Der Europäische Monat der Fotografie Berlin 2020 (EMOP) beginnt am 1. Oktober mit 117 Ausstellungen. Es ist der letzte, den Oliver Bätz organisiert. Seit 2004, also seit dem ersten Berliner EMOP, ist er als Projektleiter dabei, doch jetzt geht er bald in den Ruhestand. Wir haben mit ihm über seine diesjährigen Highlights, Pandemiebedingungen und den Traumberuf Fotograf*in gesprochen.
tipBerlin Herr Bätz, werden wir gleich zum Einstieg persönlich. Der Europäische Monat der Fotografie Berlin 2020 ist der letzte, den Sie organisieren, denn Sie gehen bald in den Ruhestand. Was sind Ihre diesjährigen Highlights?
Oliver Bätz Das ist schwierig, es sind sicher 30. Persönlich gefällt mir unter anderen die Ausstellung von Roger Melis bei Argus Fotokunst sehr, weil ich in den 80er-Jahren selbst in Paris gelebt habe. Und Melis, der ja DDR-Bürger war, durfte zu dieser Zeit tatsächlich nach Paris reisen und fotografieren. Er hat daraus ein tolles Buch gemacht, „Paris zu Fuß“, das war in der DDR sofort Kult.
tipBerlin Sie sind seit dem ersten EMOP 2004 dabei. Wird es in diesem Jahr wegen der Corona-Pandemie weniger Ausstellungen geben?
Bätz Nein, die Zahl ist ungefähr gleich geblieben. Wir hatten nur unwesentlich weniger Bewerbungen, über 140, und werden 114 Ausstellungen zeigen. Ich kann mich über die Qualität und die Vielfalt nicht beklagen. Unsere Partnerinstitutionen halten die Hygienemaßnahmen selbstverständlich ein und achten darauf, dass sich nicht zu viele Besucherinnen und Besucher gleichzeitig in den Räumen befinden. Die großen Häuser arbeiten mit Time Slots, da wird man sich online oder telefonisch anmelden müssen.
tipBerlin Ich hatte während der Art Week und des Gallery Weekends das Gefühl, dass die Besucher*innen sehr geduldig gewartet und sich gefreut haben, dass es überhaupt wieder so viele Möglichkeiten gibt, Kunst gemeinsam zu erleben. Ist das auch Ihr Eindruck?
Bätz Absolut. Die Leute schmachten tatsächlich nach Kultur. Sie wünschen sich größere Gesellschaft, die sich nicht unbedingt nur in Parks oder in Restaurants abspielt. Das Bedürfnis nach dem gemeinsamen Erleben von Veranstaltungen, von Kultur, von Ausstellungen ist groß. Das wird auch während des Monats der Fotografie so sein.
tipBerlin Vielfalt war schon immer wichtig beim EMOP.
Bätz Ich bin ein Verfechter davon, dass wir kleineren Institutionen und Nachwuchsfotograf*innen die Chance geben sollen, sich bei so einem großen Festival zu präsentieren. Auch dann, wenn sie manchmal nicht ganz an die Qualität der Ausstellungen in den etablierten Häusern ‘rankommen. Ein egalitärer Ansatz war immer mein Ziel, im Katalog taucht ja die große Institution neben einem kleinen Projektraum auf, weil wir da einfach alphabetisch vorgehen. Deshalb fördern uns ja Senat und EU, weil wir junge Fotografinnen und Fotografen unterstützen – denen bringt die Präsentation einer Ausstellung bei so einem renommierten Festival viel Aufmerksamkeit. Die Fotocommunity zu stärken, ist ja auch eines der Ziele des Festivals und der EMOP Opening Days.
tipBerlin Was planen Sie in diesem Jahr für die Eröffnung?
Bätz Zu meinem großen Leidwesen ist die Party abgesagt. Wir hatten ja 2016 und 2018 sehr schöne Eröffnungen und tolle Eröffnungstage bei C/O Berlin und uns natürlich auf ein fulminantes Opening in der Akademie der Künste am Pariser Platz gefreut. Mit Live-Musik, DJs, Foodtrucks und so weiter. Hier hat uns Corona leider einen Strich durch die Rechnung gemacht. Nichtsdestotrotz hat die AdK ein wirklich sehr interessantes Programm zusammengestellt. Wir haben neben Artist Talks beispielsweise mit Stefanie Moshammer und Johann König als Galerist unter dem Motto „Die Fotografie zwischen Kunst, Politik und Massenmedium“ auch sechs Panels zu verschiedenen Themen, beispielsweise zur Zukunft der Fotografieausbildung, zum Jahr 1990 oder zu künstlerischen und menschenrechtlichen Interventionen.
tipBerlin Die zentrale Ausstellung heißt „Kontinent – Auf der Suche nach Europa“ und ist von Ostkreuz. Warum haben Sie das Schwerpunktthema „Europa – Identität, Krise, Zukunft“ gewählt?
Bätz Weil der politische Zusammenschluss Europas momentan von Fragilität geprägt und vielen Zerreißproben ausgesetzt ist.
tipBerlin Welche anderen Themen stechen heraus?
Bätz 100 Jahre Groß-Berlin und 30 Jahre Wiedervereinigung, wir haben ein Jahr mit wichtigen Jubiläen. Stilistisch nimmt die Schwarzweißfotografie wieder zu.
tipBerlin Und bei den jüngeren Positionen?
Bätz Wir haben eine Ausstellung von Fotografinnen und Fotografen, die blind sind. Das Fotografiemuseum Amsterdam präsentiert eine Gastausstellung im Kühlhaus. Erstmals nimmt das Urban Nation Museum teil mit der legendären Martha Cooper, ihre Fotos sind quasi das Gedächtnis der New Yorker Hip-Hop-Kultur.
tipBerlin Ist Fotograf*in bei jungen Menschen weiterhin ein Traumberuf?
Bätz Ja. Wir haben von der Neuen Schule für Fotografie über den Lette Verein und Ostkreuz bis zur University of Applied Science viele Fotografieschulen beim Monat der Fotografie dabei, und deren Ausstellungseröffnungen haben immer einen bombastischen Zulauf.
- Der Europäische Monat der Fotografie mit 117 Ausstellungen, 1.–31. Oktober www.emop-berlin.eu/de
Auch beim Europäischen Monat der Fotografie 2020 dabei: Was wir zur Ausstellung „Harald Hauswald. Voll das Leben“ bei C/O Berlin geschrieben haben, lest ihr hier.