Krisenchronik

„Berlin jetzt!“: Mitmachen bei der Corona-Sammlung des Stadtmuseums

Wie werden wir in Zukunft auf die Pandemie zurückblicken? Das Stadtmuseum Berlin stellt dazu eine Sammlung aus Zeugnissen von neuer Normalität und Irrwitz zusammen – und ruft zum Mitmachen auf. Was es mit dem Projekt „Berlin jetzt!“ auf sich hat.

Berlin jetzt Stadtmuseum Berlin: Oxymoron gewordene Kneipe: Imma uff, aber plötzlich geschlossen. Foto: © Marcel-Th Jacobs/Stiftung Stadtmuseum Berlin
Oxymoron gewordene Kneipe: Imma uff, aber plötzlich geschlossen. Foto: © Marcel-Th Jacobs/Stiftung Stadtmuseum Berlin

Auf den Boden gesprühte Abstandsquadrate, mit Kunstblumen stillgelegte Pissoirs, leere Ladenzeilen. Leere, nicht zuletzt die der Klopapierregale, irgendwann im Jahr 2020. Was bleibt von der Krise? Woran gewöhnt man sich, was bleibt surreal? Vielleicht werden Temperaturmessungen beim Eintritt in Lokale ja Gewohnheit. Vielleicht etablieren sich Masken ja auch auf lange Sicht im Alltag. 

„Berlin jetzt!“: Chronik der Krise im Stadtmuseum

Fest steht allerdings, dass es eine Dokumentation dieser paradoxen Zeit braucht. Während wir im Zeitalter der (multi)medialen Überforderung leben, findet das öffentliche Leben kaum statt. Und die Rezeption der Geschehnisse droht auch deshalb vergessen zu werden, weil die Pandemie omnipräsent ist und am Nervenkostüm nagt. Wer möchte diesen Horror auch noch sammeln?

Abstände, die man ohnehin eingehalten hätte: Die "Berlin jetzt!"-Sammlung zeigt gesperrte Pissoirs. Foto: © o.N. - Stiftung Stadtmuseum Berlin
Abstände, die man ohnehin eingehalten hätte: Die „Berlin jetzt!“-Sammlung zeigt gesperrte Pissoirs. Foto: © o.N. – Stiftung Stadtmuseum Berlin

In seiner Funktion als Gedächtnis der Stadt möchte das Berliner Stadtmuseum auch die Corona-Krise im Berliner Raum abbilden. Unter dem Titel „Berlin jetzt!“ hat das Team des Museums ein partizipatives Sammlungs-Projekt ins Leben gerufen, das die Absurdität der gegenwärtigen Zustände abbilden soll. Ganz beliebig soll es dabei nicht zugehen, immerhin umfasst die Sammlung des Stadtmuseums mehr als 4,5 Millionen Gegenstände.

Kreative Formen der Abstandswahrung in Kinosälen. Foto: © Ch.Reinhard-Juch/Stiftung Stadtmuseum Berlin

Zeitzeugnisse der besonderen Art: Vom Gesichtsschutz zum Abendkleid

Auch wenn die Initiative die Dringlichkeit des Aktuellen in ihrem Namen trägt, ist sie vor allem für die Zukunft gedacht. Die Artefakte sollen „für die Ewigkeit bewahrt“ werden, wie es der Stadtmuseumsdirektor Paul Spies sagt. Bislang hat das Museum vor allem Artefakte aus der ersten Welle im Frühjahr 2020 gesammelt, aber, so Spies: „Die zweite Welle ist mindestens genau so wichtig, wenn nicht noch wichtiger als die erste.“

Fast im kompletten Jahr 2020 Bild des Alltags, jetzt zugunsten wirksamerer FFP2-Masken wieder auf ihre Eigenschaft als Stoffetzen zurückgeworfen: Alltagsmasken, zum Kleid verarbeitet. Foto: © Jacqueline Hagenstein/Stiftung Stadtmuseum Berlin

Ein besonders eindrucksvolles Beispiel dafür ist das „Maskenkleid“ der Modedesignerin Jacqueline Hagenstein, ein aus Stoffmasken genähtes Kleid. Im vergangenen April nähte sie es zusammen, nachdem sie ihre Produktion weitestgehend auf Alltagsmasken umgestellt hatte. „Typisch Berlin“ findet Spies diesen Pragmatismus und sieht in der hiesigen Kreativszene den Charakter einer „Grassroots-Modestadt“. Gleichzeitig erweist es sich auch als Vorgriff auf das aktuelle Frühjahr, in dem Stoffmasken zugunsten medizinischen weichen mussten.

„Berlin jetzt!“: Das Stadtmuseum sammelt eure persönlichen Artefakte

Da sich mit fortschreitender Zeit auch der Blick auf die Situation verändert, bittet das Stadtmuseum nach wie vor um Einsendungen. Das können Fotos sein, Texte, Flyer, Schilder oder konkrete Gegenstände. Was hat euch in den vergangenen Monaten bewegt? Was bleibt? Wie hat sich eure Wahrnehmung verändert? Und was hat an Bedeutung gewonnen?

Einsendungen dazu könnt ihr an [email protected] schicken, bitte ladet das dazugehörige Einsendeformular herunter und schickt es ausgefüllt mit. Das Archiv-Team freut sich über E-Mails mit Bildern und Beschreibung der jeweiligen Gegenstände und Geschichten. 


Mehr Stadtkultur

Wie Museen mit Pandemie und Lockdown umgehen: Paul Spiel erläutert im Interview die Lage des Stadtmuseums. Konzerthäuser und Theater bleiben wohl leider auch erstmal zu – wie es ausschaut, bis Ostern. Immerhin ein Kulturlieferant bleibt uns erhalten: Die Buchläden sind offen, hier sind unsere liebsten. Eine ganz besondere Buchhandlung ist„She said“: Das Geschäft hat sich auf weibliche, feministische und diverse Literatur spezialisiert und soll parallel den Community-Gedanken stärken.

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