Ein merkwürdiger Kontrast: Da posiert eine rotblonde Schönheit im moosgrünen Abendkleid neben zwei Magnetleisten voller Edelmesser. Anita Guth heißt die 21-jährige Donauschwäbin, Fleischverkäuferin von Beruf, die Frank Gaudlitz zwischen 2006 und 2008 mit über hundert weiteren Menschen aus dem südlichen und mittleren Osteuropa vor seine Mittelformatkamera gebeten hat. Dazu machte sich der 1958 geborene Spreeländer, der bei Arno Fischer in Leipzig studiert hat, zu Fuß auf den Weg: vom ungarischen Pйcs bis Constanza am Schwarzen Meer, wobei er die Provinz und Kleinstädte bevorzugte. Rasch fand er Zugang zu seinen Zufallsbekanntschaften. Gaudlitz hat die Rumänen, Sachsen, Ungarn, Roma in ihrem engsten Umfeld aufgenommen, in der „Casa Mare“ – dem rumänischen Wort für „Gute Stube“. Er bat die höchst unterschiedlichen Typen darum, sich so zu kleiden wie zu Festtagen. Die Portraits unterscheiden sich von solchen, in denen sich Westeuropäer stylish geben. Ins Auge sticht vor allem ein überbordendes Schmuckbedürfnis. Selbst in der kleinsten Kate wimmelt es von Stoff- und Tapetenrapporten. Die Figuren strahlen eine große Würde aus, sie scheinen ganz bei sich zu sein. Dies ist der besonderen Zwiesprache zwischen Fotograf und Modell geschuldet, der sie in ihrem Schutz- und Lebensraum walten lässt.
Text: Martina Jammers
Foto: Frank Gaudlitz
tip- Bewertung: Sehenswert
Casa Mare Guardini Galerie, ?Askanischer Platz 4, Kreuzberg, ?Di-Fr 14-19 Uhr, bis 13.6.2010
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