Ausstellung und Gedenken

Nova Music Festival Exhibition: So wird an den 7. Oktober 2023 erinnert

Im Flughafen Tempelhof erinnert noch bis zum 16. November eine Ausstellung an den Überfall der Terrororganisation Hamas auf das Nova-Musikfestival und die Opfer des Anschlags, initiiert von den Festivalmachern selber. Wir haben sie uns angesehen.

Die Exponate der Nova-Festival-Ausstellung „October 7, 06:29 AM – The Moment Music Stood Still“ stammen vom Festivalgelände, das am 7. Oktober 2023 von der Hamas überfallen wurde. Foto: Imago/Maurizio Gambarini/Funke Foto Services

„Nova Music Festival Exhibition“: Im Vorfeld umstritten

Die Ausstellung „Nova Music Festival Exhibition“ im Flughafen Tempelhof hat schon vor ihrer Eröffnung am 7. Oktober für viel Aufregung gesorgt, denn sie steht in einem Konflikt, der die Welt spaltet.

Weil am 7. Oktober 2023 die  islamistische Terrororganisation Hamas das „Nova Music Festival“ überfallen hat, allein dort wurden an dem Tag 411 Menschen ermordet, 44 wurden als Geiseln genommen, insgesamt wurden an diesem Tag mehr als 1.200 Menschen in Israel ermordet und mehr als 250 verschleppt. Weil die darauf folgende Militäroffensive Israels gegen die Hamas im Gazastreifen nach Angabe des palästinensischen Gesundheitsministeriums mittlerweile 66.005 Leben auf palästinensischer Seite gekostet hat. Weil Israel-Unterstützer und Palästina-Unterstützer sich weltweit und auch in Berlin feindlich gegenüberstehen. Und weil es unter all denen, die fordern, dass das Leid im Gazastreifen sofort ein Ende haben muss, die Befürchtung gab, dass diese Ausstellung das Narrativ des israelischen Präsidenten Benjamin Netanjahu und der von ihm geführten Regierung unterstützen würde, warum Israel diesen Krieg führen muss.

Die politische Gesamtlage könnte kaum brisanter sein

Gleichzeitig haben erneute Friedensverhandlungen in Ägypten zwischen der israelischen Regierung und der Hamas begonnen und zu einem ersten Ergebnis geführt. Die überlebenden Geiseln sollen freigelassen werden, die israelische Armee wird sich zurückziehen, so der Plan. Unter Führung von Donald Trump scheint es nun endlich berechtigte Hoffnung zu geben, dass der Gaza-Krieg beendet werden könnte. Eine politische Gesamtlage also, in die die „Nova Music Festival Exhibition“ hineinfällt, die kaum brisanter sein könnte.

Wie kann man über so eine Ausstellung schreiben? Offenbar nicht mit denselben Kriterien, mit denen man über andere Ausstellungen schreibt. Deshalb habe ich zwei Entschlüsse gefasst: Ich schreibe in einem nüchternen Tonfall, um die Aufregung nicht weiter anzufachen. Und ich werde schauen, inwieweit die Ausstellung Hass schürt oder Versöhnung sucht und dazu geeignet ist, den Friedensprozess zu unterstützen.

Aber jetzt erst mal zu dem, was man in der Ausstellung sieht. Sie beginnt mit einem kurzen Film über das Nova-Festival vor dem Terroranschlag, ein Musikfestival, bei dem junge Menschen in einer großen Gemeinschaft ausgelassen tanzen. Wenn man diesen ersten Raum verlässt und durch einen schwarzen Vorhang geht, steht man auf einmal in einer fürchterlichen Szenerie, in zum Teil originalen Überresten des Festivalgeländes nach dem Massaker: In der großen Haupthalle des Flughafens Tempelhof liegen ausgebrannte Autos, stehen zerrissene Zelte, mobile Toiletten mit Einschusslöchern, die verwüstete Bar, Bäume, das Zeltdach, unter dem die Menschen getanzt hatten, mobile Bunker, die zur tödlichen Falle wurden. Gleich am Eingang laufen auf Monitoren Videos, auf denen die Angreifer den Überfall feiern. Man hört das Telefonat, das eine Mutter mit ihrer Tochter führt, bevor es abbricht. Sieht zwei junge Frauen in Todesangst.

Die Nova-Festival-Ausstellung zeigt junge Menschen in Todesangst

Auf großen Texttafeln steht die Chronologie der Ereignisse an diesem 7. Oktober. Das ist sehr emotional, sehr erschütternd, insbesondere die Videos, auch wenn man dort, zum Glück, die wirklich unerträglichen Szenen von Tötungen, Verstümmelungen und Vergewaltigungen nicht sieht.

Der nächste Abschnitt der Ausstellung ist ein Gedenkort. An den Wänden hängen die Fotografien der Ermordeten, Kerzen sind zu ihrem Gedenken auf langen Tischen aufgestellt, dazu gibt es Botschaften auf Papierkarten an die Ermordeten. An einer anderen Wand hängen die Porträtfotos der Geiseln, die noch im Gazastreifen gefangen gehalten werden. „Bring him/her home home now!“, steht auf den Fotografien.

Die „Nova Music Festival Exhibition“ schafft einen Gedenkort im Flughafen Tempelhof. Foto: Imago/Stefan Zeitz

Die Festival-Vision des „Nova-Tribes“ von Liebe und Gemeinschaft, die traumatischen Ereignisse, die Erinnerung und die Trauer um die Getöteten – die letzte Station der Ausstellung beschäftigt sich mit dem Thema der Heilung. „Worte haben die Macht, zu heilen und zu einen“ steht dort, und „Wir laden Sie ein, selbst Botschaften zu verfassen – für Heilung, Frieden, Hoffnung und Lieber zur Mutter Erde, unser aller Zuhause.“

Dieser „Heilungs“-Abschluss ist eine hippie-eske Festival-Utopie, eigentlich nicht meins, aber es tut wahnsinnig gut, eben nicht mit den Bildern der Ermordeten und der Trauer entlassen zu werden, sondern mit den Wissen, dass es tatsächlich Menschen gibt, die die Hoffnung auf Heilung noch nicht aufgegeben haben. Die Hoffnung auf Heilung erst einmal für die Leben der Angehörigen und Freunde der Opfer. Aber dann doch auch die Hoffnung auf Heilung für einen Konflikt, der so lange unlösbar schien, aber nun hoffentlich doch gelöst werden kann, die Hoffnung auf Frieden. Ich glaube, das ist keine Überinterpretation und war für mich die positive Überraschung dieser Ausstellung.

Die „Nova Music Festival Exhibition“ soll heilen

Initiiert wurde die Ausstellung von den Machern des Nova Festivals, die die „Tribe of Nova Foundation“ gegründet haben. Gezeigt wurde sie zuerst in Tel Aviv, danach in mehreren Stationen in den USA, jetzt in Berlin. Unterstützung in Deutschland kommt von politischer Seite, von Kai Wegner, Sarah Wedl-Wilson, Wolfram Weimer, Karin Priem, dem Freie Volksbühne e.V., aber auch der Botschaft des Staates Israel in Deutschland. Gefördert wird die Ausstellung von deutscher Seite mit knapp 1,4 Millionen Euro (Quelle: Tagesspiegel). Ein Teil der Eintrittsgelder geht an die Nova-Foundation, mit denen den Überlebenden des Terrorakts spirituelle und physische Heilung erfahren können.

Ist die Ausstellung also in allen Aspekten gelungen? Ich hätte mir gewünscht, dass sie mehr Raum zum Nachdenken, zur Distanz zum Dargestellten gibt. Man wird von Anfang an sehr stark emotional einbezogen, insbesondere der Raum, in dem das verwüstete Festivalgelände nachinszeniert ist, ist überwältigend. Man betritt diese dunkle Halle, steht in diesem schrecklichen Szenario mit dramatischer Lichtsetzung.

„We will dance again“ ist einer der hoffnungsvolleren Botschaften der „Nova Music Festival Exhibition“. Foto:

Da sind das Vorbild eher immersive Ausstellungen US-amerikanischen Zuschnitts, nicht die eher protestantische Herangehensweise von Kulturinstitutionen in Deutschland. Und ich hätte mir bei den Videomitschnitten eine Einordnung gewünscht. Wer hat sie aufgenommen? Wie sind sie in die Ausstellung gekommen?

Die zehntausenden Toten auf palästinensischer Seite werden in der Ausstellung nicht benannt. Es ist jedoch wichtig zu sagen, dass Empathie mit den Trauerenden auf beiden Seiten dieses Konfliktes möglich und nötig ist, Israelis und Palästinenser, Juden und Muslime. Es kann und muss für beides Raum sein. Beides darf jedoch nicht in Konkurrenz stehen. Hoffen wir, dass der Friedensplan unter Führung der US-Regierung funktioniert.

  • Nova Music Festival Exhibition Flughafen Tempelhof, Eingang Haupthalle, Platz der Luftbrücke, Tempelhof, 9.10.– 16.11.2025, Di–Do + Sa–So 11–20 Uhr, Fr 11–18 Uhr, montags geschlossen, Eintritt ab 7,40 Euro, nur mit Zeitfenstertickets, weitere Infos und Tickets online

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