. Ihre Vorstellung von „gemeinschaftlich nutzen“ ist eine Einbahnstraße: Die ganze Woche soll Ruhe sein am Plötzensee, damit die, die Ruhe wollen, noch mehr Ruhe bekommen. Wenn aber an ein oder zwei Tagen in der Woche eine Kulturveranstaltung stattfindet, die nicht der allgemeinen Vorstellung von Hochkultur entspricht, spricht das Bezirksamt von „Vereinnahmung“. „Gemeinschaftlich nutzen“ bedeutet für das Bezirksamt Mitte, dass sich eine Gruppe durchsetzt und die andere sich fügen muss.

Dass Partys wie die Pornceptual Orte sind, an denen vor allem auch viele queere Menschen zusammenkommen können und sich nicht, wie sonst auf den Straßen, in den öffentlichen Verkehrsmitteln, in Bars und Museen, vor queerfeindlichen Kommentaren und Angriffen fürchten müssen, scheinen das Bezirksamt und seine Stadträtin nicht zu sehen. Genauso wenig wie den Fakt, dass Musikveranstaltungen in Berlin, einer Stadt, die berühmt für ihre Technoszene ist, immer weniger Raum haben. Sonst würden sie nicht nur den Bedürfnissen der Ruhesuchenden Raum geben, sondern auch denen, die diese Form von Kultur leben wollen.

Lieber kontrollierte Partys im Strandbad, als unkontrollierte am gegenüberliegenden Ufer. Foto: Imago Images/ Kathrin Schubert

Die Autos und LKW, die den ganzen Tag und die ganze Nacht die Seestraße entlang am Plötzensee vorbeibrausen und deren Lärm und Abgase bis weit auf den See dringen dagegen: nicht der Rede wert. Außerdem argumentiert das Bezirksamt eh nicht mit Naturschutz, sondern mit den Anwohner:innen und anderen Parkbesucher:innen. Die übrigens eh mit Musik aus den vielen portablen Boxen der Menschen am anderen Ufer konfrontiert werden –allerdings unkontrolliert lange und ohne Lärmschutz. Bezeichnend ist auch, dass das Bezirksamt auf den Alex und den Bebelplatz als mögliche Veranstaltungsorte hinweist. Wer denkt, auf diesen Flächen könne man problemlos eine Party veranstalten, hat keine Ahnung davon, wie Berliner Partys und Raves funktionieren.

Das Bezirksamt ignoriert Beschlüsse von oben

Noch mehr zum Haare-Raufen aber ist, dass Weißler und das Bezirksamt mit ihrem Handeln sowohl die Linie des Senats, als auch einen bindenden, demokratischen Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung Mitte ignorieren. Die Füße laufen rückwärts, während ihnen der Kopf sagt, vorwärts zu gehen. Denn der der Senat fördert und propagiert mit dem Projekt Draußenstadt explizit kulturelle Veranstaltungen, auch Partys, im Freien. Dadurch soll auch illegalen Partys wie den Raves in der Hasenheide, über die sich Poltiker:innen und Anwohner:innen laufend beschweren, der Zulauf entzogen werden.

Obendrauf kommt der Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung vom 16. Juni, mit dem die Versammlung das Bezirksamt ausdrücklich ersucht, alle Genehmigungen für die 18 geplanten Veranstaltungen im Strandbad Plötzensee schnell und „wohlwollend zu prüfen“. Von Wohlwollen kann bei den Entscheidungen des Bezirksamts keine Rede sein. Stattdessen macht es seine eigene konservative, einseitige Politik. Und von schnell erst recht nicht: Der Sommer ist zur Hälfte um, es droht ein weiterer Corona-Winter komplett ohne Events. Den Veranstalter:innen läuft die Zeit davon und denen, die feiern wollen, auch.


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