Entdeckung

Das Verborgene Museum stellt die Industrie-Fotografin Marianne Strobl vor

Entdeckung: Das Verborgene Museum stellt „Marianne Strobl 1865 bis 1917. Industrie-Fotografin in Wien“ vor

Viele Männer mit Bart und eine Frau mit Kamera: Marianne Strobls „Weinkellerei Franz Leibenfrost & Co.“, Wien ca. 1900. Foto: Privatsammlung Wien / Marianne Strobl

Die Wiederentdeckung ihrer Fotografien in den staubigen Depots in Wiener Museen, den städtischen Archiven und schlussendlich auch bei privaten Sammlern ist ein Glücksfall: Die 1865 als Marie Nentwich geborene Fotografin begnügte sich nicht mit den für die damalige Zeit so typischen Porträtaufnahmen in aufwendiger Kulisse, sondern ging raus, mitsamt ihres unförmigen Fotoapparats und den Belichtungsplatten, die in etwa so groß gewesen sein dürften wie die Abzüge, die man in der Ausstellung „Marianne Strobl 1865 bis 1917. Industrie-Fotografin in Wien“ betrachten kann. Industrie-Fotografin, das heißt hier: Bilder von Kraftwerken im Bau, Malzsilos, Eisenträger-Gebäudegerippen, Bahnbrücken, Abwasserkanälen, manchmal Hinterhöfen.

Bestechend sind neben ihrer Beherrschung der Technik – keine Kleinigkeit in dieser Zeit – die schnörkellosen Perspektiven, die klaren Linien, das Gespür für die Geometrie all dieser neuen industriellen Bauten, die im Zuge der immer weiter fortschreitenden Industrialisierung nicht nur in Wien aus dem Boden zu schießen begannen.

Marianne Strobl: Einmünd-Ende Sammelkanäle bei der Kammer “Sophienbrücke“, 1898, Albumin © Photoinstitut Bonartes, Wien

Dass gerade diese von einer Frau mit eigener (dem Anschein nach gut laufender) Firma fotografiert wurden, als es Frauen noch nicht einmal erlaubt war, zu studieren oder Schulen für Fotografie zu besuchen, ist mehr als erstaunlich und spricht gleich doppelt von Strobls außergewöhnlicher Beherrschung des Metiers. Insbesondere in der Blitzlicht-Fotografie galt sie als Könnerin, was sich bei ihren Arbeiten unter Tage auch zeigt. Man nimmt an, dass Strobl durch ihren Ehemann, einen bei der Stadt Wien angestellten Ingenieur, der Mitglied im „Club der Wiener Amateur-Fotografen“ war, Zugang zu diesem und den Geheimnissen der Fotografie und Dunkelkammer bekam. Später half ihr Mann ihr des öfteren als Assistent bei Aufträgen namhafter Unternehmen.

Expertin für Blitzlichtfotografie

Ihr eigenes Unternehmen meldet sie im Jahr 1894 an; für ihren ersten Großauftrag fotografiert sie verschiedene Typen von Landfuhrwerken aus dem Gebiet der K.u.K. Doppelmonarchie. Im Jahr darauf dokumentiert sie das Innenleben und die Angestellten des Wiener Nobelhotels Meißl & Schadn und beweist ihr Auge für Interieurs, Arrangements und Innenperspektiven. 1901, kurz nach der Geburt ihrer zweiten Tochter, nimmt Marianne Strobl als anerkannte Expertin für Blitzlicht-Fotografie an einer Expedition für geodätische Messungen in den Ötscherhöhlen teil. Ihre Ansichten aus dem Inneren der Höhlen gehören bis heute zu den herausragenden Fotografien aus dieser geheimnisvollen Unterwelt.

Insgesamt bietet das Werk von Marianne Strobl nicht nur einen faszinierenden Blick zurück in eine vergangene Zeit, in der die Zukunft unermüdlich aus Stahl, Eisenbahnen und Schornsteinen gebaut wurde, sondern auch die unwahrscheinliche Erfolgsgeschichte einer Fotografin zu einer Zeit, in der dieses Medium fast noch als Geheimwissenschaft durchgehen konnte und erst zu seinen eigenen ästhetischen und künstlerischen Möglichkeiten finden musste.

Verborgenes Museum Schlüterstr. 70, Charlottenburg, Do+Fr 15–19 Uhr, Sa+So 12–16 Uhr, bis 8.3.

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