Festival

„48 Stunden Neukölln“: Auf den Straßen überall Kunst

„48 Stunden Neukölln“ feiert die 25. Ausgabe. „Play(ground)“ lautet das Motto des diesjährigen Kiez-Festivals. Zwischen Freitag, dem 23. Juni, und Sonntag, dem 25. Juni, wird das Festival den Stadtteil Neukölln in ein Spektakel verwandeln. Rund 1.200 Künstlerinnen und Künstler untermauern ihre Kreativität an 330 Orten, von Galerie über Späti bis Industriehalle. Ein gesellschaftliches Ereignis mit besonderen Dimensionen.

Exponate aus dem Jahr 2020: eine Schau im alten Umpannwerk an der Neuköllner Richardstraße. Foto: Tanja Schnitzler

Das Festival, das Kunst in die Schaufenster eines außergewöhnlichen Stadtteils bringt, ist ein Publikumshit. 80.000 Menschen strömen jährlich in den Norden des gleichnamigen Bezirks, wenn „48 Stunden Neukölln“ eingeläutet worden ist.

Zwischen Freitag, 23. Juni, und Sonntag, 25. Juni, findet das Kiez-Festival in diesem Jahr statt, und weil es sich um die 25. Ausgabe handelt, darf sogar Jubiläum gefeiert werden. 1999 war Premiere. Damals hatte die Interessensgemeinschaft „Kulturnetzwerk Neukölln e. V.“ das Festival ins Leben gerufen, um den Ruf ihres Betätigungsorts zu verbessern. Der Stadtteil Neukölln galt im öffentlichen Bild als Sodom und Gomorrha. Und in der Tat waren die soziale Probleme groß.

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„48 Stunden Neukölln“: Ein Festival, das den Stadtteil abbildet

Ein Vierteljahrhundert danach symbolisiert „48 Stunden Neukölln“ den Wandel. Vor Ort hat sich bekanntlich eine friedliche Koexistenz zwischen Arbeiterschichten und einer internationalen Bohème-Szene herausgebildet.

Für die Ansiedlung des Kreativmilieus stehen die Ausmaße des diesjährigen Festivals, das einmal ganz klein angefangen hat: Rund 1.200 Künstlerinnen und Künstler präsentieren 2023 ihre kulturellen Erzeugnisse – an 330 Orten. Und das eben nicht nur an typischen Kunstorten wie beispielsweise Galerien. Sondern auch in Bars, Spätis, Industriehallen. Sogar eine Friedhofskapelle ist Teil der Kulisse. Exponate an eher schroffen Orten auszustellen: Das macht seit jeher die Faszination von „48 Stunden Neukölln“ aus. Das riesige Programm ist Ausdruck einer dicht vernetzten lokalen Künstlerszene. Im Line-Up finden sich übrigens auch Performances, Konzerte oder Workshops.

Kunst-Festival „48 Stunden Neukölln“: Textilien und feministische Rebellion

Das Motto lautet in diesem Jahr „Play(ground)“. Hier rücken wir ein paar Hochkaräter unter den Programmpunkten in den Fokus:

Eine soziale Skulptur will die kanadische Künstlerin Christy Langer errichten. An einer Straßenecke am Körnerpark macht sie aus Festivalgängern semi-profesionelle Textilkünstler – indem sie ihnen Wolle, Schnur und anderen Stoff aushändigt. Die Artefakte, die dabei im öffentlichen Raum entstehen, sollen sich zu einem Gesamtkunstwerk verbinden. Christy Langer versteht den kollektiven Schöpfungsprozess als Allegorie auf die Schwarmintelligenz in der Tierwelt, wie sie etwa beim gemeinschaftlichen Nestbau unter Vogelfamilien sichtbar wird. „Animal Architects“ nennt sich das Projekt triftigerweise.

Auf dem Balkon des Opernhauses Neukölln huldigen Musikerinnen einem Ort am Bosporus, dessen Probleme den Fährnissen rund um Hermannplatz und Karl-Marx-Straße ähnlich sind. Die Gruppe „X-Berg Kiz Meslek Korosu“ interpretiert anatolische Lieder, die das multikulturelle Flair von Tarlabaşı einfangen, einem Stadtteil in Istanbul, der sich zum Profitobjekt der Investoren entwickelt hat. Gentrifizierung ist bekanntermaßen auch ein Thema in Neukölln.

In den Neukölln Arcaden demonstrieren die blinden Fotografen Susanne Emmermann, Silja Korn und Gerald Pirner, wie sie Bildkunst ohne Sehsinn erschaffen. Ein Erkenntnisgewinn, den die Besucherinnen und Besucher anhand von partizipativen Veranstaltungen erzielen. Kleiner Spoiler: Der Tastsinn, das Gehör und die Fähigkeit zur Imagination können dabei große Hilfen sein.

Eine Kunstveranstaltung mit Einfluss: „48 Stunden Neukölln“ goes Straßenmode. Foto: Imago/Martin Müller

Die B-Lage im Richardkiez, eine Kneipe, die Treffpunkt der linken Szene ist, wird zum Schauplatz für feministische Rebellion. Dort möchte die Lyrikerin Odile Kenne das „Manifotzo“ ausrufen. Eine Gedichtinstallation soll dieses Exponat werden – das Ziel ist die weibliche Aneignung der Vokabel „Fotze“, die gemeinhin ja eher abschätzig verwendet wird. Eine emanzipatorische Kraft entfalten dabei die Mittel der Poesie.

Schon jetzt lässt sich sagen, dass der Spirit von „48 Stunden Neukölln“ auch in diesem Jahr zum Standort passt. Kein Chi-Chi, sondern ein state of mind mit Tuchfühlung zur Straße.

Highlights

„Animal Architects“ von Christy Langer Fr, 23.6., 19-22 Uhr, Sa, 24.6., 12-22 Uhr, So, 25.6., 12-17 Uhr, Ecke Körnerpark/ Jonasstraße

X-Berg Kiz Meslek Koros Fr, 23.6., 19-20 Uhr, So, 25.6., 18-19 Uhr, Balkon der Neuköllner Oper, Karl-Marx-Straße 131

„Meet Blind Photographers“ Ausstellung: Fr, 23.6., 19-22 Uhr, Sa, 24.6., 12-22 Uhr, So, 25.6., 12-17 Uhr, Veranstaltungszeiten stehen noch nicht fest, Neukölln Arcaden, Dark Room, Karl-Marx-Straße 66, 12043 Berlin

„Manifotzo“ von Odile Kenne Fr, 23.6., 19-19:10 Uhr, 19:30-19:40 Uhr, 20-20:10 Uhr, B-Lage, Mareschstr. 1


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„48 Stunden Neukölln“ 2024: Das erwartet euch. Wer in Berlin eine inspirierende Ausstellung besuchen will, hat es leicht: Zurzeit sorgt besonders das Eröffnungsprogramm im Haus der Kulturen der Welt unter der neuen Intendanz von Bonaventure Ndikung für interessante Perspektiven: Die Gruppenausstellung „O Quilombismo“ beschäftigt sich mit alternativen Gesellschaftsformen. Im Haus am Lützowplatz in Tiergarten reflektieren Künstlerinnen und Künstler aus Israel ihr persönliches Verhältnis zum Staat im Nahen Osten. Auch die Exponate an anderen Ausstellungsorten sind Besuche wert, ob in der Alten Nationalgalerie oder dem Gropius-Bau. Geht immer: Wir zeigen euch 12 wichtige Ausstellungshäuser, Galerien und Museen für Kunst in Berlin. Wir blicken nach vorne: Die wichtigsten Ausstellungen im Berliner Kunstjahr 2023 im Überblick. Gut zu wissen: Am Museumssonntag ist der Eintritt kostenlos, jeden ersten Sonntag im Monat. Immer gut über das Leben in Berlin informiert: Abonniert jetzt unseren wöchentlichen tipBerlin-Newsletter

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