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Mehr als Dada-Queen: Hannah Höch im Bröhan Museum

Die Kunstwelt feiert Hannah Höch gern als Dadaistin, dabei wandelte die Ausnahmekünstlerin entlang vieler avantgardistischer Strömungen: Expressionismus, Futurismus, De Stijl, Bauhaus, Surrealismus – und eben, vor allem in ihren Collagen, Dada. Mit der Ausstellung „Abermillionen Anschauungen“ zeigt das Bröhan Museum, was Höch angetrieben hat und in ihrem breit gefächertem Werk Ausdruck fand. Nämlich, dass es immer mehr als nur einen Blick auf eine Sache gibt. Die Ausstellung über ihr Lebenswerk bildet den Auftakt zu einer Reihe im Bröhan Museum, die Arbeiten von Künstlerinnen in den Mittelpunkt rücken soll.

Überblicksschau des Bröhan Museums ermöglicht Einsichten in das künstlerische Universum von Hannah Höch 

Als Leitfaden durch Höchs über 60-jähriges Schaffen hat sich Kuratorin Ellen Maurer Zilioli sogenannte Koordinaten gesucht. Diese stellt sie in acht Räumen vor,  darunter „Abstraktion und Ornament“, „Grotesken und Minis“ sowie „Dynamische Strukturen“. Über 120 Werke sind zu sehen, einige davon zum ersten Mal. Spannend sind vor allem die frühen und späten Jahre. Aus Gotha kommend, studierte Höch ab 1912 an der Charlottenburger Kunstgewerbe- und Handwerkerschule. In dieser Zeit entwarf sie Muster für Tapeten. Höch verdingte sich zwischen 1916 und 1926 beim Ullstein Verlag, für den sie mitunter Schriftvorlagen, Illustrationen und Handarbeitsvorlagen produzierte.

Die junge Frau war nicht nur äußerst produktiv, sondern pflegte regen Austausch mit Künstlern wie Raoul Hausmann und Kurt Schwitters. Auf einer Italienreise 1920 knüpfte sie Kontakt zu dem Futuristen Enrico Prampolini. Wenig später fanden sich ihre Eindrücke im Bild „Rom“ wieder. Vom Futurismus inspiriert, fällt es durch seine leuchtenden, klaren Farben auf: viel strahlendes Gelb, warmes Rot und ein erfrischendes Blau. Es setzt sich von den anderen Bildern ab, die überwiegend gebrochene Töne nutzen.

Ihre Arbeiten weiteten den Blick und passten nicht ins Weltbild der Nationalsozialisten. Doch Krankheit verhinderte Höchs Emigration. So zog sie sich in ein kleines Haus in Heiligensee zurück. 1943 entstand eines von vielen Selbstbildnissen, in denen sich die Künstlerin über die Jahre festhielt. Dieses ist besonders düster und reflektiert eine zermürbte, nachdenkliche Frau. Die erdrückenden Verhältnisse werden spürbar.

Hannah Höch: Ernste und zeitkritische Motive prägen die Ausstellung

Entdeckungen sind auch die abstrakten Motive der 1950er- und 1960er-Jahre, die eine andere Formensprache aufgreifen. Nicht nur die großen Bilder sind hier interessant, sondern auch die Miniaturen, die in einer Vitrine ausliegen. In ihnen entfalten sich weitere Seiten Höchs, teils privatere, wie bei den Strichfiguren, die gemeinsam in der Sonne spazieren.

Es zählt zu den Charakteristika von Höchs Arbeiten, dass vorrangig ernste und zeitkritische Motive die Ausstellung prägen. Oft sind die Bilder mysteriös. Das eigene Denken ist gefordert, auch, weil die Ausstellung ohne Bilderklärungen auskommt. Das ist ganz im Sinne Höchs, für die Kunst ein Erkenntnismedium war.

Das Bröhan Museum zeigt die Ausstellung über Hannah Höch. Foto: Imago/Joko

Höch behauptete sich in einer Männerwelt und blieb ein unabhängiger Geist. Sie ließ sich von niemandem vereinnahmen und ging unbeirrt ihren Weg in der vordersten Reihe der Kunst. Gerade deshalb wäre es interessant gewesen, mehr über sie zu erfahren. Doch auch so schimmert in der Ausstellung des Bröhan Museums eine große Intellektuelle durch.

  • Bröhan Museum Schloßstr. 1a, Charlottenburg, Di–So 10–18 Uhr, 8/5 €, 1.So + 1. Mi/Monat Eintritt frei, Zetifenstertickets: www.broehan-museum.de, bis 15.5.2022

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