Kunst

Aktuelle Ausstellungen in Berlin: Neue Kunst-Tipps und letzte Chancen

Die wichtigsten Ausstellungen in Berlin: Die Kunstwelt ist immer in Bewegung. Was es Neues gibt, was sich weiter lohnt und wo ihr noch unbedingt hin müsst, bevor es zu spät ist, lest ihr hier. Claudia Wahjudi und Ina Hildebrandt geben Tipps für neue Kunst und aktuelle Ausstellungen in Berlin – und für letzte Chancen, bevor es zu spät ist.


Neue Ausstellungen: Kürzlich eröffnet

Welche Ausstellungen sind gerade neu? Hier lest ihr, was in der Kunstwelt neu eröffnet wurde und was wir kürzlich besucht haben.


Ólafur Elíasson: “The lure of looking through a polarised window of opportunities, or seeing a surprise before it’s reduced, split, and then further reduced” in der Galerie Neugerriemschneider

Foto: Jens Ziehe. Courtesy of the artist and neugerriemschneider, Berlin © 2025 Olafur Eliasson
Olafur Eliasson, The lure of looking through a polarised window of opportunities, or seeing a surprise before it’s reduced, split, and then further reduced, Ausstellungsansicht neugerriemschneider, Berlin, 2025. Foto: Jens Ziehe. Courtesy of the artist and neugerriemschneider, Berlin © 2025 Olafur Eliasson

Er beherrscht auch die mittleren Formate. Ólafur Elíasson, der die Halle der Tate Modern London zum Leuchten brachte und grönländische Eisblöcke auf dem Pariser Place du Panthéon schmelzen ließ, hat die Filiale der Galerie Neugerriemschneider auf dem Pfefferberg mit physikalischen Experimenten bestückt, durch die sich hindurchwandern lässt, ohne sich überwältigt fühlen zu müssen. Es geht um das, was das menschliche Auge aus optischen Reizen macht: um Licht und Schatten, Farbe und Schwarzweiß, Bewegung und Stillstand. Zudem hat Elíasson Lichtquellen, Ventilatoren und Spiegel passgenau in die Räume der ehemaligen Brauerei eingefügt, ohne ihrem pittoresken Charme zu erliegen. Das Gebäudeensemble kennt er gut: Sein großes Studio liegt nebenan.

  • Galerie Neugerriemschneider Pfefferberg, Christinenstr. 18–19, Prenzlauer Berg, Di–Sa 11–19 Uhr, bis 9.8.

„30 Jahre Villa Aurora: Kunst für die Stadt“ auf Berliner Straßen

Foto: Lukas Zitzer
Ulu Braun: Sunset Egonomy am Kottbusser Damm 1, Kreuzberg, Foto: Lukas Zitzer

Die Villa Aurora, einst Exilort des Schriftstellers Lion Feuchtwanger in Los Angeles, ist heute eine der spannendsten Residenzen für Künstler:innen im transatlantischen Raum. Zum 30-jährigen Jubiläum zeigen sechs ehemalige Stipendiat:innen ihre Arbeiten direkt im Berliner Stadtraum: als großformatige Plakate an Fassaden, Wänden und Straßenecken. So bringt Hutchinson eine Collage aus Fotografie und Text in den Schöneberger Norden, wo er aufgewachsen ist. Seine Bilder aus Berlin und Los Angeles erzählen von Herkunft, Zugehörigkeit und urbaner Identität. Am Kottbusser Tor trifft Anna Haifischs lakonische, melancholische Zeichnung auf vollgetaggte Hauswände – eine stille, zärtliche Geste inmitten des Chaos. Werner Amann zeigt riesige Porträts nackter, alternder Körper in der Weserstraße, die Schönheitsideale infrage stellen, Karin Apollonia Müller bringt kalifornische Palmen und reflektierte fotografische Beobachtungen in die Prenzlauer Allee, und der in Beirut geborene Künstler Siska liefert eine poetisch-politische Intervention an der Yorckstraße. „Kunst für die Stadt“ lädt dazu ein, Berlin mit neuen Augen zu sehen – auf einer Entdeckungstour durch bekannte Ecken, die plötzlich ungewohnte Bilder zeigen. Eine zweite Ausgabe ist für Oktober geplant. (MB)

  • Berliner Straßen z B. Kottbusser Tor und Yorck-Brücken in Kreuzberg, Kurfürsten-/ Ecke Potsdamer Straße in Schöneberg, weitere Orte: www.vatmh.org , 12.–25.5.

„Signale der Macht – Nauen, Kamina, Windhoek“ im Brandenburg Museum

Foto: Kristina Tschesch
Tuli Mekondjo während einer Performance in der Großfunkstation Nauen, 2024, Foto: Kristina Tschesch

Wer weiß schon, dass die Großfunkanlange in Nauen als die älteste noch bestehende Funkstation gilt? Und dass sie Signale in deutsche Kolonien sendete? Mit Funkstationen in Togo und Namibia kommunizierte, die Zwangsarbeiter erbaut hatten? Eine Ausstellung des Brandenburg Museums in Potsdam blättert dieses vergessene Kapitel wieder auf. Wände mit sorgfältig recherchierten und gestalteten Fakten beleuchten die Schnittmengen von Technik- und Kolonialgeschichte. Kunst von Tuli Mekondjo, Madjé Ayité sowie von Frederike Moormann und Angelika Waniek machen die heutigen Folgen dieser Fakten sinnlich erfahrbar. Tuli Mekondjos teils in Nauen gedrehtes Video von einer Performance vermittelt über Generationen weitergegebenen Schmerz. Moormanns und Wanieks dezente Klanginstallation verwebt die Kontinente. Ayités Film bringt Vorstellungen zur Sprache, die man in Nauen und Berlin von Kamina und Windhoek hat – und umgekehrt. Bestens zuhören lässt sich in allen Fällen.

  • Brandenburg Museum  Am Neuen Markt 9, 14467 Potsdam, Di, Mi, Fr– So 11–18 Uhr, Do 11–20 Uhr, freiwilliger Eintritt 0–10 €, Website, bis 2.11.

William Engelen: „Godspeed in 4/4 Time“ in der Stiftung St. Matthäus

„Godspeed in 4/4 Time“, Ausstellungsansicht St. Matthäus-Kirche, 2025. © William Engelen. Foto: © Leo Seidel

Zeit ist unsere wertvollste und zugleich vergänglichste Ressource. Sekunden, Tage, Monate rasen an uns vorbei. Ringsum, unterhalb der Emporen der St. Matthäus Kirche, wurde vom, in Berlin lebende holländische Künstler, William Engelen ein Vorhang aus 366 Klangröhren platziert. Diese Röhren bilden die 366 Tage des Schaltjahres 2024 ab. Damit gelang es ihm, ein riesiges Klanginstrument zu erschaffen und die Zeit anschaulich ebenso hörbar zu charakterisieren. In ihren unterschiedlichen Stärken, Materialien oder Längen visualisieren die Röhren, die kirchlichen Feiertage in Kupfer, die Vollmonde in Messing, persönlich bedeutsame Tage des Künstlers in Edelstahl sowie die Alltage in Aluminium. Am 03. Mai um 19:30 Uhr sowie am 05. Mai um 19 Uhr, spielen die Percussionist:innen Evi Filippou, Robyn Schulowsky und Marius Wankel Konzerte, wo sie den Rhythmus des Kirchenjahres, der Mondphasen, den individuellen Lebensrhythmus und den natürlichen, numerischen Rhythmus des Jahresverlaufs musikalisch auf den Röhren wiedergeben. Beim Anschlagen treten einzelne Töne hervor, klingen nach, überlagern sich oder lassen Interferenzen entstehen. Auch Besuchende haben die Chance, sich zu Ausstellungszeiten an dem Instrument zu versuchen. Nach Ausstellungsende im September können die signierten Röhren im Rahmen einer Jubiläumsaktion erworben werden. 

  • Stiftung St. Matthäus Kulturforum Matthäikirchplatz, Tiergarten, Di–So 11–18 Uhr, bis 7.9.

12.6., 19 Uhr: Künstlergespräch mit William Engelen, Dr. Andreas Schalhorn und Hannes Langbein
5.9., 19 Uhr
: Konzert zur Finissage mit den Percussionist:innen Evi Filippou, Robyn Schulkowsky und
Marius Wankel:


Cyprien Gaillard: „Retinal Rivalry“ bei Sprüth Magers

Cyprien Gaillard, Retinal Rivalry, 2024 (film still), Foto: © Cyprien Gaillard Courtesy the artist, Sprüth Magers and Gladstone Gallery

Auf einen Deutschland-Trip in 3D nimmt uns Cyprien Gaillard in der Ausstellung „Retinal Rivalry“ mit. Der in Paris und Berlin lebende Künstler zeigt in der Videoarbeit, die auf einer übergroßen Leinwand läuft, einen eigenwilligen Blick auf deutsche Städte – mit gestochen scharfen 3D-Bildern, wechselnden Perspektiven und einem Spiel mit Nähe und Distanz. Sein neuer Film zeigt Treppen, Lifte und architektonische Details in Zeitlupe und aus schrägen Blickwinkeln, mal aus der Luft, mal vom Boden. Und, naheliegend, geht es auch um das Sehen und Wahrnehmen an sich. Ergänzt wird die raumgreifende Filminstallation durch neue Skulpturen an den Wänden.

  • Sprüth Magers Oranienburger Str. 18, Mitte, Di–Sa 11–18 Uhr, bis 26.7.


Spyros Rennt: „To Kiss Against the Fire“ bei Frontrose

Spyros Rennt, „On the grass in Crete“. Foto: Spyros Rennt

Mit „To Kiss Against the Fire“ zeigt der Berliner Fotograf Spyros Rennt seine bisher umfangreichste Einzelausstellung – acht Jahre Arbeit, vier Bücher, ein klarer Fokus: Intimität nicht nur, aber auch als ein Akt von Widerstand. Die Schau eröffnete den neuen Projektraum Rosegarden, initiiert von der Kulturagentur Frontrose. Rennts Bilder dokumentieren queeres Leben, Clubkultur, Performances und Nähe – von der Exzessivität seiner früheren Aufnahmen hat er sich zu den leiseren, zärtlicheren Tönen entwickelt . Seine Aufnahmen begreifen Intimität nicht als Rückzugsort, sondern als Gegenentwurf zu Ausgrenzung und Vergessen.

  • Rosegarden by Frontrose Potsdamer Str. 98A, Di–Sa 11–17 Uhr, bis 30.5.

„Christina Dimitriadis: J’ai perdu mon Eurydice“ in der Schwartzschen Villa

© Christina Dimitriadis und VG Bild-Kunst, Bonn 2025
Christina Dimitriadis, Island Hoping 2, Fotografie © Christina Dimitriadis und VG Bild-Kunst, Bonn 2025

Wie, nur elf Fotos? Doch eventuelle Enttäuschung über den Umfang von Christina Dimitriadis Einzelausstellung in der Schwartzschen Villa am Rathaus Steglitz legt sich schnell. Denn die Qualität der Motive und der Anordnung der Fotos spricht für sich. Dimitriadis konzentriert sich auf Marmorsteinbrüche in der Ägäis, aufgenommen in trockenen Monaten, mal von Nahem, so dass die Mineralfärbung deutlich erkennbar wird, mal von fern, was buchstäblich den Horizont erweitert. In den Fotografien überlagern sich die Zeiten – die Antike und verschiedene Epochen der Antiken-Renaissance – sowie ein kritischer Blick auf den Abbau von Stein auf Inseln, deren Wald sozusagen schon für Odysseus‘ Schiff gerodet wurde. In nur zwei Zimmern der Villa öffnet sich ein großer Raum.

  • Schwartzsche Villa Grunewaldstr. 55, Steglitz, Mo–So 10–18 Uhr, Website, bis 24.8.
  • Mi, 25.6., 19 Uhr: Gespräch mit Christina Dimitriadis

Leonor Serrano Rivas: „Here Be Dragons“ in der Galerie Carlier|Gebauer

Foto: Andrea Rossetti
Ansicht der Ausstellung von Leonor Serrano Rivas in der Galerie Carlier|Gebauer, Foto: Andrea Rossetti

Ob neben dem Dresdner Hygienemuseum oder vor der Berlinischen Galerie: Die deutsche Museumslandschaft kommt offenbar nicht mehr ohne Pflanzen aus. Es wird gezogen, geschnitten, gebunden, gegossen, was Gärtnereien hergeben. Leonor Serrano Rivas begegnet der Sehnsucht nach Grün auf der Meta-Ebene: Die spanische Künstlerin lässt in der Galerie Carlier|Gebauer künstliche Pflanzen wuchern, die aus chemischen Prozessen oder in Handwerksarbeit entstanden. Licht, Fotomaterial, Säure und Elektrolyse haben zum einen wundersame Gewächse entstehen lassen, die den Bogen von evolutionären Ursprüngen zur Kulturgeschichte der Pflanzen schlagen. Zum zweiten erzählen Tapisserien mit Zitaten aus der Kunstgeschichte von dem menschlichen Bedürfnis, Pflanzen abzubilden. Und bekanntlich wird seit der Neuzeit das Verlangen nach Flora immer dann groß, wenn den Menschen die Technik über den Kopf zu wächst.

  • Galerie Carlier|Gebauer Markgrafenstr. 67, Di–Fr 11–19, Sa 11–14 Uhr, www.carliergebauer.com, bis 21.6.

Rebekka Benzenberg: „Dream Baby Dream“ bei Anton Janizewski

Ausstellungsansicht von Rebekka Benzenberg „Dream Baby Dream“ bei Anton Janizewski, 2025. Foto: Julian Blum

Die schöne (Halb-)Nakte auf dem weich geplosterten Bett, mal verführerisch den Betrachter anblickend, mal lieblich schlafend und ihre Intimität anbietend– ein Klassiker der Kunstgeschichte. Die depressive Frau im Bett dagegen ist so gar nicht reizend und behält ihre Intimität lieber für sich – ein Tabu, dem sich Rebekka Benzenberg in ihrer neuen Einzelausstellung annimmt. In „Dream Baby Dream“ begegnet un die zentrale Skulptur einer auf Matrazen und Laken gebetten halbnakten Frau, die mit einem transparenten Schleier überzogen ist. Ein zartes Tuch, das sie jedoch am Aufstehen zu hindern scheint und als würde jeder Atemzug den Schleier noch enger an ihren Körper saugen und ihr die Luft zum Atmen nehmen. An den Wänden erzählen zwischen Glasplatten gepresse Kopfkissen und Bettlaken erzählen vom Bett als einem Ort des Schutzes und einem Gefängnis zugleich. Benzenberg, die ihre eigene Depression als Ausgangspunkt nimmt, vermag über persönliche Intimität hinaus Bilder zu schaffen, die von Überforderung und Erschöpfung, von Darstellungsdruck und Erdrücktsein erzählen.

  • Anton Janizewski Weydingerstr. 10, Mitte, Mi–Sa 12–18 Uhr, bis 21.6.

Letzte Chance: Diese Ausstellungen enden bald

Diese aktuellen Ausstellungen in Berlin sind nicht mehr lange zu sehen. Nutzt die Chance, sie an den letzten Tagen zu besuchen.


Serban Savu: „Golden Ages“ in der Galerie Plan B

Courtesy the artist and Plan B Cluj, Berlin
Serban Savu, Unknown Gods, 2025, Öl auf Leinwand, 153 x 195 cm. Courtesy the artist and Plan B Cluj, Berlin

Zu warm scheint es auf Serban Savus neuen Gemälden immer zu sein, egal, ob Jäger im Wald rasten oder sich Archäologen unter brennender Sonne in Ausgrabungsstätten beratschlagen (Abb.). Savu, 1978 geboren und 2024 für Rumänien Teilnehmer der Venedig-Biennale, verbindet über das Motiv der Ausgrabungen die Gegenwart mit der Vergangenheit, die nicht so lang her ist, wie der moderne Mensch meint. Dieser steht bei Savu zumeist in Gestalt von Männern etwas orientierungslos in den Landschaften herum. Geschmeidiger verhalten sich Fuchs, Pferd und Hund: Sie schnüren über eine Hochebene oder ruhen im heißen Gras, als ob sie schon immer hierhergehörten. Serban Savus ebenso realistische Plastiken schließlich, Ruinen im Modellformat, übersetzen die Entfremdung von der Kulturgeschichte ins Dreidimensionale.

  • Galeria Plan B Strausberger Platz 1, Friedrichshain, Di–Sa 12–18 Uhr, www.plan-b.ro, bis 31.5.

„Future Imperfect: Armenian Art from Aftermaths“ im Gorki Theater

Foto: Egbert Trogemann
Blick in die Ausstellung „Future Imperfect: Armenian Art from Aftermaths“: Studio „Photo Hadrut“, Poghosyan Janna From Pletants Village, 1987, Installationsansicht, Maxim Gorki Theater, 23. April 2025, Foto: Egbert Trogemann

Künstler:innen aus Armenien und der armenischen Diaspora setzen auf die Zukunft. Im Gorki Theater findet die Ausstellung „Future Imperfect: Armenian Art From Aftermaths“ statt, die zu der Veranstaltungsreihe „100 + 10 – ARMENIAN ALLEGORIES“ gehört. Es geht um die Balance zwischen einem Blick zurück auf Völkermord, Vertreibung, Kommunismus und einem Blick auf das Leben heute. Arbeiten von zumeist jüngeren Küstler:innen sind zu sehen, Gemälde und Zeichnungen, Fotos und Collagen, Filme, Klang- und Textilkunst sowie einige Skulpturen und Installationen. In Räumen und Gängen des Theaters bis hinaus in den Garten und den „Kiosk“ an der Dorotheenstraße: Überall finden sich gelungene Antworten auf die Frage, wie sich ein Leben im Krieg darstellen lässt, ohne das Grauen zu reproduzieren. Vor allem aber machen die Teilnehmende Vorschläge, was aus der Vergangenheit künftig Gültigkeit haben kann – und welche Träume noch auf ihre Erfüllung warten.

  • Gorki Theater Am Festungsgraben 2, Mitte, Eingang Garderobenfoyer, Do 15.30–20.30 Uhr, Fr + Sa 15.30–23.30 Uhr, So 12.30–20.30 Uhr, www.gorki.de, bis 31.5.

„Thirsty Machines: AI on Tap“ von der Prater Galerie bei Soma Art Berlin

(c) Theresa Reiwer
Theresa Reiwer, Lasting Generation, Mehrkanal-Videoinstallation, Videostill, 2024, Abb.: Theresa Reiwer

Erst kürzlich war es Mode, mittels künstlicher Intelligenz ein Selbstporträt als Action-Figur zu basteln. Das gab Abertausende Herzchen und nur selten einen Kommentar dazu, dass der Einsatz von KI Unmengen Wasser und Energie kostet. Wieviel, lässt sich (noch) auf Internetseiten US-amerikanischer Universitäten nachlesen – oder in einer Berliner Ausstellung. Die kommunale Prater Galerie aus Prenzlauer Berg ist Gast im Kreuzberger Projektraum Soma Art Berlin mit „Thirsty Machines: AI on Tap“. Lauren Moffatt und Theresa Reiwer zeigen zum Thema mit KI generierte Arbeiten. Vor allem Reiwers filmische Erzählung im Stil einer Graphic Novel überzeugt, unter anderem mit einem Kapitel über die Dialektik des Autofahrens. Kuratiert von Marlene Bart, beinhaltet die Schau auch ästhetisch aufbereitetes Infomaterial. Gegen diese Fakten muss sich die Fiktion behaupten, und das gelingt Theresas Reiwers „Lasting Generation“ ebenfalls bestens.


„Johanna-Maria Fritz: Zeit der Umbrüche“ im Willy-Brandt-Haus

Foto: Johanna Maria Fritz / Ostkreuz
Aus der Serie "Like a bird": Hamas-Kämpfer ziehen an Zirkusartist Majed Kallub (26) vorbei, vor dem Gebäude der Zirkusschule im Stadtteil Betlaahya in Gaza-Stadt, 2017, Gaza, Palästina. Foto: Johanna Maria Fritz / Ostkreuz

Die Fotojournalistin Johanna-Maria Fritz, die an der Berliner Ostkreuzfotoschule studierte, pflegt dauerhafte Kontakte zu Zivilist:innen und Militärs in Krisen- und Kriegsgebieten. So entstehen sehr persönliche Aufnahmen, die nahezu mitfühlen lassen, wie Krieg Gedanken und Gefühle formen kann. Nicht nur an der Front oder im zerschossenen Dorf, sondern auch, wenn ein Zirkus kommt (Abb.) oder Mädchen das Jonglieren üben. Gekonnt gehängt, zeigen Fritz’ Aufnahmen aus zehn Jahren im Willy-Brandt-Haus, dass Bildjournalismus viel differenzierter sein kann das, was die „Tagesschau“ daraus macht. Fritz’ Ausstellung gehört zum Europäischen Monat der Fotografie und ergänzte sich gut mit der Schau des „Unicef Foto des Jahres 2024“ im Foyer.

  • Freundeskreis Willy-Brandt-Haus, Stresemannstr. 28, Kreuzberg, Di-So 12-18 Uhr, Ausweis erforderl., www.fkwbh.de, Fritz: bis 25.5.

„Radical Beauty“ im fhochdrei – Freiraum für Fotografie

credit:© Erwin Olaf, aus der Serie A Mind Of Their Own
Foto: Erwin Olaf, aus der Serie A Mind Of Their Own

Im globalen Kult um das makellose Instagram-Filter-Gesicht und Workout-gestählte Leiber, werden Körper jenseits der (Un-)Norm am Rand platziert, bekommen dort unter dem Label “Body Positivity” etwas Akzeptanz und Anerkennung zugesprochen. Menschen mit Behinderungen finden noch seltener in der Kunst- und Modewelt statt. Mit dem Projekt „Radical Beauty“ macht das britische Kollektiv Culture Device, bestehend aus Down-Syndrom-Performer:innen, unter der der künstlerischen Leitung von Daniel Vais die Vielfalt und Kreativität von Menschen mit Down-Syndrom sichtbar und fordert unser festgezurrtes Verständnis von der Schönheit eines Menschen heraus. Für das Fotoprojekt sind über 60 internationale Fotograf:innen aus der Mode- und Kunstwelt, darunter Elizaveta Porodina, Zuzu Valla und Erwin Olaf, mit ihren Modellen ins Studio gegangen und haben Einzelbilder oder Serien augenommen: mal kunsthistorisch anmutend, mal queer-knallbunt, mal zart-minimalistisch oder high-fashion. Eine Feier der unbegrenzten Schönheit.

  • f³ – Freiraum für Fotografie Waldemarstr. 17, Kreuzberg, Mi–So 13–19 Uhr, 6/4 €, fhochdrei.org, bis 25.5., Führung & Drinks: 21.5, 19 Uhr

„Cosmopolitics“ in der Kunstbrücke am Wildenbruch

Der arme Mars. Elon Musk hat es auf ihn abgesehen. Aber auch die Weltraumbehörden der USA und China planen Besiedlungen in nicht allzu ferner Zukunft. Mit der der Kampagne „Planetary Personhood“ setzt sich das Kunst- und Designkollektiv Nonhuman Nonsense dafür ein, dem Planeten Persönlichkeitsrechte zuzusprechen und damit einem potenziellen Ausbeutungs-Kolonialismus entgegenzuwirken. In in der Kunstbrücke am Wildenbruch zeigen sie ein Aufklärungsvideo, einen eigens für den Mars angefertigten Personalausweis, und es gibt die Möglichkeit, eine Petition zu unterzeichnen. Die Ausstellung „Cosmopolitics“ kontert die Astrokapitalismus-Narrative von Politiker:innen und Unternehmer:innen mit spekulativer Kunst, die Ideen jenseits von Eroberung und Extraktion vermittelt. Auch das Weltall braucht unsere Solidarität.

  • Kunstbrücke am Wildenbruch Weigandufer Ecke Wildenbruchbrücke, neben der Anlegestelle, Mi–So, 12–18 Uhr, bis 1.6.

Volker Kreidler: „Third Landscape Chernobyl“ im CLB

Eine Aufnahme aus der Serie „Dritte Landschaft – Third Landscape“. Foto: Volker Kreidler

Zwischen Natur und vom Mensch gestalteter Umgebung existiert eine Landschaft, die aus beidem hervorgeht und einen ganz eigenen, mysteriösen und anziehenden Raum schafft: die „Dritte Landschaft“. Es sind brachliegende Orte wie einstige Industrieareale, die sich die Natur zurückerobert. Ein verlassenes Niemandsland, was in Wahrheit ein Hotspot für das blühende Leben anderer Art ist ist. Tschernobyl ist so ein Ort. Am 26. April jährt sich der Super-GAU, dem unzählige Menschen zum Opfer zu fielen, sowie die umgebende Fauna und Flora. Trotz radioaktiver Strahlung hat sich in der Sperrzone von Tschernobyl über die vergangenen Jahrzehnte ein artenreiches Ökosystem entwickelt – ein Phänomen, das Forscher:innen weltweit beschäftigt. Und Volker Kreidler. Der Berliner Fotograf zeigt in seiner Ausstellung Aufnahmen aus der Bildreihe „Dritte Landschaft – Third Landscape“, die er bei einer geführten Tour 2015 im Sperrgebiet rund um das havarierte Atomkraftwerk machte. Großformatige schwarz-weiß-Aufnahmen von überwucherten Gebäude und wilden Wälder mal leicht und lichtdurchflutet, mal melancholisch und schwer. In der Ausstellung mikroskopiert Volker Kreidler vor Ort gesammelte Pflanzen und ergänzt seine um neue Makroaufnahmen. Das Projekt „95 – 15 – 25“ dokumentiert seine künstlerisch-wissenschaftliche Arbeit in Tschernobyl und Kyjiw über drei Jahrzehnte hinweg.

  • CLB Aufbau Haus, Prinzenstr. 84.2, Kreuzberg, Mo–Fr 15–19 Uhr, bis 24.5.

Aktuelle Ausstellungen: Diese Schauen laufen gerade

Hier kommt der große Überblick über alles, was wir derzeit in der Berliner Kunstwelt empfehlen: die Ausstellungen, die noch eine Weile laufen und sich lohnen.


Hua Wang: „Hua’s Gigantic House“

HuaWang, „Through the Eyes of Trees“, 2025. Foto: Sabine Zoltnere

Wenn Whitecube und Wunderland zusammentreffen: In einer leeren Wohnung hat die chinesische Künstlerin Hua Wang ihr„Gigantic House“ errichtet und mit allerelei poetischen und verspielten Werken befüllt. So ragen Hände aus den Wänden, auf deren Fingern Türme in die Höhe wachsen oder die Schildkröten halten, Tiere hängen kopfüber an Ketten zusammen und in einem Animationsfilm werden kämpfende Roboter von kleinen Frauen in ihren Bäuchen gestuert. Die in Berlin lebende chinesische Künstlerin fragt nach dem Platz des Menschen in einer Welt, in der Natur zunehmend zur formbaren Ressource wird. Aufgewachsen im urbanen Aufbruch des 90er-Jahre-China, begegnete sie Natur vor allem medial vermittelt – zwischen Fast Food, westlichen Konsummarken und technologischen Zukunftsbildern. Diese Bilder ihrer Kindheit und Fragen der Gegenwart verwebt Wang in Installationen, Animationen und Skulpturen, ohne pädagogisch und aktivistisch zu werden entwirft sie einen Raum für ein offenes Nachdenken über Zivilisation, Ökologie und kulturelle Narrative.

  • Hua’s Gigantic House Lottumstr. 14, Prenzlauer Berg, Di–Sa 13–19 Uhr, bis 30.6.

Aneta Grzeszykowska: „Privacy Settings“ im KVOST

Aneta Grzeszykowska, Ausstellungsansicht KVOST. Foto: Valentin Wedde/Courtesy: Aneta Grzeszykowska, Raster Gallery, Warsaw, Art Collection Telekom und KVOST, Berlin

Mit „Privacy Settings“ zeigt KVOST die erste Einzelausstellung der polnischen Künstlerin Aneta Grzeszykowska in Berlin – eine Kooperation mit der Art Collection Telekom. Im Fokus steht ihre Auseinandersetzung mit Identität als Konstruktion zwischen Selbst- und Fremdbild, Original und Reproduktion. Grzeszykowskas Arbeiten, die Fotografie, Skulptur, Film und Performance verbinden, reichen von inszenierter Körperlichkeit bis zur digitalen Auslöschung familiärer Spuren. Ihre Masken, Häute und Bildumkehrungen irritieren und fordern heraus – zwischen Schönheitskult, medialer Intimität und der ewigen Frage: Wer sind wir im Blick der anderen und unserem eigenen?

  • KVOST Leipziger Str. 47 /Eingang Jerusalemer Strasse, Mi–Sa, 14–18 Uhr, bis 19.7.

„Klára Hosnedlová. embrace“ im Hamburger Bahnhof

Klára Hosnedlová, CHANEL Commission: Klára Hosnedlová. embrace, 2025, Installationsansicht Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart. Foto: © Courtesy Artist, Kraupa-Tuskany Zeidler, White Cube / Nationalgalerie – Staatliche Museen zu Berlin, Zden?k Porcal – Studio Flusser

Was hat Klára Hosnedlová da in die riesige, historische Halle des Hamburger Bahnhof gewuchtet? Die Urzeit? Den Kommunismus? Oder gar die Zukunft? Von weitem sehen die sechs monumentalen, von der Decke hängenden Tapisserien aus wie Mammutfelle. Kommt man nah dran, ähneln sie eher übergroßen Dreadlocks, aber aus Hanf und Flachs, dezent eingefärbt in Braun- und Gelbtönen. Lenkt man den Blick von der Höhe zum Grund, steht man als Betrachterin nicht nur in, sondern auch auf dem Kunstwerk und in einer ganz anderen Atmosphäre: graue Betonplatten, die an mehreren Stellen wie aufgeplatz erscheinen, da Erde und Pfützen sichtbar werden. Straßenverhältnisse, wie sie gerade in den 90ern und frühen 2000ern in postsowjetischen Ländern so typisch waren. Und zwischen den hängenden Skulpturen stehen große Boxen, ausgemusterte Club-Exemplare und aufgetürmt zu Soundsystems, aus denen mal Geräusche ertönen, mal Frauen Folklorelieder singen. Noch einiges mehr gibt es zu entdecken gibt es in dieser Welt, in der man so leicht die Zeit vergessen kann. Hosnedlovás Installation „embrace“, die erste innerhalb der dreijährigen Zusammenarbeit zwischen Hamburger Bahnhof und dem privaten Chanel Culture Fund, kann es nicht nur locker mit den gigantischen Raumverhältnissen aufnehmen. Sie wirkt über reine Überwältigungsästhetik hinaus poetisch, wenn die Bilder aus der Kindheit der 1990 in der Mährischen Slowakei im postsowjetischen Tschechien geborenen Künstlerin auf Clubästhetik, traditionelles Handwerk und zeitgenössische Fossilien treffen.

  • Hamburger Bahnhof Invalidenstr. 50/51, Mitte, Di, Mi, Fr 10–10, Do bis 20 Uhr, Sa+So 11–18 Uhr, 16/ 8 €, bis 26.10.

Monica Bonvicini: „It Is Night Outside“ in der Galerie Capitain Petzel

Courtesy the artist and Capitain Petzel, Berlin. Foto: Andrea Rossetti
Ausstellungansicht Monica Bonvicini, It is Night Outside, Capitain Petzel, Berlin, 2025. Courtesy the artist and Capitain Petzel, Berlin. Foto: Andrea Rossetti

Das neue Video von Monica Bonvicini, „It Is Night Outside“, läuft im Keller der Galerie Capitain Petzel auf zwei Wänden. Dazwischen stehen altmodische Sessel, von denen sich bequem den Protagonist:innen des Films zusehen lässt, wie sie sich abmühen, Fertigmöbel so durch Zimmer zu schieben, dass sie zu ihren nicht näher bestimmten Bedürfnissen passen. Eine Sisyphos-Arbeit: Es klappt nie, egal, ob junge, sportliche oder ältere, reflektiert wirkende Frauen am Werk sind. Und vor den Fenstern der Zimmer herrscht Finsternis. „It Is Night Outside“ entstand während eines Stipendienaufenthalts an der Villa Massimo in Rom und ist eine reife Weiterentwicklung von Bonvicinis frühem Video „Hausfrau Swinging“ (1997): beides filmisch verdichtete Argumentationen über Arbeit, Frauenrechte und Architektur.

  • Galerie Capitain Petzel  Karl-Marx-Allee 45, Mitte, Di–Sa 11–18 Uhr, www.capitainpetzel.de, bis 7.6.

„Oskar Holweck: Arbeiten mit Papier“ in der Saarländischen Galerie

Foto: L. Paffrath
Oskar Holweck, 1 VIII 74/9, 1974, Reißrelief, Offset auf Offset, 100 x 70 cm, Privatsammlung Berlin
Foto: L. Paffrath

Papier als Material und Medium ist wieder beliebt bei Künstler:innen. Über die Gründe lässt sich spekulieren, etwa, weil es wenig Lagerfläche braucht, ein bei steigenden Mieten nicht zu unterschätzender Faktor. Es wird also geformt, geschnitten, gezeichnet, gerissen, was Zell- und Holzstoff hergeben. Ein in Berlin wenig bekannter Nachkriegspionier auf diesem Gebiet war Oskar Holweck (1924–2007), Mitglied der Künstlergruppe Zero, dem die Saarländische Galerie in Kreuzberg eine Ausstellung mit „Arbeiten auf Papier“ widmet. Beschränkt auf Werke, die in einen Rahmen passen, bleibt sie überschaubar und lenkt die Konzentration auf Holwecks Umgang mit dem Material. Er riss, stauchte, knickte mit Hingabe und Präzision, senkrecht, waagerecht, unermüdlich. Und großartig zu sehen, wie Aufbewahrung und Pflege über den Zustand des Papiers entscheiden.

  • Saarländische Galerie - Europäisches Kunstforum e.V., Charlottenstr. 3, Kreuzberg, Di–Sa 14–18 Uhr, www.saarlaendische-galerie.eu, bis 7.6.

Marianna Simnett: „Charades“ bei Société

Video Still Marianna Simnett, Leda Was a Swan, 2024. Foto: Courtesy Marianna Simnett and Société, Berlin

Die Geschichte von Leda und Zeus geht so: Die schöne Königin von Sparta badet mit ihren Freundinnen und Dienerinnen im See, als sie vom Göttervater und Schwerenöter Zeus erblickt wird, der sich sodann in einen Schwan verwandelt und es auf übernatürlich- übergriffige Weise schafft, sie zu schwängern. Marianna Simnett hat sich diesem, in der Kunstgeschichte beliebten, Stoff angenommen und ihre Version daraus geschaffen. „Leda was a swan“ ist das zentrale Werk in ihrer Ausstellung „Charades“, mit der sich die britisch-kroatische Künstlerin quasi aus Berlin nach New York verabschiedet hat. Im Video ist Simnett selbst Frau und Schwan zugleich, verbindet, für ihre multidisziplinäre sowie intensive Arbeitsweise charakteristische, Elemente wie aufwendiges Kostümdesign, KI und eigenkomponierte Musik. Verstörend und schön sieht das aus, wenn der mit grauem Ton überzogene und einer antiken Statue ähnelnde Körper und der weiße Schwan ineinander übergehen, sich begeheren und töten. Ob aus rasender Lust oder als Befreiungsschlag? Neben dieser geradezu soghaften Arbeit zeigt Simnett Ölgemälde und Skulpturen, die sich mit mit Maskerade, Ritualen und gesellschaftlichen Übergangsphasen, inspiriert von Mythen und sozialen Codes, beschäftigen – theatralisch, düster und mit dem Simnett eigenen Witz.

  • Société Wielandstr. 26, Mo–Sa 10–18 Uhr, Charlottenburg, bis 28.6.

Anna Ehrenstein: „Cripto Sirenas“ bei Office Impart

Anna Ehrenstein, Bitcoin Baile, 2024, 360 degree video with Sunny Pfalzer, Lucy Tomasino, Alexa Evangelist. Foto: courtesy the artist and OFFICE IMPART

Es wird wild: Eine Flut an Bildern und Erzählungen zwischen Bitcoin und Eco-Feminismus, Queer-Restistance und Sci-Fi wirft uns Anna Ehrenstein um Augen und Ohren. In „Cripto Sirenas“ entwirft die in Berlin und Tirana lebende Künstlerin in Zusammenarbeit mit der Künstler:in Sunny Pfalzer sowie den salvadorianischen Kollgeg:innen Lucy Tomasino und Alexa Evangelista und mit dem Web3-Forscher Josh Davila eine fiktive Zukunft, in der Technologie nicht befreit, sondern unterwirft. Im Zentrum steht ein 360°-Video, entstanden in El Salvador, das Drag, Performance und Sci-Fi zu einer düsteren Vision eines technikdominierten Staates verwebt – einem Ort, an dem Konzerne Gesetze ersetzen und Menschen zu veralteter Hardware werden. Die Szenen wechseln zwischen digitalen Animationen und realen Körpern in städtischen wie natürlichen Landschaften und erzählen die Geschichte einer rebellischen „crypto bailarina“, die sich der Kontrolle entzieht. 

  • Office Impart Waldenserstr. 2-4, Moabit, Mi–Fr 15 –18 Uhr, bis 20.6.

Thomas Struth in der Galerie Max Hetzler

© Thomas Struth, courtesy the artist and Galerie Max Hetzler Berlin | Paris | London | Marfa.
Thomas Struth, Semi Submersible Rig, DSME Shipyard, Geoje Island 2007, 2007 C-Print, © Thomas Struth, courtesy the artist and Galerie Max Hetzler Berlin | Paris | London | Marfa

Es kommt wirklich darauf an, in welcher Zeit Betrachtende ein Bild sehen. So lautet eine der Thesen aus Thomas Struths Einzelausstellung in der Galerie Max Hetzler, Potsdamer Straße. An der Stirnwand der Halle hängen zwei große Fotografien, die Besuchende des Metropolitan Museum of Art 2023 zeigen. Anders als auf Struths älteren Museumsfotografien sieht das Publikum nicht in nachdenklicher Haltung direkt auf die Gemälde, sondern wie nebenbei durch die Linsen von Telefonen. Das lässt sich noch vor Ort vergleichen: Im ersten Stock findet sich Struths Aufnahme aus dem Louvre von 1989. Überhaupt ist es eine geradezu museale Werkschau geworden. Gegenüber seiner Aufnahmen aus einem asiatischen Technikpark (Abb.) hängt eine neue Aufnahme aus einem Regenwald in Hawaii: ein dunkles Querformat mit filigranem, flüchtigem Lichteinfall und Nässe auf dem Farn. Kurz nach der Frühjahrsmeldung des deutschen Dürremonitors könnte man in die Knie gehen angesichts dieses üppigfeuchten Grüns. Es kommt eben auf den Zeitpunkt an.

  • Galerie Max Hetzler Potsdamer Str. 77–87, Tiergarten, Di–Sa 11–18 Uhr, www.maxhetzler.com, bis 21.6.

„25 Frühling“

Frühling 25, Ausstellungsansicht, CCA Berlin, 2025. Foto: Diana Pfammatter/CCA Berlin

Ganz sicher gehört CCA zu den spannendsten Kunstorten in Berlin. Das ambitionierte Programm trifft auf den die Architektur von Egon Eiermann, der den Anbau im Zuge des Neubaus der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche Anfang der 60er Jahre entwarf. Die zuletzt gezeigte Einzelausstellung mit Rene Matić wurde gar für den renommierten britischen Kunstpreis Turner Prize 2025 nominiert. Zum Frühling setzt das CCA auf Mehrstimmigkeit und zeigt in „Frühling 25“ Arbeiten von Künstler:innen aus Berlin und einer internationalen Position, die man sich in der Stadt wünscht. Zu sehen sind Installationen, Skulpturen und andere Werke, die humorvoll, mal persönlich, mal ernst unsere Wahrnemung des konkreten Ortes oder ungreifbarer Räume von Vergangnheit und Sehnsucht herausfordern.

  • CCA Berlin Foyer-Gebäude der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche, Breitscheidplatz, Charlottenburg, Di–Sa 11–18 Uhr, bis 21.6.

Shanee Roe: „Clinging Knots“ bei 68projects by KORNFELD

Shanee Roe, „The souvenirs“, 2025. Foto: Shanee Roe

Perfekte Körper, saubere Intimität und ästhetischer Sex sind Shannee Roes Sache nicht. Ihr Figuren sind von einem plumpen, gar naiv anmutenden, Körperlichkeit. Sie begheren einander oder sind allein, korpulieren oder behandeln sich wie eine Sammlung von Kuscheltieren – roh, teils unbeholfen, immer verletzlich. Die israelische Malerin vermag mit Mitte Zwanzig die widersprüchlichen Zustände und Zumutungen menschlichen Begehrens, der Sehnsucht nach Intimität zwischen Abhängigkeit und Bedrohung so verblüffend, so verstörend und so treffend auf die Leinwand zu bringen. Schonungslos, zugeneigt und mit Humor, zeigt sie etwas, das unser Instagram-geprägtes (Selbst-)Bild herausfordert. Zu diesen Bilden kann man sich nicht nicht verhalten.

  • 68projects by KORNFELD Fasanenstr. 68, Charlottenburg, Di–Sa, 11 – 18 Uhr, bis 14.6.

Michael Müller: „Dioskuren. Der geschenkte Tag“ im Neuen Museum

© art-beats, Robert Schittko, Courtesy Studio Michael Müller
Michael Müller bei den Arbeiten zu "Der geschenkte Tag", © art-beats, Robert Schittko, Courtesy Studio Michael Müller

Der in Berlin lebende deutsch-britische Künstler Michael Müller hat sich einer wenig bekannten Fortsetzung der antiken Sage von Leda und dem Schwan angenommen: dem Schicksal der Brüder, die Leda gebar. Die Zwillinge haben zwei Väter: Ledas Mann Tyndareos und Zeus, der Leda als Schwan erschien. Die so gezeugten Brüder mussten ewig zwischen Tod und Leben, Dunkel und Hell wandeln. Müller nun hat die Treppenhalle des Neuen Museum mit einem Fries von abstrakten Gemälden ausgekleidet, die von Dunkel zu Hell und wieder zu Dunkel führen. Ein riesiges Bild ist damit entstanden, voller überraschender Farbverläufe und existenziell anmutenden Licht- und Schattenspielen. Ob das aber dem von Architekt David Chipperfield kritisch rekonstruierten Treppenhaus guttut, ist Ermessenssache.  

  • Neues Museum Eingang Bodestraße, Museumsinsel, Mitte, Di–So 10–18 Uhr, 14/ 7 €, bis 18 J. + TLE frei, www.smb.museum, bis 23.11.

Atelier le balto: „Licht und Schatten“ vor der Berlinischen Galerie

© atelier le balto
Atelier le balto, Skizze Berlinische Galerie, 2025, © atelier le balto

Wer im Glashaus sitzt, sollte bei steigenden Temperaturen für Schatten sorgen. Die Berlinische Galerie, seit 2004 in einem ehemaligen Glaslager beheimatet, hat eine gläserne Fassade, ausgerechnet auf der sonnigen Südseite. Zu seinem 50-jährigen Bestehen gönnt sich das Museum dort eine Begrünung durch die Landschaftsarchitekt:innen vom Atelier le balto, die unter anderem für ihre Kübelbäume am Kulturforum bekannt sind. Für den Vorplatz der Berlinischen Galerie haben sie unter bereits vorhandenen Bäumen hölzerne Schattenpodeste gebaut. Und vor der Glasfassade dagegen reihen sich nun in großen Töpfen Rankpflanzen wie Waldrebe und Rosen. Kletterstangen, Tripods ähnlich zusammengebunden, sollen ihnen Halt bieten, Kräuter wie Thymian die Erde vor dem Austrocknen bewahren. Noch sind die Triebe noch nicht so hoch wie auf der Skizze (Abb.), sondern jung und kurz. Aber es lässt sich bereits ahnen, dass das eines Tages toll aussehen und daran appellieren könnte, generell mehr Stadtgrün zu ermöglichen. Zeitgleich mit Atelier le balto stellt der Künstler Daniel Hölzl aus: eine luftgefüllte Installation über dem Eingang.

  • Berlinische Galerie Alte Jakobstr. 124–128, Kreuzberg, Mi–Mo 10–18 Uhr, 10/ 6 €, bis 18 J. + Geflüchtete frei, www.berlinischegalerie.de, Daniel Hölzl: bis 29.9., Atelier le balto: bis auf Weiteres

„Yoko Ono: Music of the Mind“ im Gropiusbau

Yoko Ono in Half-a-Room, 1967, Installationsansicht, HALF-A-WIND SHOW, Lisson Gallery, London, 1967. Foto © Clay Perry / Kunstwerk © Yoko Ono

Schon jetzt eine der großartigsten Ausstellungen des Jahres: Mit einer Retrospektive würdigt der Gropisubau 70 Jahre künstlerisches Schaffen von Yoko Ono. Und wofür die Künstlerin steht, wird schon gleich im Lichthof klar. Von der Decke hängt ein riesiges Banner mit der Aufschrit „Peace is Power“, unten stehen lauter Olivenbäumchen, an denen Zettelchen hängen, beschrieben mit den Wünschen von Besucher:innen, die dafür mehrere Schreibstationen vorfinden. Frieden und Hoffnung, und eine Kunst, die erst durch den Körper wird und wirkt – daraus spinnt sich der rote Faden in Onos wunderbarem Universum. Die 1933 in Japan geborene Künstlerin, gehörte zur Keimzelle der Fluxusbewegung in New York der 1960er Jahre, entwickelte prägende Performances und machte vor allem viel Musik, einiges davon mit dem berühmtesten ihrer Ehemänner, John Lennon. In der Ausstellungen ist es gelungen, ihren Werdegang, ihre vielfältigen Werke und den Geist einer partizipativen Kunst zu vereinen. Wir empfehlen viel Zeit mitzubringen und diese am besten so schnell wie möglich zu vergessen.

Noch mehr Yoko gibt es in der Neuen Nationalgalerie. Hier lädt die fabelhafte Kabinettsausstellung „Yoko Ono: Dream on togehter“ ein, insbesondere Gemeinschaft und Frieden in Ono's Werk zu erkunden und zu erfahren. Toll kuratiert und unbedingt sehenswert.

  • Gropiusbau Niederkirchnerstr. 7, Kreuzberg, Mo–Fr 12-19 Uhr/Di geschl./ Sa+So 10–19 Uhr, 9/6 €, bis 31.8.
  • Neue Nationalgalerie Potsdamer Str. 50, Tiergarten, Di/ Mi, Fr–So 10–18, Do 10–20 Uhr, 14/ 7 €, bis 14.9.

Stipendiatenausstellung im Künstlerhaus Bethanien

Installationsanich Margarita Athanasiou im Künstlerhaus Bethanien, 2025. ©Thomas Rusch

Margarita Athanasiou nimmt uns mit auf eine wilde Reise von den Anfängen der spiritistischen Szene des 19. Jahrhunderts in den USA über New-Age-Bewegung bis zu Sailor Moon. Im Znetrum steht die Frau als Medium, die mit höheren Geistern und Mächten verbunden ist. Dabei verwebt Athanasiou visuell und erzählerisch gekonnt Welt- und persönliche Geschichte zu einer rhythmischen und aufschlussreichen Videoarbeit mit Sogwrikung. Sie ist Teil der aktuellen Stipendiat:innen-Ausstellung im Künstlerhaus Bethanien. Ebenso wie die Installation von Manar Moursi. Sie zeigt Skulpturen, Installationen und Videos, die die Spuren kolonialer und ökologischer Gewalt in Körpern und Architektur sichtbar machen. Im Zentrum steht eine raumgreifende Arbeit aus Stoffgliedern, Trümmern, Pflanzen und Projektionen, die fragmentarische Filmszenen auf zerbrochene Oberflächen werfen. Performative Eingriffe in verfallende Badehäuser Kairos entfalten eine starke Poetik.

  • Künstlerhaus Bethanien Kottbusser Str. 10, Kreuzberg, Di–So 14–19 Uhr, bis 15.6.

„Unsichtbare Arbeit. Pınar Öğrenci und Raman Tratsiuk“ im Polnischen Institut

Pınar Öğrenci, Glück auf in Deutschland, #35, 2024, Fotocollage produced with archival images from the Digital Photography Archive of Ruhr Museum Essen.

Nach Abwahl der PiS-Partei kann im Polnischen Institut wieder anspruchsvolles Ausstellungsprogramm stattfinden. Die Kunsthistorikerin Marta Somolinska kuratiert hier schon den dritten Part einer sechsteiligen Reihe, die heißt: „Was nehmen wir mit?“ In der aktuellen Folge stellen Pınar Öğrenci und Raman Tratsiuk zum Thema „Unsichtbare Arbeit“ aus. Öğrenci zeigt (wie schon 2024 in der Galerie Tanja Wagner) einen Film und Fotocollagen über türkische Gastarbeiter im Ruhrgebiet. Von ihnen hatte die in Berlin lebende kurdische Künstlerin im Fotoarchiv des Ruhrmuseums Essen kaum Aufnahmen gefunden. Die Stahl- und Kohlefirmen hatten sie offenbar nicht fotografieren lassen. Nun macht Öğrenci sie sichtbar. Raman Tratsiuk aus Belarus und Polen stellt unter anderem Skulpturen aus Metallteilen alter Werkzeuge aus, aus Hammerköpfen zum Beispiel. Verrostet sind sie. Und regen die Frage an, ob nicht auch die private Feierabendarbeit im Sozialismus zur „Unsichtbaren Arbeit“ gezählt werden müsste, dieses Werkeln in Haus, Hof und Garagen, ohne das der Ostblock schon viel früher zusammengeklappt wäre

  • Polnisches Institut Burgstr. 27, Mitte, Di-Do 13-18, Fr 13-17 Uhr, Website,  bis 6.6.

Minh Duc Pham: Integrationswunder

Ausstellungsansicht Galerie im Museum Tempelhof „Minh Duc Pham – Integrationswunder“, 2025. Foto: Andreas Meichsner

Der Berliner Künstler Minh Duc Pham war 2024 für den Preis des Hauses am Kleistpark nominiert. Nun stellt er im Schwesterhaus aus: In der Galerie im Tempelhof Museum erzählt er ein Kapitel aus der Geschichte seiner Familie. Die Eltern hatten mit dem prekären Status ehemaliger Vertragsarbeitende in der DDR nach 1990 Mühe, im vereinten Deutschland Fuß zu fassen. Es ist ihnen gelungen. Der Beweis dafür ist nicht zuletzt Sohn Minh Duc Pham mit seinen Ausstellungsbeteiligungen in großen Häusern von Berlin und Leipzig. Der Preis für dieses „Intergrationswunder“, wie Pham es bitterironisch nennt, war allerdings hoch. Der Künstler findet dafür die Metapher von entdornten Rosen. In Skulpturen, Objekten und auf Fahnen setzt er sie in Szene. Ein sparsame, eine berührende Ausstellung.

  • Galerie im Tempelhof Museum Alt-Mariendorf 43, Tempelhof, Di-So 13-18, Do ab 10 Uhr, www.hausamkleistpark.de, bis 6.7.
  • Künstlergespräch: 5.7., 18 Uhr

„Pol Taburet: The Burden of Papa Tonnerre im Schinkel Pavillon

Foto: Courtesy Pol Taburet
Pol Taburet: Sex on Painkillers, 2024, Foto: Courtesy the Artist

Willkommen im Albtraum. Bisher war der französische Maler Pol Taburet vor allem in Frankreich und Brasilien für farbprächtige Gemälde bekannt: flache Hintergründe, Grundfarben und ein leuchtendes Gelb, Situationen mit einem bitteren Witz (Abb.). Doch wenn der 1997 geborene Künstler nun im Schinkel Pavillon ausstellt, hat er die Farben weitgehend zuhause gelassen. Große Gemälde, Bronzeköpfe und kleine Lithografien bedrücken mit Schwarz und Grau - über Schritte und Gespräche dämpfender Auslegware. Die Bilder bevölkern abweisende Wesen wie aus bösen Märchen. Es ist von allem ein bisschen zu viel, bis auch jede:r verstanden hat: Hier geht es um Macht und Kontrolle. Gewänder und Kappen der Figuren lassen - dem ominösen „Papa Tonnerre“, der „Papa Donner“ im Titel der Ausstellung ähnlich - an katholische Geistliche denken. Und über allem thront eine Installation aus Schränken, die an das jüngste Gericht denken lässt.

  • Schinkel Pavillon Oberwallstr. 32 Mitte, Do–Fr 14–19 Uhr, Sa–So 11–19 Uhr, 6/4 € (nur Karte), bis 18 J. frei, www.schinkelpavillon.de, bis 13.7.

„Verborgene Wirklichkeiten“ im Spreepark Art Space

Gedeckte Tafel vom Kollektiv MOTHS. Foto: Frank Sperling

Am Rande des Plänter Waldes, wo der legändere Vergnügungspark Spreepark im neuen Gewand aus den Brachen der Vergangenheit wiederauferstehen soll, liegt direkt an der Spree das Eierhäuschen, das sich selbt vor nicht zu langer Zeit als zeitgenössisches Ausflusglokal neu erfand und mit dem Spreepark Art Space auch noch einen kleinen, feinen Ausstellungsort beherbergt – lauter gute Gründe für einen Besuch also. Und die aktuelle Ausstellung „Verborgene Wirklichkeiten“ kann nicht nur wegen der wunderbaren Location überzeugen. Im Rahmen einer Kollektiv- Residency entwickelten drei Kollektive sehr eigene künstlerische Zugänge zu den Themen Ökologie, Gemeinschaft und Architektur in Bezug zum Gelände und dem ehemaligen Vergüngungspark erarbeitet haben. Dazu laden die Kollektive zu Führungen, Workshops und künstlerischen Spaziergängen.

  • Eierhäuschen / Spreepark Kiehnwerder Allee 2, Treptow, Mi–So 11–19 Uhr, jeder dritte Do im Monat 11–21 Uhr, bis 15.6., Veranstaltungen

Vaginal Davis: „Fabelhaftes Produkt“ im Gropiusbau

Vaginal Davis, „The Carla DuPlantier Cinerama Dome“, Installationsansicht, Vaginal Davis: Fabelhaftes Produkt, Gropius Bau, 2025. © Gropius Bau, Foto: Frank Sperling

Wenn „Alles“ ein Mensch wäre, dann wäre es Vaginal Davis. Schwarz, schwul, Drag und Punk, Bildende Künstlerin und Musikerin, Autorin und Lehrende, und vieles mehr, was schon ist und folgen wird. Der Gropiusbau widmet der facettenreichen Künstler- und Kunstperson eine Restrospektive, die den Bogen von ihrer ersten Kinderausstellung in einer Bibliothek bis zu einer Video-Installation aus dem Jahr 2024 spannt. Davis, die in Los Angeles geboren und bis zu ihrem Umzug nach Berlin vor 20 Jahren lebte, sprengte durch ihre selbst für die LA-Underground-Szene unkonventionelle Praxis das Verständnis vom vornehmlich weiß dominierten Punk und prägte den Queercore-Punk, machte Filme, die sich mit Critical Whiteness beschäftigten, bevor es diesen Begriff gab und verwerte so ziemlich alles von Sex bis Hollywood, von Punk bis Politik in ihrer Werken. Diese wird Besucher:innen in sieben raumfüllenden Installationen präsentiert. Ein Reigen aus Farben und Sounds, Bildern, Zines und Gedanken, verbunden durch Davis' Humor und eindrückliche Kreativitätslust. Künstlerisch gewiss eigensinnig. Doch hier geht es weniger um hohe Kunst als eher um Alles.

  • Gropiusbau Niederkirchnerstr. 7, Kreuzberg, Mo–Fr 12-19 Uhr/Di geschl./ Sa+So 10–19 Uhr, 9/6 €, bis 14.9.

Aslan Goisum : „Suspect“ im Kindl-Zentrum

Aslan Goisum, „Suspect“, Ausstellungsansicht KINDL, 2025. © Aslan Goisum/ Foto: Julian Blum

Von Aslan Goisum sind in Berlin bisher vor allem Videos bekannt, wie das von den vielen Menschen, die sich auf einem nassen Acker in ein postkommunistisch anmutendes Auto quetschen. Oder jene hauchdünnen Glaskaraffen, die er von Profis nach traditionell kaukasischem Vorbild fertigen ließ. Doch der in Grozny geborene, in Amsterdam ausgebildete und in Berlin lebende Künstler ist gedanklich längst anderswo, wie seine erste institutionelle Einzelausstellung in Deutschland zeigt. Unter dem Titel „Suspect“ hat Goisum eine Etage des Kindl-Zentrums so beklemmend sparsam eingerichtet, dass schnell klar wird: Hier widerspricht jemand Autoritarismus, indem er sich einer gegenteiligen Bildsprache bedient. Goisum versucht nicht zu überwältigen. Von Gewalt zeugen seine Arbeiten trotzdem, allen voran die Schwarz-Weiß-Fotos und seine Stahleinfassung eines Durchgangs. Mit diesen Bildern noch im Kopf scheint beim Betrachten seiner Leuchtschrift und eines zarten 16mm-Film der Boden zu schwanken.

  • Kindl-Zentrum Am Sudhaus 3, Neukölln,Mi 12–20, Do–So 12–18, 21.4. + 9.6. geschl., 10/ 7/ 4 €, bis 18 J. + 1. So/ Monat frei, www.kindl-berlin.de, bis 27.7.

„Psychonauten: John Bock und Heiner Franzen“ in der Berlinischen Galerie

John Bock, COWWIDINOK, 2015, Videostill, © John Bock

John Bock ist einer der prägendsten Künstler des Nachwende-Berlins. Dass er von der Großgalerie Sprüth Magers vertreten wird, ist dabei weniger wichtig, als es die Temporäre Kunsthalle am Schloßplatz war. Hier zeigte Bock 2010, wie er als Filmemacher, Filmanalytiker, Autor, Dichter, Kurator und Kulissenbauer zugleich wirken kann. Sein „FischGrätenMelkStand“ war eine Modellstadt aus Alltagsmaterialien, gebaut auf vier Etagen eines Baustellengerüsts, auf denen sich Film, Musik, Kunst und Architektur zu einem Gesamtkunstwerk fügten. Das animierte nebenbei dazu, Sergio Leones „Spiel mir das Lied vom Tod“ zuhause erneut komplett anzusehen, mit der Musik von Ennio Morricone ganz laut. Von solch anregender Wirkung ist die Präsentation, die Bock gemeinsam mit seinem Kollegen Heiner Franzen in der Berlinischen Galerie zeigt, weit entfernt. Zwar wird auch in dieser sparsam bestückten Doppelschau die Faszination beider Künstler für das Medium Film ebenso deutlich wie ihre Lust an verfremdenden Kinozitaten. Doch die kleine Schau ist so lieblos anmoderiert, so müde machend eingerichtet, dass es sich kaum lohnt, extra deswegen zu kommen. Doch wer sowieso in der Berlinischen Galerie ist, etwa um sich Käthe Kruses große Einzelschau anzusehen, sollte sich ein Viertelstündchen hier gönnen.

  • Berlinische Galerie Alte Jakobstr. 124–128, Kreuzberg, Mi–Mo 10–18 Uhr, Hausticket: 10/6 €, bis 18 J. + Geflüchtete frei, bis 11.8.

Käthe Kruse: „Jetzt ist alles gut“ in der Berlinischen Galerie

Käthe Kruse, In Leder, 2013, © VG Bild-Kunst, Bonn 2025, Foto: Jens Ziehe

Zu seinem 50-jährigen Bestehen gönnt sich das Landesmuseum Berlinische Galerie die Ausstellung einer Künstlerin, deren Werk längst dorthin gehört: Käthe Kruse, Künstlerin und im West- und Wende-Berlin Mitglied der Band Die Tödliche Doris. Ihre Schau „Jetzt ist alles gut“ ist klar nach Werkgruppen gegliedert. Sie reicht von Filmen mit Auftritten von Die Tödliche Doris und Kruses performativer Lesung von deren Auflösungsvertrag bis zu geschneiderten Kostümen vor Tapeten, die die Haupthalle des Museums in ein neues Gewand kleiden. Und deutlich wird auf dm Parcours, der klug um Begleitmaterial und Zeitdokumente ergänzt wurde: Käthe Kruse brilliert in Schrift-, Textil- und zeitbasierter Kunst. Mit Malerei dagegen fremdelt sie. Ihre Farbtafeln bestehen daher aus Nähgarn. Und mit Ölfarbe hat sie Schallplatten bestrichen. Deren Titel lautet so, wie diese nun sind, nämlich „Unhörbar“.

  • Berlinische Galerie Alte Jakobstr. 124–128, Kreuzberg, Mi–Mo 10–18 Uhr, 10/6 €, bis 18 J. + Geflüchtete frei, www.berlinischegalerie.de, bis 16.6.
  • Performance: 22.5., 18 Uhr („Krieg“)

„Once We Were Trees, Now We Are Birds“ in der ifa-galerie

"Once We Were Trees Now We Are Birds", ifa-Galerie Berlin, Ausstellungsansicht. Foto: Victoria Tomaschk

Dies hier ist etwas ganz anderes. Die dem Institut für Auslandsbeziehungen angeschlossene Martin-Roth-Initiative zeigt Arbeiten von 50 Kunstschaffenden. Sie kommen aus Montenegro, der Ukraine, Russland und der Türkei, aus Asien, Afrika, Mittel- und Südamerika. Mit Stipendien der Roth-Initiative haben sie in Deutschland Schutz vor Verfolgung, Verhaftung und womöglich Tod gefunden. Sie zeigen Fotos, Zeichnungen, Collagen, Texte und Aufnahmen von Performances. Sie thematisieren den Verlust von Heimat, Gründe für die Emigration sowie Alltag und Gefühle im Exil, Niedergeschlagenheit genauso wie Hoffnung. Faieqa Sultani zum Beispiel collagierte eine selbstbewusste schwangere Frau, die unter ihrer Burka nackt ist und in ihrem Bauch gut sichtbar ein vergnügtes Baby trägt. Und ganz besonders: Die Werke hängen nicht als Originale hier, sondern als gute Reproduktionen auf schicken Stellwänden. Und im Nebenraum liegen sie in Regalen zum Mitnehmen bereit. So können sich die Bilder und Wörter zum Exil leicht in der Stadt verbreiten. Bravo.


„Musafiri“ im Haus der Kulturen der Welt

Diane Severin Nguyen, IF REVOLUTION IS A SICKNESS, (2021), video still. Courtesy Diane Severin Nguyen
Diane Severin Nguyen, IF REVOLUTION IS A SICKNESS, (2021), video still. Courtesy Diane Severin Nguyen

Es gibt Menschen, die fliehen vor dem Winter in Berlin in wärmere Gefilde, und es gibt Menschen, die fliehen vor der Gewalt in ihrem Heimatland in sichere Gefilde. Die einen wollen, die anderen müssen sich auf Reise begeben. Wer willkommen oder wer gefürchtet ist, wer nach Hause zurückkehren kann oder sich ein neues Zuhause suchen muss, wird zu einer persönlichen wie politischen Angelegenheit. Reisen ist ein weites Feld, auf dem Fernweh und Vertreibung ebenso wachsen wie Erkundungsdrang und Sklavenhandel. Auf künstlerische Feldforschung führt die Ausstellung „Musafiri: Von Reisenden und Gästen“ im Haus der Kulturen der Welt (HKW). „Musafiri“ bedeutet in vielen Sprachen „Reisender“, teilweise auch „Gast“. Über 40 Künstler:innen mit Perspektiven, die von den USA bis nach Kasachstan reichen, bespielen in einer Art Parcour das Haus mit Werken zu Arbeitsmigration und Flucht, Kolonisation und nicht-europäischen Entdeckern. Erneut eine weitläufige und ambitionierte Schau, mit vielen sehr lauten und einigen sehr leisen Werken, die es gerade im Hauptraum nicht einfach haben, sich zu behaupten und durchzudringen. Da uns viele Symbole und Geschichten nicht vertraut sind, ist ein Blick in den dazugehörigen Reader unbedingt empfohlen.

  • HKW John-Foster-Dulles-Allee 10, Tiergarten, Mi–Mo 12–19 Uhr, 8/ 6 €, bis 18 J. frei, hkw.de, bis 16.6.

„Berliner Realistinnen“ im Haus am Lützowplatz

Foto: Natalia Carstens
Ausstellungsansicht „Berliner Realistinnen“, Haus am Lützowplatz, 2025, Foto: Natalia Carstens

Der Förderkreis des Hauses am Lützowplatz ist 65 Jahre alt geworden und feiert das mit der Ausstellung „Berliner Realistinnen“. Sie hat auch ein historisches Kapitel, das die Gründungsgeschichte des Kunsthauses aufrollt, inklusive des Engagements des damaligen Regierenden Bürgermeisters Willy Brandt. Im Mittelpunkt dieses Abschnittes steht jedoch die Enteignung der Familie Fürstenberg, der das Haus noch zu Beginn der nationalsozialistischen Diktatur gehörte, und ihre Entschädigung in den 1960er Jahren. Die Abteilung mit Gegenwartskunst dagegen, eine Kooperation mit der Initiative „fair share! Sichtbarkeit für Künstlerinnen“, stellt mehr oder weniger realistische Arbeiten von 28 weiblich gelesenen Kunstschaffenden vor – eine Retourkutsche auf eine Realismus-Ausstellung 1971, an der 27 Künstler und nur eine Künstlerin teilnahmen. Am stärksten in diesen Räumen sind die Skulpturen und Plastiken, allen voran Birgit Diekers „Matrone“ (2018), eine fragile Würdigung des Alters aus Miederkorsagen und Gehstöcken.

  • Haus am Lützowplatz Lützowplatz 9, Tiergarten, Di-So 11-18 Uhr, hal-berlin.de, bis 9.6.

Juan Pablo Macías: „Tiempo Muerto“ in der Galerie im Körnerpark

© Ira Kneeland / Juan Pablo Macías
Juan Pablo Macías ist mit einer Einzelausstellung in der Galerie im Körnerpark zu sehen. Foto: Ira Kneeland / Juan Pablo Macías

Wir sollten uns daran gewöhnen, dass sich alte Gewissheiten und etablierte Weltordnungen auflösen werden, schreiben Menschen aus Politik und Sozialwissenschaft. Vielleicht sollten wir uns in diesem Zug der ollen Herrschaftssystemen ganz entledigen und es mal mit Anarchie versuchen? Reichlich Inspiration und ernsthafte Denkerzeugnisse liefert uns Juan Pablo Macías in seiner Einzelausstellung „Tiempo Muerto“ in der Galerie im Körnerpark. Der mexikanische Künstler, in Italien lebend, ist tief geprägt von den Ideen des französischen Anarchisten Pierre-Joseph Proudhon und anderer europäischer Denker, die eine herrschaftsfreie Gesellschaft von Menschen in Freiheit, Gleichheit und Selbstorganisation anstrebten. Diese bringt er zusammen mit Wissen und Praktiken indigener Völker zusammen. In der von ihm seit 2010 herausgegebenen Zeitschrift „Tiempo Muerto“ vereinen sich Diskurse und Kunstpraktiken, werden Themen wie Privateigentum oder wie in der aktuellen Ausgabe für die Ausstellung das Heidentum aus anarchistischer Perspektive betrachtet. Neben den bisher erschienenen Ausgaben sind in der Galerie Videoarbeiten zu sehen. Sie zeigen Gespräche und Performances an verschiedenen Orten in der Welt, die von Praktiken und Ritualen der Gemeinschaft handeln. Macías Ansatz, anarchistische Ideen, Kunstpraxis und Institution zusammenzubringen, geht über die oft anzutreffende bloße Illustration und Dokumentation  hinaus und weckt großen Spaß am Lesen, Zuhören und Nachdenken über heutige Herausforderungen.

  • Galerie im Körnerpark Schierker Str. 8, Neukölln, Mo-So 10-20 Uhr, galerie-im-koernerpark.de, bis 11.6., Finissage mit Lesekreis: Mi, 11.6., 17 Uhr

Isabella Benshimol Toro: „The Phantom of Liberty“ in Les Vitrines des Institut français

Ausstellungsansicht von Isabella Benshimol Toro: „The Phantom of Liberty“ in Les Vitrines des Institut français, 2025. Foto: Luca Girardini

Ein zusammengerollter Tanga liegt auf einem Stapel weißer Papierblätter neben einer Bürolampe. Auch auf der Chaiselongue daneben liegt Unterwäsche. Handtücher, Kleidungsstücke, wie gerade benutzt und im Arbeitszimmer oder Bad fallengelassen, liegen im langen Schaufenster des Institut français verteilt. Schauen wir genauer hin, sehen wir die Objekte in einer festen Flüssigkeit. Wie festgewordene Augenblicke fremder Intimität, die sich so eigentlich hinter zugezogenen und nicht offenen Fenstern ereignen. Isabella Benshimol Toro, eine venezolanische Künstlerin aus London, bring privates in eine Fensterfront auf dem Ku'damm, wo sich sonst perfekt inszenierte Luxusobjekte hinter den großen Glasscheiben der Boutiquen präsentieren. Die Installation in dem „Les Vitrines“ genannten Ausstellungsraum des französischen Kulturinstituts umfasst neben den Objekten in Epoxidharz auch Fotografien und führt uns auf das dünne Eis zwischen Lust am Voyeurismus und geprägten Konventionen.

  • Institut français Kurfürstendamm 211, Charlottenburg, bis 20.6.

„Kosmos Blauer Reiter. Von Kandinsky bis Campendonk“ im Kupferstichkabinett

Franz Marc: „Ruhende Pferde“, 1912. Foto: © Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett / Dietmar Katz

Ein paar Männer und Frauen legten zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Grundsteine für Kunst, wie wir sie heute kennen: frei und subjektiv. Der Deutsche Franz Marc und der Russe Wassily Kandinsky gründeten 1911 in München die Gruppe „Der Blaue Reiter“, machten Ausstellungen und publizierten einen Almanach und brachten damit den Lauf der westlichen Kunstgeschichte auf einen neuen Kurs. Sie wandten sich von der naturalistischen Darstellung der Dinge ab, hin zu der inneren Empfindung, dem inneren Erleben. Während Marc das Wesen der Tiere suchte, löste Kandinsky Form und Farbe radikal vom Gegenständlichen auf der Suche nach einem Ausdruck des Geistigen. Damit beschritten sie den Weg zum Expressionismus und beeinflussten folgende Entwicklungen der modernen Kunst. Die Ausstellung „Kosmos Blauer Reiter. Von Kandinsky bis Campendonk“ erzählt in sieben Kapiteln die Geschichte dieser Gruppe zu deren engerem und weiteren Umkreis Künstler:innen wie etwa August Macke, Heinrich Campendonk, Else Lasker-Schüler gehörten. Dabei zeigt die Schau eindrücklich, wie teils unterschiedlich die jeweiligen Künstler:innen die Ideen des Blauen Reiter in ihrer eigenen Praxis verstanden. Mit wunderbar zarten Zeichnungen und stürmischen Graphiken, dramatisch schwarz-weiß oder farbprächtig koloriert, gibt diese Schau einen Einblick in die Kunst der Blauen Reiter jenseits der bekannten, farbprächtigen Bilder. Dafür empfehlen wir unbedingt einen Ausflug ins Museum Barberini in Potsdam, das dank eines kosmischen Zufalls aktuell die großartige und hochkarätige Ausstellung „Kosmos Kandinsky“ zeigt.

  • Kupferstichkabinett Matthäikirchplatz, Tiergarten, Mi–Fr 10–17 Uhr/ Sa–So 11–18 Uhr, 8/4 €, bis 16.6.

„Das offene Depot“ des Werkbundarchivs

Museum der Dinge, Leipziger Straße: Blick in das Kabinett, Foto: JF
Blick in das Kabinett Werkbundarchiv – Museum der Dinge, Leipziger Straße, Foto: JF

Die neue Dauerschau an neuer Adresse: Mit seinem Umzug aus einem Kreuzberger Gründerzeithof in einen Gebäuderiegel an der Leipziger Straße hat das Werkbundarchiv – Museum der Dinge seine Dauerausstellung grundlegend modernisiert. Seit diesem Winter lässt sich „Das offene Depot“ durchstreifen, mit seinen Objekten der Produkt- und Gestaltungskultur des 20. und 21. Jahrhunderts in Deutschland. Stühle, Teekannen, Isolatoren, Fernseher und mehr finden sich nicht chronologisch oder nach Ost und West geordnet, sondern nach Kriterien wie „Material“ und „Form“. In den deckenhohen, weißen Vitrinen haben auch die Versuche der historischen Gestalter-Vereinigung „Werkbund“ Platz, die Bevölkerung zu mehr Geschmack zu erziehen. Den alten Kriterien stellt das Museumsteam heutige Maßstäbe für Design wie Umweltfreundlichkeit und faire Produktionsbedingungen gegenüber. Wechselausstellungen und „Objekt-Bühnen“ zu Themen wie Diskriminierung durch Design runden die gelungene Präsentation ab.

  • Werkbundarchiv – Museum der Dinge  Leipziger Str. 54, Mitte, Do–Mo 12–19 Uhr, 6/4 €, Museumderdinge.de, bis auf Weiteres, aktuelle Objekt-Bühne: bis 16.6.

„Young Birds from Strange Mountains – Queere Kunst aus Südostasien und seiner Diaspora“ im Schwulen Museum

Suriya Sam Khuth, „Dream Messenger”, fotografiertes Mixed Media-Object, Courtesy: the artist

Ein ehrgeiziger Ansatz: Im Schwulen Museum sollen Arbeiten von 15 Künstler:innen queeres Leben in Ländern Südostasiens und deren Diasporen vorstellen. Doch auch wenn das Museum dafür nur wenig Platz bietet: Über Strecken klappt es. Viel Dokumentarmaterial erleichtert den Einstieg in die Ausstellung „Young Birds from Strange Mountains“ – der Titel ist einem Gedicht des Lyrikers Ngô Xuân Diệu (1916-1985) entlehnt. Und mit Installationen, Zeichnungen, Filmen sowie Gemälden setzt das dreiköpfige Kurator:innenteam einen Schwerpunkt auf Arbeiten, die Emanzipationsbewegungen genauso thematisieren wie die Einbettung von Queerness in Religionen und Traditionen. Das Spektrum reicht von Suriya Sam Khuths zarten Mixed-Media-Bildern (Abb.) über Tamarras Selbstporträts in Trachten und Bewegungen, die verschiedene religiöse Praktiken lebendig halte. Und von heutigen Stoffinstallationen bis zurück zu den filmisch festgehaltenen Erinnerungen eines Mitglieds des Ensembles Wax Follies. Das parodierte im malaysischen Penang westliche Stars wie Cher und Marylin Monroe. Mit der Ausstellung ist ein sympathischer Anfang gemacht.

  • Schwules Museum Lützowstr. 73, Tiergarten, Mo, Mi, Fr 12–18, Do 12–20 Uhr, Sa 14–19, So 14–18 Uhr, 10/ 5 €, www.schwulesmuseum.de, bis 4.8.

„Transformation Papier“ im Haus des Papiers

João Freitas, Ohne Titel, Detail, 2024. Foto: Haus des Papiers

Was Papierkunst alles sein kann, zeigt das Haus des Papiers mit beeindruckenden Ausstellungen. neben einer dauerhaften Präsentation von Werken, werden immer wieder neue Sonderschauen gezeigt. Aktuell werden in „Transformation Papier“ die Ergebnisse der „Paper Residency !“-Teilnehmer:innen von 2024 gezeigt. Karolin Schwab, Katja Strunz, Joāo Freitas und Conrad überzeugen mit ihrem experimentellen, überraschenden und schönen Umgang mit dem scheinbar so banalen Werkstoff. Dazu gibt es weitere Werke von Papierkunstschaffenden der Sammlung wie Jorinde Voigt Leiko Ikemura, Leonie und Sheila Furlan.

  • Haus des Papiers Seydelstr. 30, Kreuzberg, Fr–So 10-17 Uhr, Sonderöffnungszeiten: 27. - 29.12.2024 11-15 Uhr, 8,50| 6 €, bis 8.6.

„Geschichte(n) Tansanias“ im Humboldt Forum

Foto: Alexander Schippel
© Nicholas Calvin Mwakatobe/ Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss / Szenografie: APC Architectural Pioneering Consultants / Studio Gründer Kirfel, Foto: Alexander Schippel

Sie ist fertig: die lang angekündigte Ausstellung, die Teams des deutschen Humboldt Forums und des Nationalmuseums Tansania, die Kurator:innen aus Dar es Salaam, Songea und Berlin gemeinsam erarbeitet haben. In zwei Räumen des Humboldt Forums berichtet sie exemplarisch von geraubten Kulturgütern, die während der Kolonialzeit aus dem damaligen Deutsch-Ostafrika in hiesige Museen verbracht wurden, Waffen und Schmuck etwa, eine Pfeife, ein „Medizinbeutel“. In Texten und Kurzfilmen kommentieren Expert:innen, Vertreter:innen von Communities und Nachfahren der Beraubten Verwendung und Geschichte der Objekte sowie den Rückgabeprozess – teils wissenschaftlich nüchtern, teils milde diplomatisch, teils wütend. Animierte Grafiken zu Handel und Geopolitik, Lese- und Fotostationen, zeitgenössische Kunst sowie ein Ausstellungdesign aus Holz und Bambus halten die aufschlussreichen Statements zusammen. Doch erst die tatsächliche Rückgabe der Objekte und eine Fortsetzung der Zusammenarbeit entscheiden über die Qualität dieser Ausstellung.

  • Humboldt Forum Schloßplatz 1, Mitte, Mi–Mo 10–30–18.30 Uhr, Eintritt frei, www.humboldtforum.org, bis 24.11.

Alfredo Jaar: The End of the World

Alfredo Jaar, Foto: Andrea-Rego-Barros
Alfredo Jaar, Foto: Andrea-Rego-Barros

Der Ausstellungstitel verheißt nichts Gutes: „The End of the World“, das Ende der Welt, will man eigentlich nicht sehen, neugierig macht es aber schon, wie sich Künstler Alfredo so ausmalt. Und das überrascht. Warum? Wollen wir an dieser Stelle nicht verraten. Nur so viel: E sgeht um die wichtigsten kritischen Rohstoffe wie Lithium und Kobalt, ohne die unsere digitalisierte und umwelttechnologisierte Zukunt nicht aufgeht, was wiederum verheerende Auswirkung jetzt schon hat. Spätestens seit Trump US-ameirkansiche Absichten auf Grönland angemeldet hat, ist das nun auch allgemein bekannt. Jaar, hat dafür ein treffendes Bild gefunden.

  • Kindl – Zentrum für zeitgenössische Kunst Am Sudhaus 3, Neukölln, Mi 12–20/ Do–So 12–18 Uhr, 7/4 €, bis 1.6.25

„Punk in der Kirche“ bei der Stiftung Stadtmuseum im Humboldt Forum

Foto: Phil Dera
Blick in die Ausstellung „Punk in der Kirche“, Stiftung Stadtmuseum im Humboldt Forum 2024, Foto: Phil Dera

„Was soll ich mit einer Weltanschauung, wenn ich mir die Welt nicht anschauen darf“: Bittere Sprüche konnten Punks gut, auch in der DDR, deren Bürger:innen keine Reisefreiheit genossen. Die Unzufriedenheit mit Staat und Regierung förderte ungewöhnliche Allianzen. Vor allem in Ost-Berlin und Leipzig gaben Kirchengemeinden Oppositionsgruppen ein Dach, darunter auch Punk-Bands, die in Gotteshäusern auftraten. Davon erzählt „Punk in der Kirche“, eine neue Wechselschau der Stiftung Stadtmuseum, mit historischen Fotos, Grafiken, Zitaten sowie Objekten wie Kassetten und Kleidung.  „Punk in der Kirche“ ist Teil der interaktiven Dauerausstellung „Berlin Global“, die das Stadtmuseum im Humboldt Forum zeigt. Zu den Wechselschauen, die von Gastkurato:rinnen gestaltet werden, gehört seit Juni auch weitere Fläche zur Präsenz polnischer Freiheitskämpfe in Berlin und zur Solidarnosc-Bewegung.

  • Stiftung Stadtmuseum im Humboldt Forum Schloßplatz, Mitte, Mi-Mo 10-30-18.30, regulär: 7/0 €, stadtmuseum.de, bis 2026

Neue Nationalgalerie: „Zerreißprobe. Kunst zwischen Politik und Gesellschaft“

Wolfgang Mattheuer: Brasker Landschaft, 1967, Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie. Foto: Roman März

In der Neuen Nationalgalerie zeigt sich der nächste Teil der Sammlung neu sortiert: Die Ausstellung
„Zerreißprobe“ präsentiert Kunst nach 1945. Ost und West finden hier zusammen – genauso wie Kunst
und Politik. Unter den 170 Arbeiten der Ausstellung gibt es jede Menge bekannte Werke. Neben Werken der üblichen Verdächtigen von Marina Abramović bis Andy Warhol aus der ehemaligen Nationalgalerie-West an der Potsdamer Straße hängen jetzt Arbeiten bekannter Ostgrößen wie Wolfgang Mattheuer Harald Metzkes oder Werner Tübke, die die  auf der Museumsinsel gelegene Nationalgalerie-Ost sammelte.

Verantwortlich für die Schau sind der für die Sammlung zuständige stellvertretende Direktor Joachim Jäger, die wissenschaftliche Mitarbeiterin Maike Steinkamp sowie die Kunsthistorikerin Marta Smolińska von der Universität der Künste in Poznań. „Zerreißprobe“ ist laut Joachim Jäger der Versuch einer Darstellung, die den Entwicklungen von Meinungen und Werten in der Gesellschaft folge. Die Gesellschaft entscheidet über die Kriterien der Kunst. Das war schon immer so, nur obsiegen nun offenbar Gesinnung, Moral und Geschlecht über Ästhetik.

Die Geschichte schreiben immer die Sieger. „Die Einfühlung in den Sieger kommt demnach den jeweils Herrschenden allemal zugut“, formulierte 1940 Walter Benjamin. Denn die im Dunkeln, die Ausgeschlossenen und Vergessenen, sieht man ja nicht – und sie sind auch in der Neuen Nationalgalerie nicht zu sehen, beispielsweise Werke der Art brut, Werke der oft autodidaktischen Kunst gesellschaftlicher Außenseiter, die, wie Jäger sagt, nicht in der Sammlung vertreten  sind.

  • Neue Nationalgalerie Potsdamer Str. 50, Tiergarten, Di/ Mi, Fr–So 10–18, Do 10–20 Uhr, 14/ 7 €, bis 18 J., bis 28.9.2025

Gerhard Richter – 100 Werke für Berlin

Blick in die Ausstellung „Gerhard Richter. 100 Werke für Berlin“, Staatliche Museen zu Berlin, Foto: David von Becker

100 Arbeiten leiht der berühmte Maler Gerhard Richter der Neuen Nationalgalerie auf lange Zeit, und sie alle passen in das Grafikkabinett im Untergeschoss des Museums. Denn unter den Abstraktionen befinden sich viele kleine übermalte Fotos – Spitzenstücke, eine Wucht. Im Zentrum jedoch hängt der „Birkenau“-Zyklus, mit dem Richter die Grenzen der Kunst im Angesicht von Verbrechen der Nationalsozialist:innen thematisiert. Als Vorlage dienten Fotografien, die Häftlinge unter Lebensgefahr in Auschwitz-Birkenau aufgenommen und aus dem Konzentrationslager geschmuggelt hatten.

  • Neue Nationalgalerie Potsdamer Str. 50, Tiergarten, Di–Mi, Fr–So 10–18, Do bis 20 Uhr, 14/ 7 €, bis 18 J., Do ab 16 Uhr frei, Tickets hier, bis September 2026

Ts’ uu – Zeder. Von Bäumen und Menschen

Ansicht der temporären Ausstellung "Ts'uu – Zeder. Von Bäumen und Menschen" im Humboldt Forum. Foto: © 2020 by Alexander Schippel

Was länger währt, wird womöglich besser: Die Ausstellung „Ts̓  uu – Zeder“ des Ethnologischen Museums konnte pandemiebedingt nicht  mit den Sälen eröffnen, die im Herbst das Humboldt Forum komplettiert haben. Doch nun ist die Schau über Regenwälder an der Westküste Kanadas fertig, eine Koproduktion mit dem hochmodernen Haida Gwaii Museum auf gleichnamigem Archipel vor der Küste British Columbias. Sie zeigt, wie erhellend und publikumsfreundlich transkontinentale und transdisziplinäre Zusammenarbeit sein kann. Nur einen Saal mit 130 Exponaten umfasst die Schau, die genauso Ruhe wie Abwechslung bietet, dank einer Sitzecke und des Einsatzes verschiedener Medien. Selbstverständlich gibt es klassische Objekte wie Wappenpfähle. Daneben aber hängen Reportagefotos und bedruckte T-Shirts. Sie bezeugen Proteste Indigener gegen die Abholzung der Regenwälder durch euro-kanadische Firmen.

  • Humboldt Forum Schlossplatz 1, Mitte, Mi–Mo 10.30–18.30, Eintritt frei, bis 23.2.2026

Mehr Kunst und Ausstellungen in Berlin

Blick nach vorn: Das Kunstjahr 2025 in Berlin mit den wichtigsten Ausstellungen des Jahres. Eines der spannendsten Wochenenden der Stadt: Gallery Week Berlin – die Highlights inklusive Sellerie Weekend. Überblick verloren? Sobald die Infos da sind, steht hier das Wichtigste zur Berlin Art Week. Geht immer: Wir zeigen euch wichtige Ausstellungshäuser, Galerien und Museen für Kunst in Berlin. Eintauchen in andere Welten: Tipps für immersive Ausstellungen in Berlin.

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