Ein Sensationsfund in Moskau: 2016 entdeckte der ukrainische Fotograf und Künstler Arthur Bondar verschollene Fotografien aus dem Oderland. Die Bilder von Valery Faminsky zeigen den Vormarsch der Roten Armee. Der sowjetische Frontfotograf muss seine Kamera heimlich auf die verwundeten Soldaten, die verängstigten Zivilisten auf der Flucht und die zerstörten Häuser in Brandenburg und Berlin gehalten haben, denn die schonungslose Dokumentation der Kriegsschrecken lag keinesfalls im Interesse der sowjetischen Propaganda. Eigentlich hätte Faminsky die Aufnahmen vollständig abgeben müssen, verbotenerweise behielt er jedoch die Negative. Nach seinem Tod 1993 interessierte sich niemand für dafür. Erst mehr als 20 Jahre später stellten seine Nachkommen eine Anzeige ins Internet. Arthur Bondar, der vorher schon mit Archiven und Fundstücken zur kollektiven Erinnerung, Identität und Nation arbeitete, meldete sich…
Die Aufnahmen ermöglichen eine weitestgehend unbekannte Perspektive auf die letzten Tage des „Dritten Reichs“. Man sieht sowjetische Soldaten bei einer Feuerpause an den Seelower Höhen. Entspannt sitzen sie an einem Tisch, im Hintergrund steht ihr Panzer. Kurz danach kehrten sie wohl zurück in ein Gemetzel, dem zehntausende Soldaten zum Opfer fielen. Die Gräuel der letzten großen Schlacht sind bis heute auf den Seelower Höhen zu spüren. Ein weiteres Bild zeigt Rotarmisten auf dem Weg zum Verbandwechsel. Vom Krieg gezeichnet, mit leeren Blicken und Bandagen kehren sie zur Truppe zurück. Zivilisten flüchten aus dem Berliner Umland. Ein schwerverletzter Mann liegt in einem blutverschmierten Kinderwagen. Der Krieg ist noch nicht vorbei. Valery Faminsky schafft es Alltag in den unalltäglichsten Situation zu finden. Besonders erschreckend sind auch die Bilder vom zerstörten Berlin. Der Reichstag und die Friedrichstraße in Trümmern.
Valery Faminskys Kriegsfotografien zeigen Zerstörung und Hoffnung
Auf anderen Fotos schimmert schon etwas Hoffnung hindurch. Gelöste Soldaten beim Kartenspielen, neugierige Blicke von kriegsmüden Kindern, Momente des Friedens. Die Kontraste überzeugen. Nicht ohne Grund heißt die Ausstellung „Zwischen Zerstörung und Hoffnung. Oderland und Berlin im Frühling 1945 – Fotografien von Valery Faminsky“, die bis zum 13. April in der Stiftung Schloss Neuhardenberg zu sehen ist. Am 5. April führt Arthur Bondar durch die Ausstellung. Persönlich wird er über seinen Fund, seine Arbeit und Faminsky berichten. Anschließend liest Udo Samel Erlebnisberichte von Soldaten und Zivilisten bei der „Schlacht um die Seelower Höhen“. Insgesamt sind in Neuhardenberg, das unweit von den damaligen Kriegsschauplätzen liegt, 38 Fotografien zu sehen. Anlass ist der 80. Jahrestag der größten Schlacht des Zweiten Weltkriegs auf deutschem Boden.
Die Kabinettausstellung findet in Kooperation mit Buchkunst Berlin statt. Die Publikation „Valery Faminsky – Berlin Mai 1945“ ist im Stiftungsshop zu erwerben.
- Schloss Neuhardenberg Orangerie, Schinkelplatz, 15320 Neuhardenberg, Mi–So + Feiertage 11–18 Uhr, Ausstellung bis 13.4., 5€, erm. 3 €, Führung mit Arthur Bondar + Lesung mit Udo Samel, Sa 5.4., 15 Uhr, 20 €, erm. 16 €, weiter Infos online
- Auf Instagram: buchkunstberlin, schlossneuhardenberg, arthurbondar
Bildergalerie: „Zwischen Zerstörung und Hoffnung. Oderland und Berlin im Frühling 1945 – Fotografien von Valery Faminsky“
Trümmer und Wiederaufbau: Berlin 1945 – Fotos vom Kriegsende im Vergleich mit der Gegenwart. Die Stadt und ihre Narben: An diesen Stellen findet ihr noch immer Spuren des Zweiten Weltkriegs in Berlin. Rund um den Jahrestag vom Kriegsende besuchen viele Menschen das Sowjetische Ehrenmal im Treptower Park – mehr zur Grünanlage hier. Wir waren unterwegs zu besonderen Orten. Spuren des Zweiten Weltkriegs auf historischen Spaziergängen in und um Berlin: Unsere Empfehlungen. Noch mehr historische Spaziergänge: Folgt mit uns dem Mauerweg. Eine Gegenüberstellung von damals und heute für die Zeit der Teilung: Fotos von der Berliner Mauer und denselben Orten heute. Wir blicken immer wieder zurück: Besucht unsere Rubrik zur Berliner Geschichte.