Während sich Heiner Pietzschs Interesse auf die Abstrakten Expressionisten richtete, konnte sie damit nichts anfangen und brachte den Gatten auf die Spur der figürlichen Rätselmalerei. Wie aus zwei Kunstgeschmäckern in über 40 Jahren eine Symbiose wurde, zeigt ihre feinsinnige, sehr persönliche Sammlung surrealer Bilderträume in der Neuen Nationalgalerie. „Vielleicht sind die Arbeiten sogar spektakulärer als die des MoMA-Gastspiels, die man ja kannte“, meint Kurator Dieter Scholz. Auf jeden Fall bieten sie die einmalige Chance, durchs Schlüsselloch zu blicken.
Auf rund 180 Gemälde, Skulpturen, Zeichnungen, Fotos, welche sonst die Privatsphäre des Berliner Sammlerpaares schmücken. Unbekanntes von bekannten Künstlern wie Max Ernst, Renй Magritte oder Paul Delvaux lockt ins Reich des Irrationalen, und auch die Musen der Meister, Leonor Fini und Dorothea Tanning (Abbildung), die die Grenze zwischen Realem und Fantastischem kleinformatig ausloten. Dass der Surrealismus eine weltweite Erscheinung war, belegen weniger bekannte Maler wie der Chilene Roberto Matta Echaurren mit seinem „Gefühlsflattern“ (1946) oder der kubanische Picasso-Verschnitt Wilfredo Lam. Vor allem aber bietet sich der Vergleich mit Jackson Pollock, Mark Rothko oder Barnett Newman, als diese noch nicht waren, was sie sind. Die „No 8 (Figuren in archaischem Meer)“, von Rothko vor dem großen abstrakten Aufbruch gemalt, oder Pollocks „Ikarus“-Männlein von 1946 zeugen von der Nähe zu den surrealen Mischwesen. So zeichnet die Sammlung Pietzsch aus, dass sie Bezüge herstellt, Nebenwege einbezieht, den Horizont erweitert. Dies aus Kennerschaft, die einer inneren Logik folgt und ihrer verrückten Liebe.
Text: Andrea Hilgenstock
tip-Bewertung: Herausragend
Bilder Träume: Die Sammlung Ulla und Heiner Pietzsch Neue Nationalgalerie, Potsdamer Straße 50, Tiergarten,Di+Mi, So 10-18 Uhr, Fr+Sa 10-20 Uhr, Do 10-22 Uhr, bis So 22.11.