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Kommentar

Flick, Olbricht und Stoschek ziehen weg – ist Berlin zu doof für Kunstsammlungen?

Der Kunststandort Berlin verliert an Glanz, wenn die Sammlungen Flick, Olbricht und Stoschek die Stadt verlassen: Berlin kann sich wirklich furchtbar doof anstellen. So doof sogar, dass nun binnen 14 Tagen gleich drei Kunstsammler*innen samt Kunst die Stadt verlassen. Oder verlassen wollen. Der me collectors Room von Thomas Olbricht ist schon zu. Für die Flick-Collection ist es beschlossene Sache. Bei Julia Stoschek lässt es sich vielleicht gerade noch verhindern. Ein Kommentar von Stefanie Dörre.

Standort der Julia Stoschek Collection in der Leipziger Straße in Berlin.
Standort der Julia Stoschek Collection in der Leipziger Straße in Berlin. Foto: Robert Hamacher, Berlin

Aber der Reihe nach. Am 30. September 2021 endet der Leihvertrag über die Friedrich Christian Flick Collection, die von der Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof präsentiert wird. Nach 17 Jahren. Nicht, weil es inhaltliche Differenzen zwischen dem Sammler Friedrich Christian Flick und dem Noch-Nationalgaleriedirektor Udo Kittelmann gäbe. Sondern weil der Mietvertrag für die Rieck-Halle, in denen die Flick Collection vor allem gezeigt wird, im kommenden Jahr ausläuft.

Berlin verliert eine der weltbesten Sammlungen zeitgenössischer Kunst

So banal ist das: Berlin verliert eine der weltbesten Sammlungen zeitgenössischer Kunst, da wohl niemand daran gedacht hat, den Mietvertrag rechtzeitig anzuschauen. Nun will die Wiener CA Immo AG das Areal gewinnbringend bebauen. Sprich: Abriss der von Flick aufwendig restaurierten ehemaligen Lagerhallen, heute Rieck-Hallen genannt.

Wie darf man sich das vorstellen? Etwa so: Sorry, Herr Flick. Haben wir doch glatt vergessen, dass das Haus, in dem Ihre millionenschwere Kunst steht, nur gemietet ist. Und das konnte ja bis eben auch keiner ahnen, dass ein Gelände, das von teuren Hochhaus-Neubauten umzingelt ist, auf einmal nicht mehr preisgünstig vermietet wird.

Echt jetzt? Es ist schon ziemlich fahrlässig, dass eine international bekannte Kunstsammlung, für die viele Leute extra nach Berlin fahren, ihrem Publikum mal einfach so entzogen wird.

Berlin ist kein freundliches Pflaster für Milliardäre

Als Thomas Olbricht, seit zehn Jahren mit seinem me collectors Room in Berlin, im März seine Jubiläumsausstellung vorstellte, begann er mit seinem damaligen Einstand. Der wäre leider nicht so gelungen gewesen. Viele hätten ihn angefeindet und das mit dem me collectors Room völlig falsch verstanden. Es wäre ihm nie um „me“, also um sich selbst gegangen, sondern „me“ habe von Anfang an für „Moving Energies“ gestanden. Dass Thomas Olbricht auch bei dem Jubiläum diesen Fehlstart noch nicht vergessen hatte, spricht für sich.

Vernissage im me Collectors Room Berlin / Stiftung Olbricht in Mitte, April 2018.
Vernissage im me Collectors Room Berlin / Stiftung Olbricht in Mitte, April 2018. Foto: Imago/Tom Maelsa

Berlin ist kein freundliches Pflaster für Milliardäre, viel Misstrauen wird ihnen entgegengebracht. Der 72-jährige Olbricht, Wella-Erbe und leidenschaftlicher Sammler, hat sich mit seiner Familie wohl schon vor Längerem dazu entschieden, nach Essen zurückzukehren. Dass Julia Rust, die langjährige Direktorin des me collectors Room, gerade zur Berliner Bauakademie gewechselt ist, könnte, zumindest beim Termin der Schließung, auch eine Rolle gespielt haben.

Eine heftige Mieterhöhung für die Ausstellungsräume

Bei der Düsseldorfer Sammlerin Julia Stoschek, Erbin wie Olbricht und Flick, gibt es vielleicht noch Hoffnung. Sie ist jedenfalls in der „Welt“ mit der Ankündigung vorgeprescht, dass sie 2022 ihre Ausstellungsräume in Berlin schließen werde. Der Grund: Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben verlange eine heftige Mieterhöhung für ihre Räume in der Leipziger Straße, da der Plattenbau von außen saniert wurde. Dass Stoschek gehörig in die Immobilie investiert und sogar ein Kaufangebot dafür abgegeben hat, wurde ignoriert.

Offenbar ist es – auch für Vermieter der öffentlichen Hand – kein Argument, dass hier eine der weltweit besten Sammlungen für zeitbasierte Kunst, also vor allem Videokunst, in privat finanzierten Räumlichkeiten für jedermann und jederfrau gezeigt wird. Und dass Berlin eine solche Kollektion eben nicht in den Museumssammlungen hat.

Diese Unterfinanzierung wird sich verschärfen

Es gibt in dieser Stadt keine*n Museumsdirektor*in, der oder die nicht regelmäßig betont, wie extrem schwierig es ist, mit dem minimalen Ankaufsetat neue Werke zu erwerben. Jeder größere Kunstkauf ist ein Riesenaufwand aus Drittmitteleinwerbung, Spenden und Lottofördermitteln. Diese strukturelle Unterfinanzierung wird sich Corona-bedingt, etwa durch weniger Ticketeinnahmen, noch verschärfen. Mit dem Neubau für das Museum des 20. Jahrhunderts wurde noch gar nicht begonnen, und schon ist klar, dass die Finanzierung des Bauvorhabens überhaupt nicht gesichert ist.

Gerade wird bekannt, dass die Eröffnung des Humboldt Forums verschoben werden muss. Man sollte also denken, Berlin könne sich eines nicht leisten: Kohle zum Fenster rauszuwerfen und Sammler*innen vor den Kopf zu stoßen, die auch noch Geld mitbringen, um ihre Kunst in der Öffentlichkeit zu präsentieren.

Bleibt das Prinzip Hoffnung. Vielleicht ist ja bei der Julia Stoschek Collection noch nicht alles verloren. Dass die Sammlerin so einen Vorstoß unternommen hat, könnte bedeuten, dass sie auf Unterstützung aus der Berliner Öffentlichkeit und durch den Kultursenator hofft. Es wäre schön, können wir wenigstens diese wichtige Sammlung halten. Ansonsten will man vor Wut über so viel Ignoranz schreien.

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