Porträt

Hamlet Lavastida bei Galerie Crone: Kubanische Kunst im Berliner Exil

Der kubanische Künstler Hamlet Lavastida wurde von Havanna ausgebürgert und lebt in Berlin. Bei der diesjährigen Documenta in Kassel wird er eine große Wandarbeit zeigen. In der Berliner Galerie Crone sind kubanische Erinnerungen zu sehen.

Fotos: Uwe Walter Berlin/Courtesy Galerie Crone, Berlin Wien

Hamlet Lavastida wurde wegen zivilen Ungehorsams ausgebürgert

Wir hätten ihn gern persönlich gefragt, wie es ihm geht nach den Turbulenzen der letzten zwei Jahren. Wie Hamlet Lavastida sein neues Leben im Berliner Exil gestaltet, was er aus seiner Heimat Kuba hört, wo nicht wenige kritische Künstler fest- und den Abhör- und Foltermethoden der kubanischen Staatssicherheit ausgesetzt sind. So, wie es ihm auch passiert ist.

Nach drei Monaten im berüchtigten Knast Villa Marista in Havanna wurde ihm im Herbst 2021 der Pass entzogen, die Ausbürgerung folgte. „Ziviler Ungehorsam“, lautete die Anklage. Zusammen mit seiner Partnerin, der Schriftstellerin Katherine Bisquet, wurde er nach Polen abgeschoben, von dort ging es nach Berlin. Er kannte die Stadt. Vor seiner Verhaftung war er gerade von einem einjährigen Stipendium im Künstlerhaus Bethanien nach Havanna zurückgekehrt. Nun arbeitet er wieder im Künstlerhaus Bethanien. „Hamlet Lavastida ist ein mutiger Künstler, der im Rahmen der Freiheit der Kunst handelt. Mit seinen Werken macht er von seinem Recht auf Meinungsfreiheit Gebrauch“, teilte dessen Leiter Christoph Tannert mit.

Wie Hamlet Lavastida das alles verarbeitet? Dazu der vernichtende Krieg in der Ukraine, der ihn emotional mitnimmt, wie sein Galerist Markus Peichl von der Galerie Crone sagt, weil es auch um die großen Themen des Künstlers geht: um Diktatur, Gewalt, Repression, Staatsmacht, Geschichtsfälschung. Um die Verdrehung der Fakten, der Realität. Um Fake-Narrative.

Viel unterwegs: Hamlet Lavastida baut in Kassel an einer Documenta-Arbeit mit, in Genf nahm er an einer
Menschenrechts-Konferenz teil. Foto: Yvonne de Andrés für Künstlerhaus Bethanien
Viel unterwegs: Hamlet Lavastida baut in Kassel an einer Documenta-Arbeit mit, in Genf nahm er an einer
Menschenrechts-Konferenz teil. Foto: Yvonne de Andrés für Künstlerhaus Bethanien

Berliner Ausstellung basiert auf auf Lavastidas Gefängnis-Erlebnissen

Doch an den Kubaner ist dieser Tage nicht heranzukommen für ein Interview in Berlin. Lavastida pendelt zwischen Kassel, Berlin und Genf. In der Schweiz nahm der 39-Jährige teil an einer viertägigen UN-Konferenz zum Thema Menschenrechte. Er gehört zur regierungskritischen 27N-Bewegung, jenen Künstler:innen und Kulturschaffenden, die im November 2020 vor das Kulturministerium in Havanna zogen und einen offenen Protest wagten: gegen die Repression des kommunistischen Regimes und die katastrophale Mangelwirtschaft im Karibikstaat.

Auf der Documenta 15 in Kassel wird er ab Juni eine große Wandarbeit im Rahmen des kollektiven Projektes Instar um die kubanische „Artivistin“ Tania Bruguera zeigen. Und zum Gallery Weekend bespielt er drei Räume der Berliner Galerie Crone mit immerhin 45 Arbeiten, allesamt im vergangenen Jahr entstanden. Eine Art raumfüllendes, fluides Installationsmosaik, in dem Kunst und politische Agitation sich untrennbar verweben. „Er hält sich wahnsinnig gut“, findet Markus Peichl. Lavastida hat die Möglichkeit, Kunst zu machen, das wirkt wie ein Katalysator.

Eines der Cut-Outs von Hamlet Lavistada. Fotos: Uwe Walter Berlin/Courtesy Galerie Crone, Berlin Wien
Cut-Outs von Hamlet Lavistada. Fotos: Uwe Walter Berlin/Courtesy Galerie Crone, Berlin Wien

Hamlet Lavastida ist so etwas wie ein politischer Archivar

Hamlet Lavastidas Arbeit besteht darin, über seine Heimat zu forschen, über die Geschichte des Landes, die Revolution, Mechanismen einer Einheitspartei, die Misswirtschaft. Er ist so etwas wie der politische Archivar, der eine kritische Erinnerungskultur im heutigen Kuba stärken möchte.  Zentral, so Peichl, sei das Manifest „Republik der Zuchthäuser“, das der Künstler für die Crone-Schau verfasst und visualisiert hat: basierend auf seinen Erlebnissen im Gefängnis, symbolisch für die Einschränkung der Bürger- und Freiheitsrechte auf Kuba. „Two Two Three Nine“ heißt seine Ausstellung: Im Gefängnis wurde er zu dieser Nummer degradiert. Sie ersetzte seinen Namen. Man ließ ihn im Ungewissen, wie lang er inhaftiert bleiben und wie es überhaupt für ihn weitergehen würde.

In einem Raum bei Crone zeigt er 20 seiner typischen Cut-Outs (80 mal 50 Zentimeter), kubanische Gefängnisbauten aus der Vogelperspektive, abstrahiert und zu grafischen Elementen reduziert. Satellitenaufnahmen bilden den Ausgangspunkt. „Fidel Castro versprach damals, die Gefängnisse in Schulen zu verwandeln“, sagt Peichl, „aber stattdessen wurden in den Jahren 200 Gefängnisse gebaut.“ Nicht nur Hamlet Lavastida weiß, was das heißt.

  • Crone Berlin Fasanenstr. 29. Charlottenburg, Di–Sa 12–18 Uhr, bis 18.6., online

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