Ausstellungen

Ruth Wolf-Rehfeldt: Späte Ehre für eine große Berliner Künstlerin

Ruth Wolf-Rehfeldt hat den Hannah-Höch-Preis 2022 für ihr Lebenswerk erhalten. Viel zu lange dauerte es, bis die Berliner Künstlerin unter Kunst- und Museumsleuten Anerkennung erfuhr. Sie schuf ihre Werke mittels Schreibmaschine und war außerdem nicht Mitglied im offiziellen Kunstverband. Eine Ausstellung im Kupferstichkabinett zeigt, wie sehr Ruth Wolf-Rehfeldt den Hannah-Höch-Preis verdient hat.

 Die Collage „Gedankengänge (PEACE)“ von Ruth Wolf-Rehfeldt aus den 1980er-Jahren. Foto: Lutz Wohlrab
Die Collage „Gedankengänge (PEACE)“ von Ruth Wolf-Rehfeldt aus den 1980er-Jahren. Foto: Lutz Wohlrab

Wiederentdeckung von Ruth Wolf-Rehfeldt

Manches erinnert an Strickmustervorlagen, ähnelt Zierstickereien oder Webrapporten. Allerdings sind alle Motive mit der Schreibmaschine auf Papier ausgeführt und daher jetzt im Berliner Kupferstichkabinett zu sehen. Dabei passen Ruth Wolf-Rehfeldts „Typewritings“, wie ihre Schöpferin sie selbst nennt, nicht recht in die traditionellen Kategorien der Museumsleute: Druck oder Zeichnung, Original oder Kopie, darüber gibt es nicht immer Konsens.

Einigkeit bei den Fachleuten besteht nun wenigstens mit der Verleihung des Hannah-Höch-Preises für ein „herausragendes künstlerisches Lebenswerk“, dass das Werk der 1932 geborenen Wolf-Rehfeldt Anerkennung gebührt. Der Preis wird seit 1996 vom Berliner Senat vergebenen, ist mit 25.000 Euro dotiert und wird von einer Jury aus Berliner Museums‑ und Kunstvereinsleuten bestimmt.

Wolf-Rehfeldt wird mit der Preisverleihung noch einmal wiederentdeckt. Denn das in Ost-Berlin entstandene Werk endete bereits im Jahr 1990, umfasste nur knapp zwei Jahrzehnte und besteht aus rund 800 Arbeiten – alle zuerst mit der Erika-Schreibmaschine getippt, in den 1980er-Jahren kam dann auch eine IBM-Kugelkopf zum Einsatz.

Ruth Wolf-Rehfeldts Schreibmaschine „Erika“, Modell 12  vom Hersteller VEB Schreibmaschinenwerk in Dresden. Foto: Archiv Zentrum für Künstlerpublikationen, Weserburg Museum für moderne Kunst, Bremen, © Courtesy of the artist and ChertLüdde, Berlin
Ruth Wolf-Rehfeldts Schreibmaschine „Erika“, Modell 12 vom Hersteller VEB Schreibmaschinenwerk in Dresden. Foto: Archiv Zentrum für Künstlerpublikationen, Weserburg Museum für moderne Kunst, Bremen, © Courtesy of the artist and ChertLüdde, Berlin

Wolf-Rehfeldts Typewritings gingen von Berlin aus in die Welt

Mit dem Ende der DDR beendete die Künstlerin bewusst ihr Werk, das durch die speziellen (Kommunikations‑)Bedingungen im östlichen Deutschland geprägt war. Der Gebrauch der Schreibmaschine war eine Art Selbstermächtigung, Kunst zu machen –auch ohne künstlerische Ausbildung und (zunächst auch) ohne die Mitgliedschaft im offiziellen Künstlerverband. Kunstmachen aber hieß für Wolf-Rehfeldt: „Bewusstseinsbildung und Realitätsveränderung“ wie sie 1972 in einer Art Manifest feststellte. Ihr damaliger Slogan: „Tippe Deine eigene Kunst“.

Wolf-Rehfeldts Typewritings benutzen das Zeichen‑ bzw. Typenmaterial der Schreibmaschine ähnlich wie in der Konkreten Poesie, um Sinnfragen zu stellen. Dazu werden die formale Eigenheiten und Begrenzungen der Schreibmaschine auf dem Papier ausgelotet und produktiv gewendet. Das Wort „Bewegung“ kann dann etwa als Buchstabenkette wie eine Welle über das benutzte Blatt schwingen.

Später werden die Buchstaben mehr in ihrer rein grafischen Erscheinung verwendet. Es entstehen virtuelle Faltungen und illusionär räumliche Gebilde. Manche Arbeit – als Mail Art verschickt – kommt auch aus dem Ausland von anderen Künstlern mit Bildausschnitten versehen als Collage zurück.

Eine Ausstellung mit über 120 Exponaten

Dass Wolf-Rehfeldt sehr originell, formal virtuos, tiefschürfend und in der Entwicklung ihres Ansatzes sehr stringent vorging, zeigt sich jetzt in der zum Preis gehörigen Ausstellung mit ihren über 120 Exponaten. Hier werden Wolf-Rehfeldts Typewritings in den zeitlich parallelen Kontext von Konzeptkunst, Minimal Art und der Konkreten Poesie gestellt. Und siehe da: Wolf-Rehfeldt kann sich im Kreise von international Klassikern wie Joseph Kosuth, Sol LeWitt oder Richard Barry mühelos behaupten.

Etwas merkwürdig erscheint zunächst nur, dass das Zentrum der Ausstellung eine Arbeit von Maria Eichhorn einnimmt. Unter dem Titel „Return to Sender“ versammelt Eichhorn ausgerissene Postvermerke auf Briefumschlägen über misslungene Zustellungen. Die Pointe in Bezug auf Wolf-Rehfeldt könnte lauten: Das Werk hat nun endlich seinen Bestimmungsort erreicht: Es ist das Museum und das heißt: Wir alle sind als Adressaten von Wolf-Rehfeldt gemeint.

Autor: Ronald Berg

  • Kupferstichkabinett Kulturforum Matthäikirchplatz, Tiergarten, Di–Fr 10–18 Uhr, Sa/So 11–18 Uhr, 6/ 3 €, bis 18 J. + 1. So/ Monat frei, bis 5.2.2023

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