„Jeht janz schön lange, wa?“, staunt die alte Frau angesichts der Primaballerina-Spieluhr, die klimpert und klimpert und immer leiser klimpert. Wie symbolisch ist diese Szene in Gundula Schulze-Eldowys Bild-Ton-Collage „Im Herbstlaub des Vergessens„. Um eine Art aufgezogenes Uhrwerk, dem langsam die Puste abhanden kommt, geht es in den Bildern der Ausstellung „Übergangsgesellschaft„.
Der Titel leitet sich von Volker Brauns gleichnamigem Bühnenstück von 1982 über das Versanden des „real existierenden Sozialismus“ ab. Die hauptsächlich schwarz-weißen Fotos und Filmarbeiten aus der DDR der 1980er Jahre zeigen verletzliche, auch ausgebrannte, teilweise erwartungslose oder rebellische Gesichter. Menschen aus allen Gesellschaftsschichten, Werktätige sowie Offszene, ergeben ein atmosphärisches Bild vom Stillstand gleichwohl wie vom brodelnden Klima des zivilen Ungehorsams.
In der Ausstellung „Bewegte Welt – Erzählte Zeit“ erforschen Künstlerinnen und Künstler die tiefgreifenden Wandlungsprozesse in den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion und der DDR nach dem Mauerfall. Die Film- und Fotoarbeiten stammen hauptsächlich aus dem privaten Bereich und spüren die Relikte einer fast schon vergessenen Zeit auf. Das Bildmaterial umfasst eine größere Spanne als in „Übergangsgesellschaft“. Schwarz-weiße Fotos mit geriffeltem Rand erzählen von einer überholten und mit Nostalgie oder Hass besetzten Zivilisation.
Text: Constanze Suhr
Foto: Erasmus Schröter
tip-Bewertung: Sehenswert
Übergangsgesellschaft. Porträts und Szenen 1980–1990 AdK, Pariser Platz 4, Mitte, Di-So 11-20 Uhr, bis 11.10.
Bewegte Welt – Erzählte Zeit Zeitgenössische Fotografie und Videokunst aus Russland, der Ukraine, Belarus, Georgien,
Kasachstan, Kirgistan, Usbekistan, Deutschland, AdK, Hanseatenweg 10, Tiergarten, Di-So 11-20 Uhr, bis 13.9.
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