Vor dem Berliner Aquarium schichten sich Schiefersteine zu einem scheinbar ungestalten Hügel auf. Doch verdankt sich Volker Bartschs „Ammonitenbrunnen“ am Olof-Palme-Platz sehr wohl kontrolliertem Kalkül, denn er ließ in einem sauerländischen Steinbruch die insgesamt 169 Steine nach exakten Vorgaben eines maßstabsgetreuen Modells sprengen. Betrachtet man das Ganze aus der Vogelperspektive, so ist Bartschs brüsker „Steinbruch“ eingebettet in die sanfte Schneckenform einer stilisierten Ammonitenschale. Bewusst wollte er mit seinem kühnen Brunnen einen Kontrapunkt setzen „zu dieser damals herrschenden Skulpturauffassung“ mit ihren postmodernen, glatt polierten Oberflächen.
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Im Stadtbild Berlins ist Bartsch so präsent wie kein anderer Bildhauer seiner Generation. Vor dem Henry-Ford-Bau erhebt sich die wie petrifizierte Astarme umklammernde „Perspektive“ – eine bildhauerische wie statische Meisterleistung und überdies die größte Bronzeskulptur Europas. Zum 60. Geburtstag hat ihm nun das Georg-Kolbe-Museum eine gehaltvolle Retrospektive eingerichtet. Erstaunlich ist Bartschs Bandbreite. Selten genug arbeitet ein Plastiker gleichermaßen figürlich, wie bei seinen feinen in den Stein geritzten Frauenfiguren, und abstrakt. Ende der 80er-Jahre entdeckt Bartsch den Schrottplatz als neues Materiallager. Für ihn besitzen die korrodierten, zerkratzten und in Siemens-Rot oder Thyssen-Blau angestrichenen Industriebleche die Ästhetik „alter Ikonen“. Seine Spezialität ist die Kombination von Stein und Metall. Auf öffentlichen Plätzen ein heikles Unterfangen: So wurde seine Skulptur „Seitigkeiten“ auf dem Matthäikirchplatz im letzten Sommer ihres bronzenen Teils beraubt.
Text: Martina Jammers
Foto: Annett Klingner / VG Bild-Kunst, Bonn 2013
tip-Bewertung: Sehenswert
Volker Bartsch Georg Kolbe Museum, Sensburger Allee 25, Charlottenburg, Di–So 10–18 Uhr, bis 10.11.
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