Kunst

Galerie ChertLüdde eröffnet im ehemaligen Deko Behrendt

Nach 13 Jahren in Kreuzberg zieht die Berliner Galerie ChertLüdde nach Schöneberg. In den ehemaligen Räumen des legendären Partyausstatters „Deko Behrendt“ wird mit einer Ausstellung die Zukunft eingeläutet und die Vergangenheit geehrt

Früher versorgte „Deko Behrendt“ die Kunden mit Kostümen und Partyartikeln, jetzt zeigt und verkauft die Galerie ChertLüdde hier zeitgenössische Kunst. Auf dem ehemaligen Ladenschild ist auch Kunst: David Horvitz, „becoming a unicorn using a banana as a horn“, 2022 Foto: Andrea Rossetti/Courtesy of the artists and ChertLüdde
Früher versorgte „Deko Behrendt“ die Kunden mit Kostümen und Partyartikeln, jetzt zeigt und verkauft die Galerie ChertLüdde hier zeitgenössische Kunst. Auf dem ehemaligen Ladenschild ist auch Kunst: David Horvitz, „becoming a unicorn using a banana as a horn“, 2022 Foto: Andrea Rossetti/Courtesy of the artists and ChertLüdde

ChertLüdde ehrt das Vermächtnis von „Deko Behrendt“

Einst stapelten sich hier Kostüme, Masken, Lampions und allerlei wundersames Zeugs dicht beinander bis an die Decke. Jetzt hängen an den Wänden Fotografien, schweben gigantische Blüten von der Decke – nüchtern und klar geordnet. In den Räumen des 2021 geschlossenen Kult-Ladens „Deko Behrendt“ beginnt die Galerie ChertLüdde ein neues Kapitel mit der Ausstellung „Die Blüten von Berlin“.

Mit der ersten Schau am neuen Standort will man explizit die Geschichte und Bedeutung dieses Ortes ehren, sagt Jennifer Chert bei einer Vorbesichtigung am Donnerstag. Zusammen mit Florian Lüdde leitet sie die Galerie, nach 13 Jahren sind sie aus der Kreuzberger Ritterstraße nach Schöneberg gezogen. Das 1952 eröffnete Geschäft für Kostüme und Partyartikel an der Hauptstraße war ein Mekka für die Party- und Queerszene Berlins. Glitzer, Federboas, Schmuck und Schminke – für wenig Geld konnte viel Fantasie in Realität umgesetzt werden.

Davon zeugen die Fotografien von Annette Frick. Die 1957 in Bonn geborene Fotografien war vor allem in den 90ern bis Anfang der 200er in der Berliner Queer-Szene unterwegs und dokumentierte sie in intimen Aufnahmen. Die schwarz-weißen Analog-Fotos in der Ausstellung zeigen Persönlichkeiten der Szene wie die Dragqueen Ovo Maltine beim Schminken, Anziehen, Posieren. Es sind einzelne Etappen beim Verwandlungsprozess eines männlichen Körpers in die glamouröse Fantasie einer divenhaften Weiblichkeit. Gut möglich, dass sie die Bestandteile ihrer Outfits bei Deko Behrendt erworben haben.

Das Künstler-Duo Petrit Halilaj & Alvaro Urbano sind bekannt für ihre großen Papier-Blüten. Daneben hängt ein Porträt, aufgenommen von Annette Frick. Foto: Andrea Rossetti/ Courtesy of the artists and ChertLüdde
Das Künstler-Duo Petrit Halilaj & Alvaro Urbano sind bekannt für ihre großen Papier-Blüten. Daneben hängt ein Porträt, aufgenommen von Annette Frick. Foto: Andrea Rossetti/ Courtesy of the artists and ChertLüdde

Galmour, Kunst und Berliner Geschichte

Zwischen den Fotografien hängen Bilder, die in ihrer Farbigkeit an die Gemälde von Mark Rothko erinnern. Dann wiederum mit Kreisen und großen Punkten an Pop-Art. Es sind Tapeten. Das Künstlerduo Petrit Halilaj (geboren 1986 in Kosterrc, Kosovo) und Alvaro Urbano (geboren 1983 in Madrid) hat sie während der Renovierungsarbeiten freigelegt, konserviert und in Form gebracht. Die so entstandenen Kunstwerke erinnern zugleich and Gestein, in dem sich Schicht für Schicht die Geschichte der Erde aufgetragen hat – hier ist es die Geschichte von Deko Behrendt, das mit der Pandemie und der damit einhergehenden Einnahmeverluste ein Ende fand.

Und auch von dieser Stadt, wie die beiden Wahlberliner sagen. Hier hätten sie sich früher für Partys ausgestattet, als man mit 20 Euro hinein- und mit einem Outfit und Dekozeugs für die Party herausspazieren konnte. Als Berlin noch für viele Möglichkeiten für wenig Geld stand. „Für uns war die Schließung des Ladens ein Symbol für die unabwendbare Veränderung Berlins“, so Petrit Halilaj. Aber bei aller Wehmut sei das kein Grund für Pessimismus, auch sie selbst hätten sie über die Jahre verändert. Mit der Galerie entstehe hier ein neuer Möglichkeitsraum für Kreativität und Begegnung, findet Alvaro Urbano.

Mit Zuversicht und ambitioniertem Programm in die Zukunft

Auch Florian Lüdde blickt mit Zuversicht in die Zukunft. Nach einem Jahr Pause freue man sich endlich, loslegen zu können. Und das Programm ist ambitioniert. Wie bisher wird ChertLüdde auch in den neuen Räumen mehrere Ausstellungen gleichzeitig präsentieren. Dabei werden das Galeristen-Duo die Reihe „Bungalow“, die jungen und bisher unter dem Radar der großen Institutionen agierenden Künstler:innen gewidmet ist fortgeführt, aktuell mit einer Umweltinstallation der senegalesisch-italienischen Künstlerin Binta Diaw. Außerdem soll das Ladenschild von „Deko Behrendt“ wird durch ein neues Programm mit dem Titel „Deko“ ersetzt. Im Rahmen des Spielplans finden künstlerische Interventionen im Freien statt, deren erste von David Horvitz am 19. März starten wird. 

„Uns ist es wichtig, dass dieser Ort niedrigschwellig ist und wir hoffen, dass er breit angenommen wird. Von den Leuten, die in der Gegend wohnen, die vielleicht am Samstag einkaufen gehen und vielleicht dann Lust bekommen auch Kunst anzusehen“, sagt Florian Lüdde. Zwischen Spätis, Handy-Shops und den 90er-Jahre Kaiser-Wilhelm-Passagen bietet die Galerie so wie ihr Vorgänger ein Portal in eine andere Welt.

  • ChertLüdde Hauptstr.18, Schöneberg, Di–So 12–18 Uhr, Eröffnung: Sa 19.3., 16–21 Uhr, chertluedde.com

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