Von der Kunstszene Istanbul aus lenkt er den Blick nach Diyarbakir in Anatolien. Dorthin, wo türkische und kurdische Kultur nicht immer einvernehmlich aufeinandertreffen. Da sieht man in einem Video von Sener Özmen zwei Männer auf einem Esel und einem Pferd, wie einst Don Quichotte und Sancho Panza, durch eine felsige Landschaft reiten und den Weg zur Tate Modern suchen. Mit Humor und performativem Spiel die Bruchstellen zwischen der eigenen Lebenswirklichkeit und den Ansprüchen der Moderne auszuleuchten. Das ist die Stärke der zehn mit Video und Fotografien arbeitenden Künstler in der Ausstellung. Cingiz Tekin zeigt eine absurde Szene, die man für eine pointierte Inszenierung hält – aber sie ist dokumentarisch. Mitten im Wohnzimmer eines dörflichen Hauses öffnet sich zwischen den Teppichen auf dem Fußboden ein großes Loch. Der Kanalarbeiter, der da drinsteht, hat die ausgehobenen Steine zu einem Wall aufgeschichtet; die auf dem Sofa Sitzenden schauen ihm zu.
Wenn bei Tekin der Einbruch der Moderne in eine noch nicht darauf vorbereitete Welt die Form einer Anekdote annimmt, dann wird bei Halil Altindere daraus ein Epos. In seiner Videoperformance „Mirage“ stehen sechs Männer, betend und sich gen Mekka verneigend, auf der Schaufel eines Baggers, und ein Bodybuilder lässt seine Muskeln mitten in einer kargen Landschaft spielen. Die ist der Schauplatz eines ökologischen und historischen Dramas. Die meisten der Videos sind nur fünf oder sieben Minuten lang und führen ohne Umwege in ihr Thema ein. Wovon sie erzählen, mag sehr ferne liegen; wie sie erzählen, ist es nicht.
Text: Katrin Bettina Müller
Foto: Halil Altindere: „Mirage“
tip-Bewertung: Sehenswert
Nicht einfach, die Welt in 90 Tagen zu retten Tanas, Heidestraße 50, Tiergarten, Di-Sa 11-18 Uhr, bis 13.3.