Kunst

Aktuelle Ausstellungen in Berlin: Neue Kunst-Tipps und letzte Chancen

Die wichtigsten Ausstellungen in Berlin: Die Kunstwelt ist immer in Bewegung. Was es Neues gibt, was sich weiter lohnt und wo ihr noch unbedingt hin müsst, bevor es zu spät ist, lest ihr hier. Claudia Wahjudi und Ina Hildebrandt geben Tipps für neue Kunst und aktuelle Ausstellungen in Berlin – und für letzte Chancen, bevor es zu spät ist.


Neue Ausstellungen: Kürzlich eröffnet

Welche Ausstellungen sind gerade neu? Hier lest ihr, was in der Kunstwelt neu eröffnet wurde und was wir kürzlich besucht haben.


„Yoko Ono: Music of the Mind“ im Gropiusbau

Yoko Ono in Half-a-Room, 1967, Installationsansicht, HALF-A-WIND SHOW, Lisson Gallery, London, 1967. Foto © Clay Perry / Kunstwerk © Yoko Ono

Schon jetzt eine der großartigsten Ausstellungen des Jahres: Mit einer Retrospektive würdigt der Gropisubau 70 Jahre künstlerisches Schaffen von Yoko Ono. Und wofür die Künstlerin steht, wird schon gleich im Lichthof klar. Von der Decke hängt ein riesiges Banner mit der Aufschrit „Peace is Power“, unten stehen lauter Olivenbäumchen, an denen Zettelchen hängen, beschrieben mit den Wünschen von Besucher:innen, die dafür mehrere Schreibstationen vorfinden. Frieden und Hoffnung, und eine Kunst, die erst durch den Körper wird und wirkt – daraus spinnt sich der rote Faden in Onos wunderbarem Universum. Die 1933 in Japan geborene Künstlerin, gehörte zur Keimzelle der Fluxusbewegung in New York der 1960er Jahre, entwickelte prägende Performances und machte vor allem viel Musik, einiges davon mit dem berühmtesten ihrer Ehemänner, John Lennon. In der Ausstellungen ist es gelungen, ihren Werdegang, ihre vielfältigen Werke und den Geist einer partizipativen Kunst zu vereinen. Wir empfehlen viel Zeit mitzubringen und diese am besten so schnell wie möglich zu vergessen.

Noch mehr Yoko gibt es in der Neuen Nationalgalerie. Hier lädt die fabelhafte Kabinettsausstellung „Yoko Ono: Dream on togehter“ ein, insbesondere Gemeinschaft und Frieden in Ono's Werk zu erkunden und zu erfahren. Toll kuratiert und unbedingt sehenswert.

  • Gropiusbau Niederkirchnerstr. 7, Kreuzberg, Mo–Fr 12-19 Uhr/Di geschl./ Sa+So 10–19 Uhr, 9/6 €, bis 31.8.
  • Neue Nationalgalerie Potsdamer Str. 50, Tiergarten, Di/ Mi, Fr–So 10–18, Do 10–20 Uhr, 14/ 7 €, bis 14.9.

Volker Kreidler: „Third Landscape Chernobyl“ im CLB

Eine Aufnahme aus der Serie „Dritte Landschaft – Third Landscape“. Foto: Volker Kreidler

Zwischen Natur und vom Mensch gestalteter Umgebung existiert eine Landschaft, die aus beidem hervorgeht und einen ganz eigenen, mysteriösen und anziehenden Raum schafft: die „Dritte Landschaft“. Es sind brachliegende Orte wie einstige Industrieareale, die sich die Natur zurückerobert. Ein verlassenes Niemandsland, was in Wahrheit ein Hotspot für das blühende Leben anderer Art ist ist. Tschernobyl ist so ein Ort. Am 26. April jährt sich der Super-GAU, dem unzählige Menschen zum Opfer zu fielen, sowie die umgebende Fauna und Flora. Trotz radioaktiver Strahlung hat sich in der Sperrzone von Tschernobyl über die vergangenen Jahrzehnte ein artenreiches Ökosystem entwickelt – ein Phänomen, das Forscher:innen weltweit beschäftigt. Und Volker Kreidler. Der Berliner Fotograf zeigt in seiner Ausstellung Aufnahmen aus der Bildreihe „Dritte Landschaft – Third Landscape“, die er bei einer geführten Tour 2015 im Sperrgebiet rund um das havarierte Atomkraftwerk machte. Großformatige schwarz-weiß-Aufnahmen von überwucherten Gebäude und wilden Wälder mal leicht und lichtdurchflutet, mal melancholisch und schwer. In der Ausstellung mikroskopiert Volker Kreidler vor Ort gesammelte Pflanzen und ergänzt seine um neue Makroaufnahmen. Das Projekt „95 – 15 – 25“ dokumentiert seine künstlerisch-wissenschaftliche Arbeit in Tschernobyl und Kyjiw über drei Jahrzehnte hinweg.

  • CLB Aufbau Haus, Prinzenstr. 84.2, Kreuzberg, Mo–Fr 15–19 Uhr, bis 24.5.

Stipendiatenausstellung im Künstlerhaus Bethanien

Installationsanich Margarita Athanasiou im Künstlerhaus Bethanien, 2025. ©Thomas Rusch

Margarita Athanasiou nimmt uns mit auf eine wilde Reise von den Anfängen der spiritistischen Szene des 19. Jahrhunderts in den USA über New-Age-Bewegung bis zu Sailor Moon. Im Znetrum steht die Frau als Medium, die mit höheren Geistern und Mächten verbunden ist. Dabei verwebt Athanasiou visuell und erzählerisch gekonnt Welt- und persönliche Geschichte zu einer rhythmischen und aufschlussreichen Videoarbeit mit Sogwrikung. Sie ist Teil der aktuellen Stipendiat:innen-Ausstellung im Künstlerhaus Bethanien. Ebenso wie die Installation von Manar Moursi. Sie zeigt Skulpturen, Installationen und Videos, die die Spuren kolonialer und ökologischer Gewalt in Körpern und Architektur sichtbar machen. Im Zentrum steht eine raumgreifende Arbeit aus Stoffgliedern, Trümmern, Pflanzen und Projektionen, die fragmentarische Filmszenen auf zerbrochene Oberflächen werfen. Performative Eingriffe in verfallende Badehäuser Kairos entfalten eine starke Poetik.

  • Künstlerhaus Bethanien Kottbusser Str. 10, Kreuzberg, Di–So 14–19 Uhr, bis 15.6.

„Unsichtbare Arbeit. Pınar Öğrenci und Raman Tratsiuk“ im Polnischen Institut

Pınar Öğrenci, Glück auf in Deutschland, #35, 2024, Fotocollage produced with archival images from the Digital Photography Archive of Ruhr Museum Essen.

Nach Abwahl der PiS-Partei kann im Polnischen Institut wieder anspruchsvolles Ausstellungsprogramm stattfinden. Die Kunsthistorikerin Marta Somolinska kuratiert hier schon den dritten Part einer sechsteiligen Reihe, die heißt: „Was nehmen wir mit?“ In der aktuellen Folge stellen Pınar Öğrenci und Raman Tratsiuk zum Thema „Unsichtbare Arbeit“ aus. Öğrenci zeigt (wie schon 2024 in der Galerie Tanja Wagner) einen Film und Fotocollagen über türkische Gastarbeiter im Ruhrgebiet. Von ihnen hatte die in Berlin lebende kurdische Künstlerin im Fotoarchiv des Ruhrmuseums Essen kaum Aufnahmen gefunden. Die Stahl- und Kohlefirmen hatten sie offenbar nicht fotografieren lassen. Nun macht Öğrenci sie sichtbar. Raman Tratsiuk aus Belarus und Polen stellt unter anderem Skulpturen aus Metallteilen alter Werkzeuge aus, aus Hammerköpfen zum Beispiel. Verrostet sind sie. Und regen die Frage an, ob nicht auch die private Feierabendarbeit im Sozialismus zur „Unsichtbaren Arbeit“ gezählt werden müsste, dieses Werkeln in Haus, Hof und Garagen, ohne das der Ostblock schon viel früher zusammengeklappt wäre

  • Polnisches Institut Burgstr. 27, Mitte, Di-Do 13-18, Fr 13-17 Uhr, Website,  bis 6.6.

Minh Duc Pham: Integrationswunder

Ausstellungsansicht Galerie im Museum Tempelhof „Minh Duc Pham – Integrationswunder“, 2025. Foto: Andreas Meichsner

Der Berliner Künstler Minh Duc Pham war 2024 für den Preis des Hauses am Kleistpark nominiert. Nun stellt er im Schwesterhaus aus: In der Galerie im Tempelhof Museum erzählt er ein Kapitel aus der Geschichte seiner Familie. Die Eltern hatten mit dem prekären Status ehemaliger Vertragsarbeitende in der DDR nach 1990 Mühe, im vereinten Deutschland Fuß zu fassen. Es ist ihnen gelungen. Der Beweis dafür ist nicht zuletzt Sohn Minh Duc Pham mit seinen Ausstellungsbeteiligungen in großen Häusern von Berlin und Leipzig. Der Preis für dieses „Intergrationswunder“, wie Pham es bitterironisch nennt, war allerdings hoch. Der Künstler findet dafür die Metapher von entdornten Rosen. In Skulpturen, Objekten und auf Fahnen setzt er sie in Szene. Ein sparsame, eine berührende Ausstellung.

  • Galerie im Tempelhof Museum Alt-Mariendorf 43, Tempelhof, Di-So 13-18, Do ab 10 Uhr, www.hausamkleistpark.de, bis 6.7.
  • Künstlergespräch: 5.7., 18 Uhr

„Cosmopolitics“ in der Kunstbrücke am Wildenbruch

Der arme Mars. Elon Musk hat es auf ihn abgesehen. Aber auch die Weltraumbehörden der USA und China planen Besiedlungen in nicht allzu ferner Zukunft. Mit der der Kampagne „Planetary Personhood“ setzt sich das Kunst- und Designkollektiv Nonhuman Nonsense dafür ein, dem Planeten Persönlichkeitsrechte zuzusprechen und damit einem potenziellen Ausbeutungs-Kolonialismus entgegenzuwirken. In in der Kunstbrücke am Wildenbruch zeigen sie ein Aufklärungsvideo, einen eigens für den Mars angefertigten Personalausweis, und es gibt die Möglichkeit, eine Petition zu unterzeichnen. Die Ausstellung „Cosmopolitics“ kontert die Astrokapitalismus-Narrative von Politiker:innen und Unternehmer:innen mit spekulativer Kunst, die Ideen jenseits von Eroberung und Extraktion vermittelt. Auch das Weltall braucht unsere Solidarität.

  • Kunstbrücke am Wildenbruch Weigandufer Ecke Wildenbruchbrücke, neben der Anlegestelle, Mi–So, 12–18 Uhr, bis 1.6.

Letzte Chance: Diese Ausstellungen enden bald

Diese aktuellen Ausstellungen in Berlin sind nicht mehr lange zu sehen. Nutzt die Chance, sie an den letzten Tagen zu besuchen.


Jonas Höschl: „Point of No Return“ in der Galerie Anton Janizewski

Ausstelungsansicht zu Jonas Höschls: „Point of No Return“ in der Galerie Anton Janizewski, 2024. Foto: Julian Blum

Sie zieht sofort die Blicke auf sich, eine rote Zuzuki GS 750, präsentiert auf einem roten Ausstellungsdisplay. Ein schönes Sportmotorrad, ein Sehnsuchtsobjekt. Auf dem gleichen Motorrad sitzend schossen RAF-Terroristen am 7. April 1977 den damaligen Generalstaatsanwalt Siegfried Buback, seinen Fahrer Wolfgang Göbel und ihr Begleiter Georg Wurster an einer roten Ampel in Karlsruhe. Und plötzlich wird die Sache schräg. Ist eine solche Präsentation angebracht? 2013 wurde das Original-Fahrzeug jedenfalls genau so in einer Ausstellung im Haus der Geschichte in Stuttgart gezeigt. Wie Geschichte erinnert wird, ist immer auch eine Frage der Darstellung – und genau hier setzt Jonas Höschls großartig konzentrierte Installation „SSSSSSuzuki“ an. Im Zentrum steht eine Suzuki GS 750, die zur Tatwaffe der RAF wurde, begleitet von Videocollagen, Dokumenten und historischen Referenzen, die Medienmechanismen und kollektives Erinnern klug hinterfragen.

  • Anton Janizewski  Weydingerstr. 10, Mitte, Mi–Sa 12–18 Uhr, bis 19.4.

„Sonya Schönberger: Nägel“ in der St. Matthäus-Kirche

Sonya Schönberger, Nägel, Installation St. Matthäus-Kirche, 2025, © Sonya Schönberger/vVG Bild-Kunst, Bonn 2025; Foto: Leo Seidel
Sonya Schönberger, Nägel, Installation St. Matthäus-Kirche, 2025, © Sonya Schönberger/ VG Bild-Kunst, Bonn 2025; Foto: Leo Seidel

Über 10.000 alte Nägel liegen in ihrem Roststaub vor dem Altar der St. Matthäus-Kirche. Das sieht so aus, als müsse das so sein, als wäre es schon immer so gewesen. Doch die Berliner Künstlerin Sonya Schönberger hat sie Anfang März ausgeschüttet. Die Nägel sind von Archäologen auf dem Tempelhofer Feld ausgegrabene Überbleibsel von Baracken für Zwangsarbeitende. Schönberger hat jeden Nagel einzeln fotografiert. Eine stille, meditative Dokumentation dieses Aufnahmeprozesses läuft im Andachtsraum links. Die Farbfotos selbst wechseln über dem Altar auf einem Bildschirm, dort, wo in katholischen und lutherischen Kirchen Jesus am Kreuz hängt. Nägel hielten Gottes Sohn schmerzhaft am Kreuz gefangen. Bei Schönberger dagegen sind die Nägel Mahnmal dafür, dass wir in Berlin permanent über Grund und Boden gehen, die Enteignung, Vertreibung, Versklavung, Ermordung und Zerstörung bezeugen.


„a faraway shining star, twinkling in hand“ von Rinko Kawauchi im Fotografiksa

From the series ME, 2019 © Rinko Kawauchi, Courtesy of Christophe Guye Galerie

Eine Reise nach Island und danach die Corona-Pandemie regten Rinko Kawauchi dazu an, mit ihrer Kamera auf der Insel Hokkaido Bilder einer Achtsamkeit für den Moment und für den Fluss des Lebens zu suchen. Eine Auswahl davon ist im Rahmen des Europäischen Monats der Fotografie im Fotografiska zu sehen. Und sie zeigt mit zarten, teils buchstäblich vernebelten Aufnahmen von Landschaften: Das Vorhaben der japanischen Fotokünstlerin ist aufgegangen – in unkonventionellen Blicken auf geografisch nicht eindeutig definierbaren Landschaften. Die zudem verdeutlichen, wie sich Fotoformate in der Kunst durch Social Media ändern. Die Monumentalisierung dieser zarten Augenblicke in einigen skulpturalen Displays droht allerdings Kawauchis Anliegen zu unterlaufen, doch die Verflüssigung der Momente im zeitbasierten Medium Video kommt ihm entgegen.

  • Fotografiska Berlin Oranienburger Str. 54, Mitte, Mo–So 10–23 Uhr, Mo­–Mi 14, Do + Fr 15, Sa + So 16/ 8 €, Website, bis 20.4.

Frank Ockenfels 3 und Mischa Fanghaenel im Fotografiska

© Frank Ockenfels 3, BUNNYSMEAR 2020, Courtesy Fahey Klein Gallery.jpg

Gleich zwei Fotografen zeigen im Rahmen des Monats der Fotografie im Fotografiska Berlin Porträts. Wenn Frank W. Ockenfels 3, geboren 1960 in Pennsylvania, Größen aus Film, Musik und Politik fotografierte, musste er hundertfach fotografierten Gesichtern den einen, noch unbekannten Blick in die Seele entlocken. Das ist ihm meist gelungen, wie bei Barack Obama. Doch Ockenfels 3 ist in die Geschlechterfalle getappt: Frauen gucken bei ihm verführerisch, Männer dagegen zupackend. Und ein Profi-Poser wie David Bowie entwischte auch ihm. Mischa Fanghaenel, 1976 geboren und wie der Fotograf Sven Marquardt im Beruf auch Türsteher in Berlin, hat Persönlichkeiten des hiesigen Nachtlebens in Schwarz-Weiß und mit extremen Hell-Dunkel-Kontrasten porträtiert – in stillen, kontemplativen Momenten. Aus Fanghaenels Aufnahmen sprechen Achtung, Nähe bei gleichzeitiger Zurückhaltung, Mitgefühl und man möchte fast sagen: Liebe. In dieser Stille steht das Clubleben nicht für Ekstase und Selbstvergessenheit, sondern für den Rückzug von den Zumutungen der Zeit und Besinnung auf sich selbst.

  • Fotografiska Berlin Oranienburger Str. 54, Mitte, Mo–So 10–23 Uhr, Mo­–Mi 14, Do + Fr 15, Sa + So 16/ 8 €, Website, bis 20.4.

Alex Müller, Matthias Beckmann und Axel Anklam im Zentrum für aktuelle Kunst Spandau

Foto: Kulturamt Spandau
Blick in die Ausstellung "Lichtwanderer" mit Arbeiten von Axel Anklam, Zentrum für aktuelle Kunst, Berlin-Spandau 2025, Foto: Kulturamt Spandau

Gleich vier Ausstellungen haben Ende Januar auf der Zitadelle begonnen. Die zwei kleineren stellen neben Wettbewerbsentwürfen für Kunst an Spandauer Bauten die abgeräumten Berliner Denkmäler vor, die im Schaulager der Renaissance-Festung für ihre politische Agenda büßen: preußische Feldherren, Volkspolizisten und nationalsozialistische Heroen aus Stein. Matthias Beckmann hat sie gezeichnet und mit Aquarell akzentuiert und so die undemokratische Vergangenheit deutscher Staaten beziehungsreich auf Linien gebracht. Unter anderem mit deutsch-deutscher Geschichte ihrer Familie setzt sich das multidisziplinäre Werk (Abb.) der Berliner Künstlerin Alex Müller auseinander, das sich in Hallen und Gängen entfaltet. Und eine große Schau ist den luftigen, geradezu schwebenden Metallskulpturen des Berlin-Brandenburger Bildhauers Axel Anklam gewidmet, der 2022 im Alter von nur 50 Jahren starb. Die U-Bahn-Fahrt ans westliche Ende der Linie U7 lohnt absolut.  

  • Zentrum für aktuelle Kunst Spandau ZAK Zitadelle Spandau, Am Juliusturm, U-Bhf Altstadt Spandau, Fr–Mi 10–17, Do 13–20 Uhr, 4,50/ 2,50 €, 1. So/ Monat frei, zitadelle-berlin.de, bis 30.4.

Unicef Foto des Jahres 2024 im Willy-Brandt-Haus

Jérôme Gence, France (Panos Pictures)
Unicef Foto des Jahres 2024, Lobende Erwähnung: "The screen generation". Foto: Jérôme Gence, France (Panos Pictures)

Über die stille Trauer, die von den Werbeplakaten für die UNICEF-Ausstellung spricht, sollte sich niemand wundern: Auf der Straße aufgehängt, sollen die Gewinneraufnahmen des Jahres 2024 niemanden erschrecken. Den Preis teilte die Jury des „Unicef Foto des Jahres“ dieses Mal auf: Fotos des Jahres sind „Das Trauma des kleinen Stav“ aus Israel von Avishag Shaar-Yashuv und „Das Drama von Dareen und Kinan“ aus Palästina von Samar Abu Elouf. Erst im Foyer des Willy-Brandt-Haus auf nüchternen Stellwänden wird dann das physische und psychische Ausmaß von Hamas-Anschlag und Gaza-Krieg sichtbar: auf Fotos, die seelische und körperliche Verletzungen der Porträtierten und eklatante Unterschiede bei Wohlstand und Armut zeigen – und Respekt vor den Abgebildeten. Mit weiteren Ehrungen ausgezeichnete Presse- und Dokumentarfotos entstanden unter anderem in Sudan, Äthiopien und im wohlhabenden Europa, wo Kinder und Jugendliche, wie hier zu sehen, viel zu lang vor und über digitalen Geräten hängen (Abb.). Am Ausgang liegt zum Mitnehmen ein Heft mit der „Konvention über die Rechte des Kindes“ aus. Von deren Erfüllung sind wir offenbar Lichtjahre entfernt.

  • Freundeskreis Willy-Brandt-Haus Stresemannstr. 28, Kreuzberg, Di–So 12–18 Uhr, Ausweis erforderl., fkwbh.de, bis 27.4.

„FOTOGAGA. Max Ernst und die Fotografie“ im Museum für Fotografie

Max Ernst: Lichtrad / la roue de la lumière, aus: Histoire Naturelle, Blatt 29, 1926. Lichtdruck nach Frottage, 32,5 x 50 cm. Sammlung Würth © VG Bild-Kunst, Bonn 2024

Augen, zunächst und überall Augen. Betritt man den Ausstellungsraum zu „FOTOGAGA. Max Ernst und die Fotografie“ im Museum für Fotografie, erblickt man viele Zeichnungen von Augen. Max Ernst, seines Zeichens einer der wichtigsten Künstler des Surrealismus und der Moderne überhaupt, war fasziniert vom Auge, natürlich. Denn über das Auge nehmen wir die Umgebung nicht nur war, das Auge konstruiert sie regelrecht für uns und dann kann man dieses Sinnesorgan auch noch schön austricksen. Und wirklich spannend wird es sowieso jenseits des Sichtbaren. Mit der Kamera kam quasi ein weiteres, technisches Auge dazu. Auch wenn Max Ernst selber nicht als Fotograf tätig war, posierte er doch gerne mal alleine oder mit Künstlerkollge:innen. Diese Dokumente der Kunstgeschichte im Backstage der Kunst machen diese Ausstellung unterhaltsam und nahbar. Ernsts Arbeit wurde stark durch die technischen und künstlerischen Entwicklungen der Fotografie beeinflusst, die ihm als Inspirationsquelle und Arbeitsmaterial für seine Collagen diente. Mit fotografischen Reproduktionstechniken wie Vergrößerungen und Fotopostkarten gelang es ihm, die Bildwirkung seiner Werke zu steigern und ihre Verbreitung zu fördern. Neben seinen Werken befinden sich unter den rund 270 Exponaten auch Arbeiten seiner surrealistischen Zeitgenoss:innen.

  • Museum für Fotografie Jebensstr. 2, Tiergarten, Di–So 11–19/ Do bis 21 Uhr, 12/ 6 €, bis 27.4.

„Buchmann Galerie – 30 Years“ in der Buchmann Galerie

Ausstellungsansicht von "30 Years - Buchmann Galerie“ in der Buchmann Galerie, 2025. Foto: Michael Schultze

Zum 30. Geburtstag gönnt sich die Galerie Buchmann eine herrlich vielfältige Gruppenausstellung mit prägenden Künstler:innen aus dem Programm. Etwa die Skulptur aus knallgelben Leitplanken von Bettina Pousttichi oder Tony Craggs roter Riese, statisch und extrem dynamisch zugleich. Oder Anna & Bernhard Blumes berühmte Fotoserie über über einen Kartoffel-Kontrollverlust. Ein dynamischer Streifzug zwischen lebhaften und in sich konzentrierten Werken durch 30 Jahre Kunst.

  • Buchmann Galerie Charlottenstr. 13, Kreuzberg, Di–Sa 11–18 Uhr, bis 26.4.

Zwei Filme von Saodat Ismailova in der Berlinischen Galerie

© saodatismailova, Courtesy Saodat Ismailova
Saodat Ismailova, Bibi Seshanbe, film still, 2022, © saodatismailova, Courtesy Saodat Ismailova

Saodat Ismailova pendelt zwischen Usbekistan und Westeuropa, hat in großen Museen ausgestellt und in Berlin unter anderem im Haus der Kulturen der Welt. Jetzt zeigt das Museum Berlinische Galerie in seinem Kinosaal zwei Filme der 1981 in Taschkent geborenen Künstlerin. Sie handeln einerseits von Mythen und Ritualen aus vorsowjetischer Zeit, andererseits von gegenwärtigen Zuständen. „The Haunted“ (2017) thematisiert Trauer um den Kaspischen Tiger, der ausgerottet wurde, „Bibi Seshanbe“ (2022) Gewalterfahrungen einer jungen Frau in der teils beklemmenden, teils unterstützenden Enge eines traditionellen Städtchens auf dem Land (Abb.). Saodats berückende Bilder, die ihre Stärke aus einem Spiel mit Naturalismus, Surrealismus und barockem Licht gewinnen, lassen Zuschauenden viel Zeit, den dargestellten Welten nachzusinnen.

  • Berlinische Galerie Alte Jakobstr. 124-128, Kreuzberg, Mi-Mo 10-18 Uhr, 10/ 6 €, bis 18 J. + Geflüchtete frei, www.berlinischegalerie.de, bis 28.4.

Aktuelle Ausstellungen: Diese Schauen laufen gerade

Hier kommt der große Überblick über alles, was wir derzeit in der Berliner Kunstwelt empfehlen: die Ausstellungen, die noch eine Weile laufen und sich lohnen.


„Johanna-Maria Fritz: Zeit der Umbrüche“ im Willy-Brandt-Haus

Foto: Johanna Maria Fritz / Ostkreuz
Aus der Serie "Like a bird": Hamas-Kämpfer ziehen an Zirkusartist Majed Kallub (26) vorbei, vor dem Gebäude der Zirkusschule im Stadtteil Betlaahya in Gaza-Stadt, 2017, Gaza, Palästina. Foto: Johanna Maria Fritz / Ostkreuz

Die Fotojournalistin Johanna-Maria Fritz, die an der Berliner Ostkreuzfotoschule studierte, pflegt dauerhafte Kontakte zu Zivilist:innen und Militärs in Krisen- und Kriegsgebieten. So entstehen sehr persönliche Aufnahmen, die nahezu mitfühlen lassen, wie Krieg Gedanken und Gefühle formen kann. Nicht nur an der Front oder im zerschossenen Dorf, sondern auch, wenn ein Zirkus kommt (Abb.) oder Mädchen das Jonglieren üben. Gekonnt gehängt, zeigen Fritz` Aufnahmen aus zehn Jahren im Willy-Brandt-Haus, dass Bildjournalismus viel differenzierter sein kann das, was die „Tageschschau“ daraus macht. Fritz` Ausstellung gehört zum Europäischen Monat der Fotografie und ergänzt sich gut mit der Schau des „Unicef Foto des Jahres 2024“ im Foyer. Die Jury hat künstlerische und journalistische Bilder ausgewählt, die veranschaulichen, was Kinder in Krisen- und Kriegszuständen fühlen und was, wenn sie allein zu lang in digitalen Medien unterwegs sind.

  • Freundeskreis Willy-Brandt-Haus, Stresemannstr. 28, Kreuzberg, Di-So 12-18 Uhr, 3.+ 4.4. sowie 18.4. geschl., Ausweis erforderl., www.fkwbh.de, Fritz: bis 25.5.; Unicef Foto des Jahres: bis 27.4.

„After Image“ bei Julia Stoschek Foundation

Carsten Nicolai, telefunken anti, 2004, installation; CD-Player, CD, LCD Televisions, two parts. Installation view, AFTER IMAGES, JSF Berlin. Photo: Robert Hamacher.

Zur Eröffnung zur Berlin art Week konnte es die Warteschlange locker mit den belibtesten Clubs oder Bäckereien der Stadt aufnehmen: Wenn die Julia Stoschek Foundation ihre neue Jahresausstellung zeigt, kommen viele, sehr viele. Zu Recht, denn JFS hat nicht nur eine eindrucksvolle Videokunstsammlung, auch ist diese Kunst der sogenannten zeitbasierten Medien zugänglicher als andere Formen der Bildenen Kunst. Nun will die Ausstellung „After IMAGES“ mit über 30 Werken, darunter sechs neuen Auftragsarbeiten, selbst das bewegte Bild allein hinter sich lassen. Statt sich nur aufs Sehen zu konzentrieren, lädt die Schau zu einem multisensorischen Erlebnis ein, mit kinetischen Skulpturen, Klang- und Lichtinstallationen sowie Duftkunst. Dass Installationen, Sound- und Lichkunst sich länger einer größeren Beliebtheit erfreuen ist nichts neues, überrascht jedoch in diesen sonst sehr mit Videkunst verbundenen Räumen.

  • Julia Stoschek Foundation Leipziger Str. 60, Mitte, Sa+So 12–18 Uhr, 5 €, jeden 1. Donnerstag im Monat von 18–22 Uhr Eintritt frei, bis 27.4.25

„Pol Taburet: The Burden of Papa Tonnerre im Schinkel Pavillon

Foto: Courtesy Pol Taburet
Pol Taburet: Sex on Painkillers, 2024, Foto: Courtesy the Artist

Willkommen im Albtraum. Bisher war der französische Maler Pol Taburet vor allem in Frankreich und Brasilien für farbprächtige Gemälde bekannt: flache Hintergründe, Grundfarben und ein leuchtendes Gelb, Situationen mit einem bitteren Witz (Abb.). Doch wenn der 1997 geborene Künstler nun im Schinkel Pavillon ausstellt, hat er die Farben weitgehend zuhause gelassen. Große Gemälde, Bronzeköpfe und kleine Lithografien bedrücken mit Schwarz und Grau - über Schritte und Gespräche dämpfender Auslegware. Die Bilder bevölkern abweisende Wesen wie aus bösen Märchen. Es ist von allem ein bisschen zu viel, bis auch jede:r verstanden hat: Hier geht es um Macht und Kontrolle. Gewänder und Kappen der Figuren lassen - dem ominösen „Papa Tonnerre“, der „Papa Donner“ im Titel der Ausstellung ähnlich - an katholische Geistliche denken. Und über allem thront eine Installation aus Schränken, die an das jüngste Gericht denken lässt.

  • Schinkel Pavillon Oberwallstr. 32 Mitte, Do–Fr 14–19 Uhr, Sa–So 11–19 Uhr, 6/4 € (nur Karte), bis 18 J. frei, www.schinkelpavillon.de, bis 13.7.

„Verborgene Wirklichkeiten“ im Spreepark Art Space

Gedeckte Tafel vom Kollektiv MOTHS. Foto: Frank Sperling

Am Rande des Plänter Waldes, wo der legändere Vergnügungspark Spreepark im neuen Gewand aus den Brachen der Vergangenheit wiederauferstehen soll, liegt direkt an der Spree das Eierhäuschen, das sich selbt vor nicht zu langer Zeit als zeitgenössisches Ausflusglokal neu erfand und mit dem Spreepark Art Space auch noch einen kleinen, feinen Ausstellungsort beherbergt – lauter gute Gründe für einen Besuch also. Und die aktuelle Ausstellung „Verborgene Wirklichkeiten“ kann nicht nur wegen der wunderbaren Location überzeugen. Im Rahmen einer Kollektiv- Residency entwickelten drei Kollektive sehr eigene künstlerische Zugänge zu den Themen Ökologie, Gemeinschaft und Architektur in Bezug zum Gelände und dem ehemaligen Vergüngungspark erarbeitet haben. Dazu laden die Kollektive zu Führungen, Workshops und künstlerischen Spaziergängen.

  • Eierhäuschen / Spreepark Kiehnwerder Allee 2, Treptow, Mi–So 11–19 Uhr, jeder dritte Do im Monat 11–21 Uhr, bis 15.6., Veranstaltungen

Ting-Jung Chen: „Here on the edge of the sea we sit“ in der DAAD Galerie

Ting-Jung Chen: Here on the Edge of the Sea We Sit. Foto: aus dem Forschungsarchiv der Künstlerin

Hinter dem poetisch klingenden Ausstellungstitel, der ein idyllisches Bild vom Meeresufer verspricht, verbirgt sich Politrhethorik und Überforderung. Mit Kopfhörern und einem Empfänger ausgestattet gehen wir durch den Raum, in dem riesige Bojen aus Pappmache und einige kleinere dazwischen mit dickem, schwarzen Garn verbunden sind, das wiederum von dünnem Kupferdraht durchzogen ist. Ein Rauschen ertönt in unseren Ohren, ein Stimmteppich aus politischen Reden, der immer wieder von einzelnen Sätzen laut durchbrochen wird, je nach dem wa wir uns nähern. Entkörperte Stimmen, austauschbare Narrative, die so sehr nach Nichts und so sehr nach Machtanspruch klingen. Die übergroßen Bojen wirken eher bedrohlich als rettend, nur gut, dass sie aus Pappmaché sind. Im hinteren Raum zielt die taiwanische Künstlerin Ting-Jung Chen auf unsere Sinne ab: Sound, Strobo, Dunkelheit. Eine Überforderung, die wie eine Reinigung fürs Gehirn wirkt, um nüchtern durch das Meer der Ideologien und der Poesie zu navigieren, ohne sich an falsche Bojen zu klammern.

  • DAAD Galerie Oranienstr. 161, Kreuzberg, Di–So 12–19 Uhr, bis 4.5.
  • Performance mit Rabih Beaini und Yi-Wei Tien: 3.5., 18 Uhr/ 4.5., 14 Uhr

Vaginal Davis: „Fabelhaftes Produkt“ im Gropiusbau

Vaginal Davis, „The Carla DuPlantier Cinerama Dome“, Installationsansicht, Vaginal Davis: Fabelhaftes Produkt, Gropius Bau, 2025. © Gropius Bau, Foto: Frank Sperling

Wenn „Alles“ ein Mensch wäre, dann wäre es Vaginal Davis. Schwarz, schwul, Drag und Punk, Bildende Künstlerin und Musikerin, Autorin und Lehrende, und vieles mehr, was schon ist und folgen wird. Der Gropiusbau widmet der facettenreichen Künstler- und Kunstperson eine Restrospektive, die den Bogen von ihrer ersten Kinderausstellung in einer Bibliothek bis zu einer Video-Installation aus dem Jahr 2024 spannt. Davis, die in Los Angeles geboren und bis zu ihrem Umzug nach Berlin vor 20 Jahren lebte, sprengte durch ihre selbst für die LA-Underground-Szene unkonventionelle Praxis das Verständnis vom vornehmlich weiß dominierten Punk und prägte den Queercore-Punk, machte Filme, die sich mit Critical Whiteness beschäftigten, bevor es diesen Begriff gab und verwerte so ziemlich alles von Sex bis Hollywood, von Punk bis Politik in ihrer Werken. Diese wird Besucher:innen in sieben raumfüllenden Installationen präsentiert. Ein Reigen aus Farben und Sounds, Bildern, Zines und Gedanken, verbunden durch Davis' Humor und eindrückliche Kreativitätslust. Künstlerisch gewiss eigensinnig. Doch hier geht es weniger um hohe Kunst als eher um Alles.

  • Gropiusbau Niederkirchnerstr. 7, Kreuzberg, Mo–Fr 12-19 Uhr/Di geschl./ Sa+So 10–19 Uhr, 9/6 €, bis 14.9.

Aslan Goisum : „Suspect“ im Kindl-Zentrum

Aslan Goisum, „Suspect“, Ausstellungsansicht KINDL, 2025. © Aslan Goisum/ Foto: Julian Blum

Von Aslan Goisum sind in Berlin bisher vor allem Videos bekannt, wie das von den vielen Menschen, die sich auf einem nassen Acker in ein postkommunistisch anmutendes Auto quetschen. Oder jene hauchdünnen Glaskaraffen, die er von Profis nach traditionell kaukasischem Vorbild fertigen ließ. Doch der in Grozny geborene, in Amsterdam ausgebildete und in Berlin lebende Künstler ist gedanklich längst anderswo, wie seine erste institutionelle Einzelausstellung in Deutschland zeigt. Unter dem Titel „Suspect“ hat Goisum eine Etage des Kindl-Zentrums so beklemmend sparsam eingerichtet, dass schnell klar wird: Hier widerspricht jemand Autoritarismus, indem er sich einer gegenteiligen Bildsprache bedient. Goisum versucht nicht zu überwältigen. Von Gewalt zeugen seine Arbeiten trotzdem, allen voran die Schwarz-Weiß-Fotos und seine Stahleinfassung eines Durchgangs. Mit diesen Bildern noch im Kopf scheint beim Betrachten seiner Leuchtschrift und eines zarten 16mm-Film der Boden zu schwanken.

  • Kindl-Zentrum Am Sudhaus 3, Neukölln,Mi 12–20, Do–So 12–18, 21.4. + 9.6. geschl., 10/ 7/ 4 €, bis 18 J. + 1. So/ Monat frei, www.kindl-berlin.de, bis 27.7.
  • Künstlergespräch (auf Engl.): 14.5., 19 Uhr

„Psychonauten: John Bock und Heiner Franzen“ in der Berlinischen Galerie

John Bock, COWWIDINOK, 2015, Videostill, © John Bock

John Bock ist einer der prägendsten Künstler des Nachwende-Berlins. Dass er von der Großgalerie Sprüth Magers vertreten wird, ist dabei weniger wichtig, als es die Temporäre Kunsthalle am Schloßplatz war. Hier zeigte Bock 2010, wie er als Filmemacher, Filmanalytiker, Autor, Dichter, Kurator und Kulissenbauer zugleich wirken kann. Sein „FischGrätenMelkStand“ war eine Modellstadt aus Alltagsmaterialien, gebaut auf vier Etagen eines Baustellengerüsts, auf denen sich Film, Musik, Kunst und Architektur zu einem Gesamtkunstwerk fügten. Das animierte nebenbei dazu, Sergio Leones „Spiel mir das Lied vom Tod“ zuhause erneut komplett anzusehen, mit der Musik von Ennio Morricone ganz laut. Von solch anregender Wirkung ist die Präsentation, die Bock gemeinsam mit seinem Kollegen Heiner Franzen in der Berlinischen Galerie zeigt, weit entfernt. Zwar wird auch in dieser sparsam bestückten Doppelschau die Faszination beider Künstler für das Medium Film ebenso deutlich wie ihre Lust an verfremdenden Kinozitaten. Doch die kleine Schau ist so lieblos anmoderiert, so müde machend eingerichtet, dass es sich kaum lohnt, extra deswegen zu kommen. Doch wer sowieso in der Berlinischen Galerie ist, etwa um sich Käthe Kruses große Einzelschau anzusehen, sollte sich ein Viertelstündchen hier gönnen.

  • Berlinische Galerie Alte Jakobstr. 124–128, Kreuzberg, Mi–Mo 10–18 Uhr, Hausticket: 10/6 €, bis 18 J. + Geflüchtete frei, bis 11.8.

„Caught in a Landslide“ im Neuen Berliner Kunstverein

Kristina Paustian, Children from Eforie, 2025, Videostill © Kristina Paustian

Seit sich die Jahresausstellungen der Senatsstipendiat:innen auf zwei Kunsthäuser verteilen, haben alle etwas davon: die Teilnehmenden mehr Platz und die Besuchende mehr Gelegenheit, sich zu konzentrieren. Bei der aktuellen Präsentation fällt das besonders auf: im Neuen Berliner Kunstverein, wo sechs von 15 Geförderten Einblick in ihre aktuelle Arbeit geben. So konnte Jasmin Werner hier ihre Regale aufbauen, in denen in Asien gefertigte Mobiltelefon-Attrappen stehen. Das lässt geradezu körperlich die Frage spüren, was Menschen wohl denken, die in Klickfarmen arbeiten und das Verhalten von User:innen manipulieren sollen. Und Kristina Paustians Videoinstallation „Children from Eforie“ hat das ruhige Eck, das es braucht, um die von ihr gefilmte Freude nachzuvollziehen. Paustians nahm schwer kranke Kinder und Jugendliche auf, die mit Hilfe von Pflegekräften einen Tag am Schwarzen Meer genießen (Abb.). Das ist gut, das erfüllt und reicht so zunächst. Der andere Teil der Ausstellung steht im Kindl-Zentrum, und dorthin kommen wir auch noch. 

  • n.b.k. (Neuer Berliner Kunstverein) Chausseestr. 128/ 129, Mitte, Di–So 12–18 Uhr, Do 12–20 Uhr, www.nbk.org, bis 4.5., Finissage-Wochenende Fr, 3.5., 20 Uhr, Sa 4.5., 14-16 Uhr
  • Kind-Zentrum für zeitgenössische Kunst Am Sudhaus 3, Neukölln, Mi 12–20, Do–So 12–18 Uhr, 7/4 €, bis 18 J. + 1. So im Monat frei, www.kindl-berlin.de, bis 6.7., Finissage-Wochenende, Sa 5.7., 15, 17 +18 Uhr

Käthe Kruse: „Jetzt ist alles gut“ in der Berlinischen Galerie

Käthe Kruse, In Leder, 2013, © VG Bild-Kunst, Bonn 2025, Foto: Jens Ziehe

Zu seinem 50-jährigen Bestehen gönnt sich das Landesmuseum Berlinische Galerie die Ausstellung einer Künstlerin, deren Werk längst dorthin gehört: Käthe Kruse, Künstlerin und im West- und Wende-Berlin Mitglied der Band Die Tödliche Doris. Ihre Schau „Jetzt ist alles gut“ ist klar nach Werkgruppen gegliedert. Sie reicht von Filmen mit Auftritten von Die Tödliche Doris und Kruses performativer Lesung von deren Auflösungsvertrag bis zu geschneiderten Kostümen vor Tapeten, die die Haupthalle des Museums in ein neues Gewand kleiden. Und deutlich wird auf dm Parcours, der klug um Begleitmaterial und Zeitdokumente ergänzt wurde: Käthe Kruse brilliert in Schrift-, Textil- und zeitbasierter Kunst. Mit Malerei dagegen fremdelt sie. Ihre Farbtafeln bestehen daher aus Nähgarn. Und mit Ölfarbe hat sie Schallplatten bestrichen. Deren Titel lautet so, wie diese nun sind, nämlich „Unhörbar“.

  • Berlinische Galerie Alte Jakobstr. 124–128, Kreuzberg, Mi–Mo 10–18 Uhr, 10/6 €, bis 18 J. + Geflüchtete frei, www.berlinischegalerie.de, bis 16.6.
  • Performances: 8.5., 16 Uhr („3927 Wörter“) + 22.5., 18 Uhr („Krieg“)

„Once We Were Trees, Now We Are Birds“ in der ifa-galerie

"Once We Were Trees Now We Are Birds", ifa-Galerie Berlin, Ausstellungsansicht. Foto: Victoria Tomaschk

Dies hier ist etwas ganz anderes. Die dem Institut für Auslandsbeziehungen angeschlossene Martin-Roth-Initiative zeigt Arbeiten von 50 Kunstschaffenden. Sie kommen aus Montenegro, der Ukraine, Russland und der Türkei, aus Asien, Afrika, Mittel- und Südamerika. Mit Stipendien der Roth-Initiative haben sie in Deutschland Schutz vor Verfolgung, Verhaftung und womöglich Tod gefunden. Sie zeigen Fotos, Zeichnungen, Collagen, Texte und Aufnahmen von Performances. Sie thematisieren den Verlust von Heimat, Gründe für die Emigration sowie Alltag und Gefühle im Exil, Niedergeschlagenheit genauso wie Hoffnung. Faieqa Sultani zum Beispiel collagierte eine selbstbewusste schwangere Frau, die unter ihrer Burka nackt ist und in ihrem Bauch gut sichtbar ein vergnügtes Baby trägt. Und ganz besonders: Die Werke hängen nicht als Originale hier, sondern als gute Reproduktionen auf schicken Stellwänden. Und im Nebenraum liegen sie in Regalen zum Mitnehmen bereit. So können sich die Bilder und Wörter zum Exil leicht in der Stadt verbreiten. Bravo.


„Musafiri“ im Haus der Kulturen der Welt

Diane Severin Nguyen, IF REVOLUTION IS A SICKNESS, (2021), video still. Courtesy Diane Severin Nguyen
Diane Severin Nguyen, IF REVOLUTION IS A SICKNESS, (2021), video still. Courtesy Diane Severin Nguyen

Es gibt Menschen, die fliehen vor dem Winter in Berlin in wärmere Gefilde, und es gibt Menschen, die fliehen vor der Gewalt in ihrem Heimatland in sichere Gefilde. Die einen wollen, die anderen müssen sich auf Reise begeben. Wer willkommen oder wer gefürchtet ist, wer nach Hause zurückkehren kann oder sich ein neues Zuhause suchen muss, wird zu einer persönlichen wie politischen Angelegenheit. Reisen ist ein weites Feld, auf dem Fernweh und Vertreibung ebenso wachsen wie Erkundungsdrang und Sklavenhandel. Auf künstlerische Feldforschung führt die Ausstellung „Musafiri: Von Reisenden und Gästen“ im Haus der Kulturen der Welt (HKW). „Musafiri“ bedeutet in vielen Sprachen „Reisender“, teilweise auch „Gast“. Über 40 Künstler:innen mit Perspektiven, die von den USA bis nach Kasachstan reichen, bespielen in einer Art Parcour das Haus mit Werken zu Arbeitsmigration und Flucht, Kolonisation und nicht-europäischen Entdeckern. Erneut eine weitläufige und ambitionierte Schau, mit vielen sehr lauten und einigen sehr leisen Werken, die es gerade im Hauptraum nicht einfach haben, sich zu behaupten und durchzudringen. Da uns viele Symbole und Geschichten nicht vertraut sind, ist ein Blick in den dazugehörigen Reader unbedingt empfohlen.

  • HKW John-Foster-Dulles-Allee 10, Tiergarten, Mi–Mo 12–19 Uhr, 8/ 6 €, bis 18 J. frei, hkw.de, bis 16.6.

„Berliner Realistinnen“ im Haus am Lützowplatz

Foto: Natalia Carstens
Ausstellungsansicht „Berliner Realistinnen“, Haus am Lützowplatz, 2025, Foto: Natalia Carstens

Der Förderkreis des Hauses am Lützowplatz ist 65 Jahre alt geworden und feiert das mit der Ausstellung „Berliner Realistinnen“. Sie hat auch ein historisches Kapitel, das die Gründungsgeschichte des Kunsthauses aufrollt, inklusive des Engagements des damaligen Regierenden Bürgermeisters Willy Brandt. Im Mittelpunkt dieses Abschnittes steht jedoch die Enteignung der Familie Fürstenberg, der das Haus noch zu Beginn der nationalsozialistischen Diktatur gehörte, und ihre Entschädigung in den 1960er Jahren. Die Abteilung mit Gegenwartskunst dagegen, eine Kooperation mit der Initiative „fair share! Sichtbarkeit für Künstlerinnen“, stellt mehr oder weniger realistische Arbeiten von 28 weiblich gelesenen Kunstschaffenden vor – eine Retourkutsche auf eine Realismus-Ausstellung 1971, an der 27 Künstler und nur eine Künstlerin teilnahmen. Am stärksten in diesen Räumen sind die Skulpturen und Plastiken, allen voran Birgit Diekers „Matrone“ (2018), eine fragile Würdigung des Alters aus Miederkorsagen und Gehstöcken.

  • Haus am Lützowplatz Lützowplatz 9, Tiergarten, Di-So 11-18 Uhr, hal-berlin.de, bis 9.6.

Juan Pablo Macías: „Tiempo Muerto“ in der Galerie im Körnerpark

© Ira Kneeland / Juan Pablo Macías
Juan Pablo Macías ist mit einer Einzelausstellung in der Galerie im Körnerpark zu sehen. Foto: Ira Kneeland / Juan Pablo Macías

Wir sollten uns daran gewöhnen, dass sich alte Gewissheiten und etablierte Weltordnungen auflösen werden, schreiben Menschen aus Politik und Sozialwissenschaft. Vielleicht sollten wir uns in diesem Zug der ollen Herrschaftssystemen ganz entledigen und es mal mit Anarchie versuchen? Reichlich Inspiration und ernsthafte Denkerzeugnisse liefert uns Juan Pablo Macías in seiner Einzelausstellung „Tiempo Muerto“ in der Galerie im Körnerpark. Der mexikanische Künstler, in Italien lebend, ist tief geprägt von den Ideen des französischen Anarchisten Pierre-Joseph Proudhon und anderer europäischer Denker, die eine herrschaftsfreie Gesellschaft von Menschen in Freiheit, Gleichheit und Selbstorganisation anstrebten. Diese bringt er zusammen mit Wissen und Praktiken indigener Völker zusammen. In der von ihm seit 2010 herausgegebenen Zeitschrift „Tiempo Muerto“ vereinen sich Diskurse und Kunstpraktiken, werden Themen wie Privateigentum oder wie in der aktuellen Ausgabe für die Ausstellung das Heidentum aus anarchistischer Perspektive betrachtet. Neben den bisher erschienenen Ausgaben sind in der Galerie Videoarbeiten zu sehen. Sie zeigen Gespräche und Performances an verschiedenen Orten in der Welt, die von Praktiken und Ritualen der Gemeinschaft handeln. Macías Ansatz, anarchistische Ideen, Kunstpraxis und Institution zusammenzubringen, geht über die oft anzutreffende bloße Illustration und Dokumentation  hinaus und weckt großen Spaß am Lesen, Zuhören und Nachdenken über heutige Herausforderungen.

  • Galerie im Körnerpark Schierker Str. 8, Neukölln, Mo-So 10-20 Uhr, galerie-im-koernerpark.de, bis 11.6., Gespräch mit Juan Pablo Macías: Sa, 3.5., 15 Uhr, Finissage mit Lesekreis: Mi, 11.6., 17 Uhr

„Radical Beauty“ im fhochdrei – Freiraum für Fotografie

credit:© Erwin Olaf, aus der Serie A Mind Of Their Own
Foto: Erwin Olaf, aus der Serie A Mind Of Their Own

Im globalen Kult um das makellose Instagram-Filter-Gesicht und Workout-gestählte Leiber, werden Körper jenseits der (Un-)Norm am Rand platziert, bekommen dort unter dem Label “Body Positivity” etwas Akzeptanz und Anerkennung zugesprochen. Menschen mit Behinderungen finden noch seltener in der Kunst- und Modewelt statt. Mit dem Projekt „Radical Beauty“ macht das britische Kollektiv Culture Device, bestehend aus Down-Syndrom-Performer:innen, unter der der künstlerischen Leitung von Daniel Vais die Vielfalt und Kreativität von Menschen mit Down-Syndrom sichtbar und fordert unser festgezurrtes Verständnis von der Schönheit eines Menschen heraus. Für das Fotoprojekt sind über 60 internationale Fotograf:innen aus der Mode- und Kunstwelt, darunter Elizaveta Porodina, Zuzu Valla und Erwin Olaf, mit ihren Modellen ins Studio gegangen und haben Einzelbilder oder Serien augenommen: mal kunsthistorisch anmutend, mal queer-knallbunt, mal zart-minimalistisch oder high-fashion. Eine Feier der unbegrenzten Schönheit.

  • f³ – Freiraum für Fotografie Waldemarstr. 17, Kreuzberg, Mi–So 13–19 Uhr, 6/4 €, fhochdrei.org, bis 25.5., Rundgang mit den Blinden Reporter:innen: 18.5., 11 Uhr, Führung & Drinks: 21.5, 19 Uhr

Isabella Benshimol Toro: „The Phantom of Liberty“ in Les Vitrines des Institut français

Ausstellungsansicht von Isabella Benshimol Toro: „The Phantom of Liberty“ in Les Vitrines des Institut français, 2025. Foto: Luca Girardini

Ein zusammengerollter Tanga liegt auf einem Stapel weißer Papierblätter neben einer Bürolampe. Auch auf der Chaiselongue daneben liegt Unterwäsche. Handtücher, Kleidungsstücke, wie gerade benutzt und im Arbeitszimmer oder Bad fallengelassen, liegen im langen Schaufenster des Institut français verteilt. Schauen wir genauer hin, sehen wir die Objekte in einer festen Flüssigkeit. Wie festgewordene Augenblicke fremder Intimität, die sich so eigentlich hinter zugezogenen und nicht offenen Fenstern ereignen. Isabella Benshimol Toro, eine venezolanische Künstlerin aus London, bring privates in eine Fensterfront auf dem Ku'damm, wo sich sonst perfekt inszenierte Luxusobjekte hinter den großen Glasscheiben der Boutiquen präsentieren. Die Installation in dem „Les Vitrines“ genannten Ausstellungsraum des französischen Kulturinstituts umfasst neben den Objekten in Epoxidharz auch Fotografien und führt uns auf das dünne Eis zwischen Lust am Voyeurismus und geprägten Konventionen.

  • Institut français Kurfürstendamm 211, Charlottenburg, bis 20.6.

„Kosmos Blauer Reiter. Von Kandinsky bis Campendonk“ im Kupferstichkabinett

Franz Marc: „Ruhende Pferde“, 1912. Foto: © Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett / Dietmar Katz

Ein paar Männer und Frauen legten zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Grundsteine für Kunst, wie wir sie heute kennen: frei und subjektiv. Der Deutsche Franz Marc und der Russe Wassily Kandinsky gründeten 1911 in München die Gruppe „Der Blaue Reiter“, machten Ausstellungen und publizierten einen Almanach und brachten damit den Lauf der westlichen Kunstgeschichte auf einen neuen Kurs. Sie wandten sich von der naturalistischen Darstellung der Dinge ab, hin zu der inneren Empfindung, dem inneren Erleben. Während Marc das Wesen der Tiere suchte, löste Kandinsky Form und Farbe radikal vom Gegenständlichen auf der Suche nach einem Ausdruck des Geistigen. Damit beschritten sie den Weg zum Expressionismus und beeinflussten folgende Entwicklungen der modernen Kunst. Die Ausstellung „Kosmos Blauer Reiter. Von Kandinsky bis Campendonk“ erzählt in sieben Kapiteln die Geschichte dieser Gruppe zu deren engerem und weiteren Umkreis Künstler:innen wie etwa August Macke, Heinrich Campendonk, Else Lasker-Schüler gehörten. Dabei zeigt die Schau eindrücklich, wie teils unterschiedlich die jeweiligen Künstler:innen die Ideen des Blauen Reiter in ihrer eigenen Praxis verstanden. Mit wunderbar zarten Zeichnungen und stürmischen Graphiken, dramatisch schwarz-weiß oder farbprächtig koloriert, gibt diese Schau einen Einblick in die Kunst der Blauen Reiter jenseits der bekannten, farbprächtigen Bilder. Dafür empfehlen wir unbedingt einen Ausflug ins Museum Barberini in Potsdam, das dank eines kosmischen Zufalls aktuell die großartige und hochkarätige Ausstellung „Kosmos Kandinsky“ zeigt.

  • Kupferstichkabinett Matthäikirchplatz, Tiergarten, Mi–Fr 10–17 Uhr/ Sa–So 11–18 Uhr, 8/4 €, bis 16.6.

„Was zwischen uns steht“ in der Akademie der Künste

Blick in die Ausstellung „Was zwischen uns steht“ in der Akademie der Künste, an der Wand Fotografien und Fotocollagen von Pınar Öğrenci© Kulturprojekte Berlin, Foto: Justus Lemm

Die zentrale Ausstellung des Europäischen Monats der Fotografie 2025 ist eine Wucht! „Was zwischen uns steht“ in der Akademie der Künste zeigt, was Fotografie alles kann: in Collagen, Porträts, Textarbeiten, Stadt- und Landschaftsaufnahmen, Kontaktabzügen, Animationen, subjektiven Autor:innenfotos, gestellten Aufnahmen und klassischen Reportagefotos. Die Themen der Künstler:innen, von John Heartfield über Boris Mikhailov bis Ilit Azoulay und Pınar Öğrenci (Abb.) – benennen klar, was Gesellschaften spaltet, unter anderem Einkommen, Arbeit(slosigkeit), Ausbildung, Wohnort, Herkunft, Elternhaus und – wie in Israel und Gaza – Krieg. Aber die Ausstellung findet im Medium Fotografie das perfekte Mittel, um das, was „uns“ trennt, zu überwinden. Thematisch stimmig, luftig und abwechslungsreich zusammengestellt von Festivalleiterin Maren Lübbke-Tidow – und mit glasklarem Sound bei den Arbeiten mit Klang.

  • Akademie der Künste Hanseatenweg 10, Tiergarten, Di–Fr 14–19, Sa + So 11–19 Uhr, 10/7 €, bis 18 J. + Di frei, www.adk.de, bis 4.5.

„Ein Dorf. 1950–2022“ von Ludwig Schirmer, Ute Mahler und Werner Mahler in der Akademie der Künste

Ludwig Schirmer, aus Ein Dorf, 1950–1960. Foto: © Ludwig Schirmer/OSTKREUZ

Kinder, Pferde, Fahrräder und Schweine gehörten einmal ganz selbstverständlich zum Alltag des thüringischen Dorfes Berka. So hielt es Ludwig Schirmer in den Nachkriegsjahren fest. Als sein Schwiegersohn Werner Mahler das Dorf fotografierte, waren die Pferde schon weitgehend verschwunden. Und als seine Tochter Ute Mahler, wie Werner Mahler Mitbegründerin der renommierten Berliner Ostkreuz-Fotoagentur, Anfang der 2020er-Jahre diese längste Fotochronik eines deutschen Dorfes in die Gegenwart verlängerte, sind auch die Kinder, Fahrräder und Schweine fort. Wer sich fragt, warum sich Bewohnende ländlicher Regionen trotz technischen Fortschritts (SUV! Haustechnik!) abgehängt fühlen, findet in dieser Ausstellung des Europäischen Monats der Fotografie Antworten. Sie ist klug gehängt, sparsam inszeniert und umso eindrucksvoller.

  • Akademie der Künste Hanseatenweg 10, Tiergarten, Di–Fr 14–19, Sa + So 11–19 Uhr, 10/7 €, bis 18 J. + Di frei, www.adk.de, bis 4.5.

„Sung Tieu – 1992, 2025“ in den Kunst-Werken 

Installationsansicht der Ausstellung Preis für künstlerische Forschung der Schering Stiftung 2024: Sung Tieu – 1992, 2025 in den KW Institute for Contemporary Art, Berlin 2025. Courtesy die Künstlerin, Foto: Frank Sperling

Gleich vier Schauen haben in der Kunst-Werken (KW) Mitte Februar unter der neuen Leitung von Emma Enderby aus London eröffnet. Enderby setzt auf Klang. Kompositionen tragen die  Ausstellungen von Jessica Ekomane und Milos Trakilovic, und auch bei Matt Copson im Erdgeschoss spielt er eine Rolle. Zurückhaltender setzt ihn Sung Tieu ein, die auf zwei Etagen ihre Ausstellung zum Preis für künstlerische Forschung der Schering Stiftung 2024 zeigt.  „1992, 2025“, so der Titel, geht unter die Haut. Nachdem Tieu lang die Situation von Vertragsarbeitenden in der DDR thematisierte, widmet sie sich nun der prekären, rechtslosen Situation der entlassen Arbeitsmigrant:innen nach der deutschen Vereinigung. Und sie setzt eine bessere Stellung für deren Nachfahren direkt in die Tat um. Muss man sehen: hängt als in Metall gravierter Vertrag an der Wand.

  • KW Berlin Auguststr. 69, Mitte, Mi–Mo 11­–19 Uhr, Do 11–21 Uhr, 10/ 6 €, bis 18 J. + Do ab 18 Uhr frei, Website, bis 4.5.

Laure Prouvost: „WE FELT A STAR DYING“ bei LAS im Kraftwerk Berlin

Laure Prouvost, WE FELT A STAR DYING 2025. Installationsansicht im Kraftwerk, Berlin. In Auftrag gegeben von LAS Art Foundation, gemeinsam mit OGR Torino. © 2025 Laure Prouvost. Foto: Andrea Rossetti

In diesem Jahr wird die Quantenphysik 100 Jahre alt. Irgendwie hat wohl jeder schon mal was von Quanten gehört, aber wirklich verstehen, was es damit auf sich hat, tun die wenigsten von uns. Laure Prouvost, französische Filmemacherin und Künstlerin, hat sich hineinbegeben in das Mysterium, zwei Jahre mit einem Quantencomputer gearbeitet, mit Philosophen und Forschern gesprochen. Herausgekommen ist sie mit einem großartigen Kunstwerk, das die obere Etage des Kraftswerks bespielt. Die multimediale Installation aus Sound und Video, Stoff und Erde kommt überraschend organisch daher. Obwohl, so überraschend ist das nicht.

Denn Quanten sind Realität und Dimension, Materie und Magie, im Quantencomputer ebenso wie in Erde. Eine Arbeit, die alle Sinne anspricht anstatt mit Erkenntnissen zu überfordern. Prouvost findet eine Form, das Komplexe und Komplizierte erfahrbar zu machen, wo bei diesem Thema die Versuchung zu einer kopflastigen, schwer zugänglichen Arbeit groß ist. Dabei sind die imposanten Räumen des ehemaligen Heizkraftwerks ein kongenialer Partner. Mit der Auftragsarbeit für LAS eröffnet die Künstlerin das Programm Sensing Quantum der LAS Foundation, das in den kommenden Jahren mit einer Sound-Lab-Reihe sowie mit weitere Installationen und Symposium aufwarten wird. Zur Ausstellung gibt es ein umfangreiches Programm mit Führungen, Workshops und Talks. Wir haben mit der Künstlerin Laure Prouvost über ihre Ausstellung und Quantenphysik gesprochen.

  • Kraftwerk Köpenicker Str. 79, Di–Fr 15–21, Sa+Sa 12–20, Kreuzberg, bis 4.5., Infos zum Programm und eintrittsfreien Donnerstagen hier

Der Neuköllner Kunstpreis in der Galerie im Saalbau

Foto: Gloria Jurado
Asako Shiroki in ihrer Installation „Evergreen”, Galerie im Saalbau 2025, Foto: Gloria Jurado

Die Verleihung des Neuköllner Kunstpreises gehört zu den Höhepunkten im Ausstellungsjahr des Bezirks. Gewonnen haben die mit insgesamt 6.000 Euro dotierte Auszeichnung 2025 Asako Shiroki, Ida Lawrence und Rita Adib, die gemeinsam mit den weiteren Kandidat:innen nun in der Galerie im Saalbau direkt am U-Bahnhof Karl-Marx-Straße ausstellen. Und ja, die Arbeiten der Preisträgerinnen wirken stimmig. Asako Shiroki (Foto) hat eine feine, zurückhaltende Installation aufgebaut, in der sie zu Wasser destillierte Nadeln von Kiefern, wie es heißt, aus Südkorea und Japan präsentiert. Ida Lawrence zeigt ein großes Gemälde: Es handelt vom Zutrittsverbot für Hunde zu Ladengeschäften. Rita Adib hat die Fenster der Galerie auf Arabisch, Deutsch und Englisch beschriftet: mit einem sich wiederholenden Satz. Er bezeichnet Fürsorge als politische Handlung und Politik als Fürsorge. Doch die Präsentation selbst überzeugt nicht so recht. Eine Arbeit pro Künstler:in, in den kleinen Räumen halbwegs passend nebeneinandergestellt, macht die Entscheidung einer Jury noch nicht nachvollziehbar.

  • Galerie im Saalbau Karl-Marx-Str. 141, Neukölln, Mo–So 10–20 Uhr, galerie-im-saalbau.de, bis 11.5.

„Das offene Depot“ des Werkbundarchivs

Museum der Dinge, Leipziger Straße: Blick in das Kabinett, Foto: JF
Blick in das Kabinett Werkbundarchiv – Museum der Dinge, Leipziger Straße, Foto: JF

Die neue Dauerschau an neuer Adresse: Mit seinem Umzug aus einem Kreuzberger Gründerzeithof in einen Gebäuderiegel an der Leipziger Straße hat das Werkbundarchiv – Museum der Dinge seine Dauerausstellung grundlegend modernisiert. Seit diesem Winter lässt sich „Das offene Depot“ durchstreifen, mit seinen Objekten der Produkt- und Gestaltungskultur des 20. und 21. Jahrhunderts in Deutschland. Stühle, Teekannen, Isolatoren, Fernseher und mehr finden sich nicht chronologisch oder nach Ost und West geordnet, sondern nach Kriterien wie „Material“ und „Form“. In den deckenhohen, weißen Vitrinen haben auch die Versuche der historischen Gestalter-Vereinigung „Werkbund“ Platz, die Bevölkerung zu mehr Geschmack zu erziehen. Den alten Kriterien stellt das Museumsteam heutige Maßstäbe für Design wie Umweltfreundlichkeit und faire Produktionsbedingungen gegenüber. Wechselausstellungen und „Objekt-Bühnen“ zu Themen wie Diskriminierung durch Design runden die gelungene Präsentation ab.

  • Werkbundarchiv – Museum der Dinge  Leipziger Str. 54, Mitte, Do–Mo 12–19 Uhr, 6/4 €, Museumderdinge.de, bis auf Weiteres, aktuelle Objekt-Bühne: bis 16.6.

„A World In Common“ in der C/O Berlin

Kiripi Katembo, Evolution, 2008–2013, aus der Serie„Un regard“ © Fondation Kiripi Katembo Siku. Courtesy MAGNIN-A Gallery, Paris

Wem der Berliner Winter so richtig aufs Gemüt schlägt, also 99,9 Prozent von uns, muss zur Licht- und Farbkur in die C/O Berlin. „ A World In Common“ heißt die aktuelle Ausstellung und präsentiert wichtige Stimmen zeitgenössischer Fotografie aus Afrika und der afrikanischen Diaspora. Die Schau ist in mehrere Themenfelder aufgeteilt: kulturelles Erbe, Spiritualität, Selbstrepräsentation und Klimagerechtigkeit. Volle Präsenz zeigen die Porträtierten in den farbstark inszenierten Aufnahmen von etwa Atong Atem oder Hassan Hajjaj. Viel Vergangenheit, ob Projekten, bei denen Künstler:innen mit altem Archivmaterial arbeiteten oder in Rückbesinnungen auf vorkoloniale Zeiten – das kann zuweilen etwas stereotyp daherkommen. Überzeugend wird die Schau immer da, wo die Werke als Zuschreibungen und Kontexte hinter sich lassen wie bei den Aufnahmen von Kiripi Katembo, der in den fotografierten Pfützen die kongolesische Hauptstadt Kinshasa und die dort lebenden Menschen spiegelt. Verfremdete, gar traumartige Bilder, die wortwörtlich eine andere Perspektive anbieten auf eine durch mediale Bilder vermittelte Realität afrikanischen Lebens.

Nicht verpassen sollte man auch die Ausstellung von Sam Youkilis im Stockwerk obendrüber. Auf mehreren Bildschirmen laufen Videoaufnahmen des New Yorker Fotografen und Filmemachers, die er mal bei seinen morgendlichen Blick aus dem Fenster oder beim Flanieren durch die Gegend aufnahmen, alles an verschiedenen Orten. Eine stimmungsvolle Installation aus Instagram-Stories, die einen in die Ferne mitnimmt.

  • C/O Berlin Hardenbergstr. 22–24, Charlottenburg, tgl. 11–20 Uhr, 12/6 €, bis 7.5.

Kilian Breier: „Abstrakt Konkret – Material Licht und Form“ in der Alfred Ehrhardt Stiftung

Kilian Breier, Ohne Titel (Holz), 1956. Foto: © Nachlass Kilian Breier, Hamburg/VG BildKunst, Bonn

Bäume und Pflanzen bildeten den Ausgangspunkt für die Fotografie des 2011 gestorbenen Künstlers Kilian Breier (Foto rechts). Doch das Ziel des in Hamburg lehrenden Fotografen waren Aufnahmen, die ohne Kamera, nur mit Licht und Chemie in der Dunkelkammer entstehen: konkrete Fotografie und abstrakte Fotografie. Die Alfred Erhardt Stiftung zeigt 50 Arbeiten von Breier aus 30 Jahren.

  • Alfred Ehrhardt Stiftung Auguststr. 75, Mitte, Di–So 11–18 Uhr, bis 11.5.

„Young Birds from Strange Mountains – Queere Kunst aus Südostasien und seiner Diaspora“ im Schwulen Museum

Suriya Sam Khuth, „Dream Messenger”, fotografiertes Mixed Media-Object, Courtesy: the artist

Ein ehrgeiziger Ansatz: Im Schwulen Museum sollen Arbeiten von 15 Künstler:innen queeres Leben in Ländern Südostasiens und deren Diasporen vorstellen. Doch auch wenn das Museum dafür nur wenig Platz bietet: Über Strecken klappt es. Viel Dokumentarmaterial erleichtert den Einstieg in die Ausstellung „Young Birds from Strange Mountains“ – der Titel ist einem Gedicht des Lyrikers Ngô Xuân Diệu (1916-1985) entlehnt. Und mit Installationen, Zeichnungen, Filmen sowie Gemälden setzt das dreiköpfige Kurator:innenteam einen Schwerpunkt auf Arbeiten, die Emanzipationsbewegungen genauso thematisieren wie die Einbettung von Queerness in Religionen und Traditionen. Das Spektrum reicht von Suriya Sam Khuths zarten Mixed-Media-Bildern (Abb.) über Tamarras Selbstporträts in Trachten und Bewegungen, die verschiedene religiöse Praktiken lebendig halte. Und von heutigen Stoffinstallationen bis zurück zu den filmisch festgehaltenen Erinnerungen eines Mitglieds des Ensembles Wax Follies. Das parodierte im malaysischen Penang westliche Stars wie Cher und Marylin Monroe. Mit der Ausstellung ist ein sympathischer Anfang gemacht.

  • Schwules Museum Lützowstr. 73, Tiergarten, Mo, Mi, Fr 12–18, Do 12–20 Uhr, Sa 14–19, So 14–18 Uhr, 10/ 5 €, www.schwulesmuseum.de, bis 4.8.

„Böse Blumen“ im Museum Sammlung Scharf-Gerstenberg

© Moritz Wehrmann
Moritz Wehrmann, Les Fleurs du Mal (I), 2012, Digital C-Print, Privatbesitz, Berlin, © Moritz Wehrmann

Eigentlich ein tolles Thema. Vor rund 170 Jahren veröffentlichte Charles Baudelaire seinen Lyrikband „Le Fleurs du Mal“ („Die Blumen des Bösen“), löste einen Skandal aus, und seitdem arbeiten sich Künstler daran ab. Baudelaire beschwört Lachen, Rausch und Eros, Krankheit, Verfall und Tod, und er adelt alte, arme Frauen im aufstrebenden bürgerlichen Paris. Gefundenes Futter für Künstler und Künstlerinnen des Symbolismus, DADA und Surrealismus, wie die rund 120 Ausstellungsstücke zeigen, die Direktorin Kyllikki Zacharias und ihr Team zusammengetragen haben. Deutlich wird in den Drucken, Zeichnungen und Gemälden des 19. Jahrhunderts auch, dass diese Baudelaire-Rezeption keinesfalls von einer Emanzipation des dritten und vierten Standes kündete. Das kam später.

Doch obwohl die Surrealist:innen angesichts des europäischen Faschismus sehr politisch wurden, fehlt Politik in der Schau. Stattdessen verfolgt sie die Spur der bösen Blumen bis in die Gegenwart. Und franst auf dem Weg dahin aus. Wunderbare Plastiken wie Oliver Baks „Poppyhead“ (2024), ein Totenschädel mit getrockneten Mohnkapseln, müssen mit Glanzbildchen für Poesiealben konkurrieren und sogar - völlig pietätlos - mit Dokumentarfotos von den Attentaten am 11. September 2001. Das stört auch formal: Es sind zu viele Objekte geworden, als dass sich alle in dem engen Rundgang ohne Spiegelung und Schattenwurf betrachten ließen.

  • Sammlung Scharf-Gerstenberg Schloßstr. 70, Charlottenburg, Mi–So 11­–18 Uhr, 12/ 6 €, bis 18 J. + TLE frei, www.smb.museum, bis 4.5.

„Access Kafka” im Jüdischen Museum

Maria Lassnig, Zwei Arten zu sein (Doppelselbstporträt), 2000. Foto: © Maria Lassnig Foundation

Am Ende des Gedenkjahres zum 100. Todestag von Franz Kafka 2024 hat das Jüdische Museum groß aufgeschlagen: mit „Access Kafka”, „Zugang zu Kafka“. Und tatsächlich schließt die große Sonderschau das Werk des Schriftstellers auf, das nicht leicht zu lesen ist. Denn die “kafkaesken” Inhalte sind ja manchmal schwer auszuhalten: aussichtlose Kämpfe eines Einzelnen gegen die Willkür von Ämtern, Gefängniswärtern und Folterern. Mit Kunst etwa von Hito Steyerl, Maria Lassnig (Abb.) und Trevor Paglen, mit Textausschnitten, mit Tafeln zu historischen Zusammenhängen sowie Manuskripten und Zeichnungen aus Kafkas Hand macht die große Schau Werk und Wirken des Autors anschaulich, in thematischen Kapiteln etwa zu „Körper“ und „Gesetz“. Zu den künstlerischen Höhepunkten zählen Fatoş İrwens filigrane Papierarbeiten, die die kurdische Künstlerin zwischen 2019 und 2022 in politischer Haft schuf, und Yael Bartanas „Mir Zaynen Do!“. In dem neuen Video der Künstlerin treffen in den Ruinen eines Theaters von Sao Paolo ein jüdisch-brasilianischer Chor und ein afro-brasilianisches Musikensemble aufeinander – sound- und bildgewaltig, wie bei Bartana üblich.

  • Jüdisches Museum Lindenstr. 9-14, Kreuzberg, Mo-So 10-18 Uhr, 10/4 €, bis 18 J. frei, bis 4.5.

„Transformation Papier“ im Haus des Papiers

João Freitas, Ohne Titel, Detail, 2024. Foto: Haus des Papiers

Was Papierkunst alles sein kann, zeigt das Haus des Papiers mit beeindruckenden Ausstellungen. neben einer dauerhaften Präsentation von Werken, werden immer wieder neue Sonderschauen gezeigt. Aktuell werden in „Transformation Papier“ die Ergebnisse der „Paper Residency !“-Teilnehmer:innen von 2024 gezeigt. Karolin Schwab, Katja Strunz, Joāo Freitas und Conrad überzeugen mit ihrem experimentellen, überraschenden und schönen Umgang mit dem scheinbar so banalen Werkstoff. Dazu gibt es weitere Werke von Papierkunstschaffenden der Sammlung wie Jorinde Voigt Leiko Ikemura, Leonie und Sheila Furlan.

  • Haus des Papiers Seydelstr. 30, Kreuzberg, Fr–So 10-17 Uhr, Sonderöffnungszeiten: 27. - 29.12.2024 11-15 Uhr, 8,50| 6 €, bis 8.6.

 „Semiha Berksoy: Singing in Full Colour” im Hamburger Bahnhof

© Courtesy der Nachlass Semiha Berksoy und GALERIST
Semiha Berksoy © Courtesy der Nachlass Semiha Berksoy und GALERIST

Semiha Berksoy machte sich die Welt, wie sie ihr gefiel: Die 1920 in der Türkei geborene Opernsängerin wurde mit weltweiten Gastrauftritten als flamboyante Diva berühmt. In den 30er-Jahren kam sie für ein Studium an die Berliner an der Hochschule für Musik und blieb der Stadt auch nach ihrer Rückkehr an den Bosporus verbunden. In der Mitte ihres Lebens widmete sie sich der Malerei: expressiv farbenfroh und extrem persönlich. Von diesem reichhaltigen Leben der umtriebigen Künstlerin erzählt die Retrospektive „Singing in Full Colour- Singen in voller Farbe" mit Gemälden, Filmausschnitten und Archivmaterial. Die Schau vereint Berksoys musikalisches und malerisches Schaffen in einem ansprechenden Ausstellungsdesign aus Teppichboden und orangefarbenen Stellwänden. Obwohl Berksoys Malerei in ihrer rohen, teils kindlichen Art zwiespältig wirkt, inspiriert das Lebenswerk dieser ausdrucksstarken Künstlerin durch Leidenschaft und Freude an der Kunst.

  • Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart  Invalidenstr. 50/51, Mitte, Di, Mi, Fr 10–10, Do bis 20 Uhr, Sa+So 11–18 Uhr, 16/ 8 €, bis 18 J. + TLE frei, smb.museum, bis 11.5.

„Geschichte(n) Tansanias“ im Humboldt Forum

Foto: Alexander Schippel
© Nicholas Calvin Mwakatobe/ Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss / Szenografie: APC Architectural Pioneering Consultants / Studio Gründer Kirfel, Foto: Alexander Schippel

Sie ist fertig: die lang angekündigte Ausstellung, die Teams des deutschen Humboldt Forums und des Nationalmuseums Tansania, die Kurator:innen aus Dar es Salaam, Songea und Berlin gemeinsam erarbeitet haben. In zwei Räumen des Humboldt Forums berichtet sie exemplarisch von geraubten Kulturgütern, die während der Kolonialzeit aus dem damaligen Deutsch-Ostafrika in hiesige Museen verbracht wurden, Waffen und Schmuck etwa, eine Pfeife, ein „Medizinbeutel“. In Texten und Kurzfilmen kommentieren Expert:innen, Vertreter:innen von Communities und Nachfahren der Beraubten Verwendung und Geschichte der Objekte sowie den Rückgabeprozess – teils wissenschaftlich nüchtern, teils milde diplomatisch, teils wütend. Animierte Grafiken zu Handel und Geopolitik, Lese- und Fotostationen, zeitgenössische Kunst sowie ein Ausstellungdesign aus Holz und Bambus halten die aufschlussreichen Statements zusammen. Doch erst die tatsächliche Rückgabe der Objekte und eine Fortsetzung der Zusammenarbeit entscheiden über die Qualität dieser Ausstellung.

  • Humboldt Forum Schloßplatz 1, Mitte, Mi–Mo 10–30–18.30 Uhr, Eintritt frei, www.humboldtforum.org, bis 24.11.

„Wertewirtschaft“ von Andrea Pichl im Hamburger Bahnhof

„Andrea Pichl. Wertewirtschaft“, Ausstellungsansicht Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart, 8.11. – 4.5.2024 © Andrea Pichl / VG Bild-Kunst, Bonn 2024 / Nationalgalerie – Staatliche Museen zu Berlin / Jacopo La Forgia
„Andrea Pichl. Wertewirtschaft“ im Hamburger Bahnhof. Foto: @Jacopo La Forgia

Kosten und Wertschöpfung der deutschen Vereinigung sind das Thema der Solo-Ausstellung, die die Berliner Künstlerin Andrea Pichl im Hamburger Bahnhof zeigt. Die Schau ist etwas Besonderes, nicht nur, weil Pichl die erste in der DDR geborene Künstlerin ist, die in diesem Haus der Nationalgalerie eine Einzelpräsentarion hat. Sondern auch, weil sie mit ihrer Kritik an Architektur und Gestaltung in der DDR die Funktionsweise einer Diktatur offenlegt. Das macht sie unter anderem, indem sie die nebenan ausliegenden Arbeiten von Joseph Beuys und deren didaktisch-individuelle Selbstgewissheit konterkariert: mit genormten Ornamenten und Bauformen aus der sozialistischen Produktion. Das weckt Aufmerksamkeit für all jene Details aus Wirtschaft und Gesellschaft, die Pichl recherchiert, gezeichnet und fotografiert hat. Und hier in beklemmenden Pavillons präsentiert.

  • Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart  Invalidenstr. 50/51, Mitte, Di, Mi, Fr 10–10, Do bis 20 Uhr, Sa+So 11–18 Uhr, bis 18 J., TLE + 1.So im Monat frei, smb.museum, bis 4.5.

Alfredo Jaar: The End of the World

Alfredo Jaar, Foto: Andrea-Rego-Barros
Alfredo Jaar, Foto: Andrea-Rego-Barros

Der Ausstellungstitel verheißt nichts Gutes: „The End of the World“, das Ende der Welt, will man eigentlich nicht sehen, neugierig macht es aber schon, wie sich Künstler Alfredo so ausmalt. Und das überrascht. Warum? Wollen wir an dieser Stelle nicht verraten. Nur so viel: E sgeht um die wichtigsten kritischen Rohstoffe wie Lithium und Kobalt, ohne die unsere digitalisierte und umwelttechnologisierte Zukunt nicht aufgeht, was wiederum verheerende Auswirkung jetzt schon hat. Spätestens seit Trump US-ameirkansiche Absichten auf Grönland angemeldet hat, ist das nun auch allgemein bekannt. Jaar, hat dafür ein treffendes Bild gefunden.

  • Kindl – Zentrum für zeitgenössische Kunst Am Sudhaus 3, Neukölln, Mi 12–20/ Do–So 12–18 Uhr, 7/4 €, bis 1.6.25

„Punk in der Kirche“ bei der Stiftung Stadtmuseum im Humboldt Forum

Foto: Phil Dera
Blick in die Ausstellung „Punk in der Kirche“, Stiftung Stadtmuseum im Humboldt Forum 2024, Foto: Phil Dera

„Was soll ich mit einer Weltanschauung, wenn ich mir die Welt nicht anschauen darf“: Bittere Sprüche konnten Punks gut, auch in der DDR, deren Bürger:innen keine Reisefreiheit genossen. Die Unzufriedenheit mit Staat und Regierung förderte ungewöhnliche Allianzen. Vor allem in Ost-Berlin und Leipzig gaben Kirchengemeinden Oppositionsgruppen ein Dach, darunter auch Punk-Bands, die in Gotteshäusern auftraten. Davon erzählt „Punk in der Kirche“, eine neue Wechselschau der Stiftung Stadtmuseum, mit historischen Fotos, Grafiken, Zitaten sowie Objekten wie Kassetten und Kleidung.  „Punk in der Kirche“ ist Teil der interaktiven Dauerausstellung „Berlin Global“, die das Stadtmuseum im Humboldt Forum zeigt. Zu den Wechselschauen, die von Gastkurato:rinnen gestaltet werden, gehört seit Juni auch weitere Fläche zur Präsenz polnischer Freiheitskämpfe in Berlin und zur Solidarnosc-Bewegung.

  • Stiftung Stadtmuseum im Humboldt Forum Schloßplatz, Mitte, Mi-Mo 10-30-18.30, regulär: 7/0 €, stadtmuseum.de, bis 2026

Neue Nationalgalerie: „Zerreißprobe. Kunst zwischen Politik und Gesellschaft“

Wolfgang Mattheuer: Brasker Landschaft, 1967, Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie. Foto: Roman März

In der Neuen Nationalgalerie zeigt sich der nächste Teil der Sammlung neu sortiert: Die Ausstellung
„Zerreißprobe“ präsentiert Kunst nach 1945. Ost und West finden hier zusammen – genauso wie Kunst
und Politik. Unter den 170 Arbeiten der Ausstellung gibt es jede Menge bekannte Werke. Neben Werken der üblichen Verdächtigen von Marina Abramović bis Andy Warhol aus der ehemaligen Nationalgalerie-West an der Potsdamer Straße hängen jetzt Arbeiten bekannter Ostgrößen wie Wolfgang Mattheuer Harald Metzkes oder Werner Tübke, die die  auf der Museumsinsel gelegene Nationalgalerie-Ost sammelte.

Verantwortlich für die Schau sind der für die Sammlung zuständige stellvertretende Direktor Joachim Jäger, die wissenschaftliche Mitarbeiterin Maike Steinkamp sowie die Kunsthistorikerin Marta Smolińska von der Universität der Künste in Poznań. „Zerreißprobe“ ist laut Joachim Jäger der Versuch einer Darstellung, die den Entwicklungen von Meinungen und Werten in der Gesellschaft folge. Die Gesellschaft entscheidet über die Kriterien der Kunst. Das war schon immer so, nur obsiegen nun offenbar Gesinnung, Moral und Geschlecht über Ästhetik.

Die Geschichte schreiben immer die Sieger. „Die Einfühlung in den Sieger kommt demnach den jeweils Herrschenden allemal zugut“, formulierte 1940 Walter Benjamin. Denn die im Dunkeln, die Ausgeschlossenen und Vergessenen, sieht man ja nicht – und sie sind auch in der Neuen Nationalgalerie nicht zu sehen, beispielsweise Werke der Art brut, Werke der oft autodidaktischen Kunst gesellschaftlicher Außenseiter, die, wie Jäger sagt, nicht in der Sammlung vertreten  sind.

  • Neue Nationalgalerie Potsdamer Str. 50, Tiergarten, Di/ Mi, Fr–So 10–18, Do 10–20 Uhr, 14/ 7 €, bis 18 J., bis 28.9.2025

Gerhard Richter – 100 Werke für Berlin

Blick in die Ausstellung „Gerhard Richter. 100 Werke für Berlin“, Staatliche Museen zu Berlin, Foto: David von Becker

100 Arbeiten leiht der berühmte Maler Gerhard Richter der Neuen Nationalgalerie auf lange Zeit, und sie alle passen in das Grafikkabinett im Untergeschoss des Museums. Denn unter den Abstraktionen befinden sich viele kleine übermalte Fotos – Spitzenstücke, eine Wucht. Im Zentrum jedoch hängt der „Birkenau“-Zyklus, mit dem Richter die Grenzen der Kunst im Angesicht von Verbrechen der Nationalsozialist:innen thematisiert. Als Vorlage dienten Fotografien, die Häftlinge unter Lebensgefahr in Auschwitz-Birkenau aufgenommen und aus dem Konzentrationslager geschmuggelt hatten.

  • Neue Nationalgalerie Potsdamer Str. 50, Tiergarten, Di–Mi, Fr–So 10–18, Do bis 20 Uhr, 14/ 7 €, bis 18 J., Do ab 16 Uhr frei, Tickets hier, bis September 2026

Ts’ uu – Zeder. Von Bäumen und Menschen

Ansicht der temporären Ausstellung "Ts'uu – Zeder. Von Bäumen und Menschen" im Humboldt Forum. Foto: © 2020 by Alexander Schippel

Was länger währt, wird womöglich besser: Die Ausstellung „Ts̓  uu – Zeder“ des Ethnologischen Museums konnte pandemiebedingt nicht  mit den Sälen eröffnen, die im Herbst das Humboldt Forum komplettiert haben. Doch nun ist die Schau über Regenwälder an der Westküste Kanadas fertig, eine Koproduktion mit dem hochmodernen Haida Gwaii Museum auf gleichnamigem Archipel vor der Küste British Columbias. Sie zeigt, wie erhellend und publikumsfreundlich transkontinentale und transdisziplinäre Zusammenarbeit sein kann. Nur einen Saal mit 130 Exponaten umfasst die Schau, die genauso Ruhe wie Abwechslung bietet, dank einer Sitzecke und des Einsatzes verschiedener Medien. Selbstverständlich gibt es klassische Objekte wie Wappenpfähle. Daneben aber hängen Reportagefotos und bedruckte T-Shirts. Sie bezeugen Proteste Indigener gegen die Abholzung der Regenwälder durch euro-kanadische Firmen.

  • Humboldt Forum Schlossplatz 1, Mitte, Mi–Mo 10.30–18.30, Eintritt frei, bis 23.2.2026

Mehr Kunst und Ausstellungen in Berlin

Blick nach vorn: Das Kunstjahr 2025 in Berlin mit den wichtigsten Ausstellungen des Jahres. Überblick verloren? Sobald die Infos da sind, steht hier das Wichtigste zur Berlin Art Week. Geht immer: Wir zeigen euch wichtige Ausstellungshäuser, Galerien und Museen für Kunst in Berlin. Eintauchen in andere Welten: Tipps für immersive Ausstellungen in Berlin.

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