NFTs wühlen die globale Kunstwelt auf, überall entstehen derzeit Krypto-Projekte. Auch in Berlin formiert sich eine spannende Szene mit neuen Akteure:innen und alten Bekannten. Wir haben uns von ihnen in reale und digitale Welten mitnehmen lassen.
Berlins erstes virtuelles Museum für NFTs
Laptopdeckel hochgeklappt, ein paar Klicks, ein bisschen Tippen und schon stehe ich in der Eingangshalle eines Museums. Per Maus und Tastatur gleite ich durch den virtuellen Raum, neoklassisch angehaucht, mit Säulen und Statuen, in der Mitte plätschert ein großer Springbrunnen. An den Wänden hängen bunte Bilder mit Titeln wie „Bored Ape“, „CryptoPunks“– die schon jetzt ikonische Werke der NFT-Kunst sind. Ich befinde mich nämlich im „Musée Dezentral“, dem ersten Berliner 3D-Museum für digitale Kunst.
Vor knapp einem Jahr versetzte die Versteigerung von Beeples NFT-Bild „Everydays: The First 5000 Days“ für 69 Millionen Dollar beim Auktionshaus Christies die globale (Kunst-)Welt in Aufruhr und katapultierte Krypto-Technologie in das Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit. Und während diese noch mit dem Verstehen beschäftigt ist, heißt es in der globalen Kreativbranche: Machen! Jetzt! Auch in der Kultur- und Startup-Metropole Berlin formiert sich eine digitale Kunst-Infrastruktur mit virtuellen Ausstellungsräumen, NFT-Beratungs- und Produktionsagenturen. Wir haben einige der neuen Akteure:innen getroffen und mit ihnen gesprochen, denn diese neue Kunstwelt funktioniert nach neuen Regeln.
Wem vor lauter Tech-Sprech der Kopf schwirrt: Mit einem Non-Fungible-Token (NFT), einer Art digitalem Echtheitszertifikat, können digitale Objekte auf der dezentralen Datenbank Blockchain für jeden nachvollziehbar und unveränderlich registriert werden. Sprich: sie ermöglichen den exklusiven Besitz digitaler Güter, an sich leicht kopierbare Digitalkunst kann so zu einem Unikat werden und erhält Sammelwert. Mithilfe von sogenannten Smart Contracts können NFTs so programmiert werden, dass die Künstler:innen mit einem Prozentsatz an jedem Weiterverkauf finanziell beteiligt werden.
Zurück zum Musée Dezentral, genauer in das Kreuzberger Büro des Startups Ravespace, wo CEO Frank Hahn und seine Mitstreiter:innen seit Monaten auf die Eröffnung des virtuellen Museums am 15. Februar hinarbeiten. Bisher sind nur die Eingangshalle und ein Ausstellungssaal zugänglich, der von ausgesuchten Digital-Künstler:innen bespielt wird, erklärt der energische Hahn und zeigt auf den Bildschirm seines Kollegen. Der ist gerade dabei, mit hochkomplex aussehenden Programmen NFT-Bilderrahmen zu bauen. Darüber finanziert sich das Projekt: die im Hauptbau hängenden Rahmen können von jedem Interessenten erworben werden und mit der eigenen Kunst befüllt werden.
„Unsere Vision eines dezentralen Museums ist, dass sich Künstler, Sammler und einfach interessierte Menschen in einer unbeschränkten und attraktiven dreidimensionalen Welt begegnen, um sich in ihr über Kunst auszutauschen“, sagt Hahn. Denn das eigentliche Spezialgebiet von Ravespace ist die Erschaffung von 3D-Welten, die man unkompliziert über den Webbrowser betreten kann. Mit der Eröffnung werden sich mehrere Besucher:innen gleichzeitig als Avatare, also als virtuelle Personen, in der Ausstellungen bewegen, miteinander chatten können. Hahn ist überzeugt von der Entwicklung dieser sogenannten Metaversen, die auch unseren zukünftige Kunstkonsum beeinflussen wird. Trägt sich das Projekt finanziell, soll es zu einer Museumsinsel erweitert werden, auf der das Sammeln, Präsentieren und Vermitteln von Kunst im Fokus steht. Das ganze sei eine Herzensangelegenheit, so Hahn und ein Musterbeispiel dafür, wie die digitale und klassische Kunstszene miteinander verwoben werden können.
Pionierarbeit hat der Galerist Johann König vergangenes Jahr geleistet. Pandemiebedingt musste er nach digitalen Verkaufsmöglichkeiten suchen und schaffte mit dem Kunstmarktplatz Misa.Art den Schulterschluss zwischen den Welten. Neben physischen Kunstwerken werden hier NFTs gehandelt von Digital-Künstler:innen wie Manuel Rossner, deren Arbeiten mit den pixeligen Cryptokitties allein die Technologie verbindet. Auch die Galerie Nagel Draxler hat mit der Eröffnung des Crypto Kiosk 2021 einen Schritt hin zur Blockchain-Kunst gewagt.
Neue Akteure mischen mit NFTs die Berliner Kunstwelt auf
Anders als König und Draxler kommen viele der neuen Akteur:innen nicht aus der etablierten Kunstszene, streben mit ihren Ideen aber auch einen Brückenschlag zwischen der ihnen vertrauten Crypto- und Gaming-Szene und einem breiten Publikum an. So verfolgen Holzmarkt-Mitgründerin Ania Pilipenko und Unternehmer Michael Schneider mit Metawalls das Konzept, Berliner Urban Art in Form von kollektiven NFTs abzubilden. Die Stückelung von einem Werk in beliebig viele Token soll gemeinschaftlichen Kunstbesitz ermöglichen, die Community stärken. Für ihr erstes Projekt kooperierten sie mit dem Berliner Künstler Jim Avignon, dessen berühmtes Bild „Doing it cool for the east side”/„Moneymachine“ auf der East-Side-Gallery als sogenanntes Co-NFT im Januar auf den Markt ging. Die Stückelung ermöglicht eine zumindest finanziell niedrigschwelligeren Zugang zum neuen Kunstmarkt.
Sogar in in der virtuellen Welt Decentraland sind sie mit der Urban-Art-Galerie „The Embassy“ präsent – natürlich im Kunstviertel „Voltaire“ und in guter Nachbarschaft zu den virtuellen Repräsentanzen vom Auktionshaus Sotheby’s und der König Galerie. „Michael hatte die Idee einen Raum für Kunst auf Decentraland zu schaffen und ich hatte die Idee, die Berliner Streetart-Szene einzubeziehen, das ist die Community, die uns am nächsten steht“ erzählt Pilipenko bei einem Gespräch über Zoom.
Es ist ein Versuch, den gerade unkommerziellen Spirit dieser Kunst im öffentlichen Raum, die eben allen irgendwie gehört, in die NFT-Kunstszene zu überführen. Das mag widersinnig erscheinen. Zugleich bieten sich Künstler:in auf diesem Weg neue Möglichkeiten mit ihrer Kunst Geld zu verdienen, denn an jeder Verkaufstransaktion der Co-NFTs werden sie beteiligt. Anders als in der realen Welt jedoch, wo vom Verkauf der unzähligen Postkarten und sonstigen Artikeln mit Berliner Straßenkunst-Motiven für sie nichts abspringt. Für die Metawalls-Gründer:innen gehe es auch um die Interaktion und Partizipationund nicht den exklusiven Besitz eines Werks, mit dem man sich dann profiliert. „Das finde ich persönlich einfach langweilig, sagt Pilipenko.“
Wer mit NFT-Kunst erfolgreich sein will, braucht die Community
Für alle kreativen NFT-Startups ist der Aufbau einer Community essentiell. Denn sie verschafft Sichtbarkeit und Relevanz. Die bisher noch vornehmlich tech-versierten Kunstfans tummeln sich sich auf Twitter und der Kommunikationsplattform Discord, wo Künstler empfohlen und Trends gesetzt werden.
Auch das Team von BLNFT bemüht sich um den Aufbau einer Community, verfolgt jedoch eine ganz eigene Strategie. Beim Betreten ihrer loftigen Arbeitsräume in einem S-Bahnbogen an der Michaelbrücke fällt gleich ein Bildschirm ins Auge, auf dem ein 3D-Modell des Berghains rotiert. Es ist die digitalisierte Version des Kunstwerks „I have never been to Berghain“ des Künstlers Philip Topolovac. Aus dem physischen Korkmodell wird ein NFT, sagt Art-Director Oliver Kohlmann, das was ich hier sehe sei nur die Vorstufe.
Künstler:innen wie Topolovac kommen zu der jungen Firma, weil sie neugierig auf NFTS sind, etwas machen wollen aber keine Ahnung haben wie. Die lässige Gruppe aus Crypto- und Kunst-Aficionados um die Gründer Torben Jacobi und Sven Barth verbindet technisches Know-How mit einem breitem Netzwerk in die Berliner Kreativszene. Sie beraten und produzieren zusammen mit Künstler:innen NFTs, die interessant für den Markt sind und die Berliner Kultur abbilden, erklärt Jacobi das Geschäftsmodell. „Wir wollen Sachen greifen, die authentisch sind und keine Konstrukte generieren wie es sie bereits in Überfülle gibt. Uns reizt, vorhandene Kunst interessant in NFTs zu übertragen“, betont er.
Dass der Kunstmarkt in die Blockchain-Technologie übergehen wird, davon ist Jacobi überzeugt. Das sei gerade erst der Anfang. Wer bestehen will, muss einige Herausforderungen meistern. Denn noch ist der Zugang hochschwellig. Zunächst muss man einen digitalen Geldbeute samt Kryptowährung anschaffen. Die meisten NFTs laufen auf der Etherium-Blockchain und die Transaktionen mit dieser Währung sind mittlerweile teuer. Hinzu kommt der hohe Energieverbrauch sowie die teils massiven Kursschwankungen, die von politischen Entscheidungen oder aktuell düsteren Finanzprognosen abhängen und nicht zuletzt das Risiko, dass die Krypto-Blase platzt. Das sind alles Faktoren, die einen breiten Community-Aufbau jenseits von Krypto-Enthusiast:innen erschweren.
Digitale Kunst profitiert vom NFT-Boom
Eins ist klar: wer mitmacht, muss daran glauben. Daran, dass man mit einem Datensatz auf einer Blockchain einen Wert besitzt und daran, dass diese Technologie unser Leben nachhaltig verändern wird.
Für Anne Schwanz von der hybriden Galerie Office Impart, ist der große Profiteur des NFT-Booms die digitale Kunst an sich. Sie habe eine große Sichtbarkeit und Aufwertung erfahren. Schwanz setzt schon lange auf die Verschmelzung von on- und offline. „Es gibt immer mehr Künstler, die mit konzeptueller Digitalkunst ein neues Publikum finden“, sagt sie und sieht eine Chance, Menschen jenseits der klassischen Szene und über Ländergrenzen hinweg zu erreichen. „Wenn sich Tech- und Kunstexperten treffen, kann ein Mehrwert von Transparenz und Demokratie entstehen, der dem ganzen System gut tut.“ Es bleibt spannend, streitbar und spielerisch.
Musée Dezentral musee-dezentral.com
Metawalls metawalls.io
BLNFT blnft.io
Mehr über die Anfänge der Kyrptokunst und über NFT in Berlin erfahrt ihr hier. Ein weiterer großer Trend in der Kulturlandschaft sind immersive Ausstellungen. In Berlin könnt Ihr die Meisterwerke des großen Impressionisten Claude Monet in einer multimedialen Ausstellung erleben. Welche aktuellen Ausstellungen Ihr nicht verpassen wolltet, steht in unseren Kunst-Tipps – das beste aus Museen und Galerien.