Geschichte

20s.Berlin: Eine virtuelle Zeitreise in die Goldenen Zwanziger

20.sBerlin macht eine der spannendsten Epochen in der Geschichte der Hauptstadt greifbar: die 1920er. Zwischen ausuferndem Hedonismus und Dekadenz auf der einen Seite und großer Hungersnot und Armut auf der anderen entstand in der Zeit ein Spannungsfeld, das sich nachhaltig in die Biografie der Stadt einschrieb. 100 Jahre zurück in eben dieses ambivalente Berlin der 1920er-Jahre entführt die interaktive Virtual Reality Experience 20s.Berlin in der East Side Mall und lässt das Areal rund um den Pariser Platz wieder auferstehen. Wir haben uns auf die virtuelle Zeitreise begeben.

Bis zu sieben Menschen können bei 20s.Berlin mithilfe von Virtual Reality gleichzeitig in die Vergangenheit reisen. Foto: Timetravel.Berlin

20s.Berlin lässt den Pariser Platz in der East Side Mall lebendig werden

Eine Litfaßsäule, gekleidet in historische Plakate, bildet das Zentrum der virtuellen Zeitmaschine, die bis zu sieben Menschen gleichzeitig in die Vergangenheit eintauchen lässt. Begegnen werden sie sich dort nicht, jede Zeitreise in das Jahr 1928 wird bei 20s.Berlin zum individuellen Erlebnis. Kopfhörer und Controller lassen zudem eine aufregende Kulisse aus Visuellem, Auditivem und Haptik entstehen, die die Gegenwart schnell verschwinden lässt. Zwischen Brandenburger Tor über den Prachtboulevard Unter den Linden bis hin zur Alten Bibliothek können sich die Besucher:innen selbstbestimmt bewegen und die Stimmung einer Zeit erspüren, die für sie sonst nur schwer zu greifen ist.

Mal eben 100 Jahre zeitversetzt an einem der lebendigsten Plätze der Metropole Berlin ausgespuckt zu werden, kann schon leicht überfordern. „Dit is keen Problem“ würde der Zeitungsjunge Tiger, der die Ankömmlinge in Empfang nimmt, wohl sagen. Gemeinsam mit der Berliner Schnauze wird das Erkunden zu einer Mischung aus Anekdotenerzählung und dem Bestaunen zeithistorischer Zeugnisse.

Auf einen Plausch mit dem Pagen des Hotel Adlon, bei Bolles Molkerei eine Milch schlürfen oder beim Zeitungshändler die aktuellen Schlagzeilen lesen, während die Graf Zeppelin über die Szenerie schwebt – die virtuelle Umgebung bei 20s.Berlin darf nicht nur beschaut werden, sondern fordert dazu auf, sie zu berühren, zu gestalten und zu befragen. Jedes einzelne Element zeugt dabei von Detailverliebtheit und hat den Anspruch, die Zeit so authentisch wie möglich abzubilden. Für den Vergleich mit der Realität haben wir ein paar Bilder zum Berlin der 1920er rausgesucht.

In Begleitung des Zeitungsjungen Tiger erkunden Besucher:innen der Virtual Reality Experience 20s.Berlin den Pariser Platz der 1920er-Jahre. Foto: Timetravel.Berlin
In Begleitung des Zeitungsjungen Tiger erkunden Besucher:innen der Virtual Reality Experience 20s.Berlin den Pariser Platz der 1920er-Jahre. Foto: Timetravel.Berlin

20s.Berlin macht individuelle Zeitreisen möglich

Hinter so viel Hingabe an eine quellennahe Rekonstruktion steht das Berliner Startup Timetravel.Berlin, das Peter Langer und Benedikt Goebel, Inhaber des Büros für Stadtforschung, vor vier Jahren als „virtuelles Reisebüro“ ins Leben riefen. Seitdem arbeiten die beiden gemeinsam mit einem internationalen Team daran, einen lang gehegten Menschheitstraum zu realisieren: Zeitreisen. Alexander Dada, Forscher zur Stadtgeschichte, trug mit historischen Fotografien zur Gestaltung bei, Schauspieler:innen liehen den Charakteren ihre Stimmen und Bewegungsabläufe und Autor Constantin Lieb, der bereits die Drehbuchvorlage für die Verfilmung von Erich Kästners „Fabian“ lieferte, erweckte die historische Umgebung dramaturgisch zum Leben. Die technische Umsetzung hat ein Team um 3D-Artist Lukas Brüß ermöglicht.

Rund um den Berliner Platz, zwischen Brandenburger Tor und Alter Bibliothek können sich Besucher:innen bei 20s.Berlin bewegen. Foto: Timetravel.Berlin

Die Idee zu einer Ausstellung dieser Art kam dem Gründer Peter Langer beim Wälzen alter Fotobände. Das Berlin, das ihm in den Erzählungen seines Großvaters begegnete, wollte er mithilfe von virtuellen Zeitreisen erlebbar machen. „Mein Herz ist übergesprungen, als ich das alte Berlin meines Großvaters gesehen habe“, sagt der Münchner. Den ursprünglichen Plan, das Berliner Stadtschloss virtuell auferstehen zu lassen, verwarf das Team nach zwei Jahren und wendete sich stattdessen einem anderen Kondensationspunkt deutscher Geschichte zu, dem Brandenburger Tor.

20s.Berlin: Virtual Reality als Instrument der Geschichtsvermittlung

Das Ergebnis dieser zweijährigen intensiven Arbeit soll nicht nur geschichtsinteressierten Berliner:innen, Tourist:innen und Technik-Fans neue Blickwinkel eröffnen. Die Verantwortlichen haben auch stets Schulklassen mitbedacht. Die können hinter der Zeitschleuse einen interaktiven Raum betreten und dort spannende Fragen entwickeln. „Wir maßen uns nicht an die Weimarer Republik in 15 Minuten zu erklären, aber es soll für Schulklassen zumindest so viel sein, dass die Kinder motiviert werden, sich mit Geschichte auseinanderzusetzen“, erklärt Langer.

Was hier in der East Side Mall zunächst für drei Monate temporär ein Zuhause gefunden hat, dient gewissermaßen als Schaufenster in eine Welt, die sich schrittweise weiterentwickeln und mit neuen Inhalten befüllen wird. Für die Zukunft können sich die Initiatoren auch die Erschließung anderer historischer Schauplätze und das Erlebbarmachen anderer Zeitschichten vorstellen.

20s.Berlin eröffnet am 2. Oktober im 1. Obergeschoss der East Side Mall. Die Ticketpreise variieren abhängig vom gebuchten Zeitfenster. Möglich sind 20-, 40- oder 60-minütige VR-Experiences. Die Normal-Tickets (20 Min.) sind ab neun Euro, die Extended-Tickets (40 Min.) ab 16 Euro und die Mega-Tickets (60 Min.) ab 23 Euro online im Ticketshop erhältlich. Mit dem Erwerb eines Tickets könnt ihr gleichzeitig einen festgelegten Slot innerhalb der Öffnungszeiten von Montag bis Samstag zwischen 9 und 21 Uhr buchen. Es gelten die aktuellen Hygienevorschriften.  

  • East Side Mall Tamara-Danz-Straße 11, Friedrichshain, Tel.:030/41 71 70 14, weitere Infos findet ihr hier

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