Mit den Willem Hallen gibt es nun auch in Reinickendorf einen ambitionierten Raum für Kunst: Auf dem Gelände einer ehemaligen Eisengießerei sind wechselnde Ausstellungen zu sehen. Zwei davon haben wir besucht: „Yes to All“ ist eine Gemeinschaftsschau von Berliner Galerien, bei den „Berlin Masters“ hingegen werden Arbeiten junger Kunstschaffender, die in Berlin leben, ausgestellt. Wir haben uns das Programm der Wilhelm Hallen angesehen – und festgestellt, dass die sehr unterschiedlichen Arbeiten doch Gemeinsamkeiten haben.
Ästhetische Apokalypse in den Wilhelm Hallen
Wer sich an Julius von Bismarcks Filminstallation „Fire with Fire“ (2020) erfreuen will, sollte keinesfalls zuvor „Die Wälder des Nordens“ sehen. Der Arte-Beitrag, in der hier zu sehen, erklärt, warum in der Taiga Brände nötig sind, die vom Klimawandel angefachten Feuer dagegen die borrealen Wälder langfristig schädigen, doch am schlimmsten Großrodungen sind. Von Bismarcks monumentale Aufnahmen aus brennenden Nordwäldern dagegen, die bereits in Bonn gezeigt wurden, kennen keine Unterschiede. Hier ist Feuer gleich Feuer: gespiegelte Bilder, Bass-Sounds und flimmernde Skulpturen stilisieren einen Taigabrand zur ästhetischen Apokalypse.
Muss man nicht gut finden. Dennoch ist von Bismarcks Arbeit in einem Punkt symptomatisch für die Kunst in den Wilhelm Hallen. In „Yes to All“, der Gemeinschaftsschau von acht Berliner Galerien und in der Präsentation der neunten „Berlin Masters“ geht es oft um Natur.
Verbranntes Holz findet sich auch bei Gereon Krebber und dem RHO Kollektiv in der großen Galerienhalle sowie bei Gil Delindro, der bei den „Berlin Masters“ das sechswöchige Stipendium in Südfrankreich gewonnen hat: Delindro entlockt einem rotierenden Stück verbrannten Eichenkorks Klänge. Den mit 10.000 Euro dotierten „Berlin Master Award“ dagegen hat Young-jun Tak für eine skulpturale Installation erhalten, die die Homophobie konservativer Christ:innen in Südkorea thematisiert.
Bei den acht weiteren Kandidat:innen kommen unter anderem ein Pferd, Pandas, Ratten, Felle und ein Wolf vor. Natur und Umwelt bleiben Trendthema. Das passt paradoxerweise zu den Wilhelm Hallen, einer ehemaligen Eisengießerei am Reinickendorfer S-Bahnhof Wilhelmsruh, die für Handwerk, Kunst und Büros umgestaltet wird. Die Backsteinbauten wurden zwischen 1898 und 1918 errichtet, in der industriellen Hochzeit Berlins. Die Kohle, die damals verfeuert wurde, heizt die heutigen Themen der Kunst noch immer mit an.
- Wilhelm Hallen Kopenhagener Str. 60–72, Reinickendorf, , Sa+So 11./12.9. 12–19 Uhr, Mi–Fr 15.–17.9. 14–19 Uhr, Sa+So 18./19.9. 12–19 Uhr, Eintritt: 5, erm. 3,50 €, bis 18 J. frei, Tagestickets hier
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