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100 Berlin-Romane, die man gelesen haben sollte (Teil 2: 1966 bis 1989)

Im zweiten Teil unserer Liste mit den 100 Berlin-Romanen, die man gelesen haben sollte, widmen wir uns der Zeit des Kalten Krieges. Genauer den Jahren 1966 bis 1989. Zwar beschäftigen sich viele Autoren wie Stefan Heym und Otto Basil noch mit den Folgen des Dritten Reichs, doch es weht langsam ein anderer Wind. Agententhriller wie Len Deightons „Winter“ erzählen von den Auseinandersetzungen der Weltmächte USA und Sowjetunion und immer wieder steht die Frontstadt Berlin im Zentrum des Geschehens.

In Krimis von -ky und Pieke Biermann, etwa „Zu einem Mord gehören zwei“ oder „Potsdamer Ableben“, werden die sozialen Wirklichkeiten der Mauerstadt ausgeleuchtet, ebenso in „Ein Mord am Lietzensee“ von Richard Hey. Daneben veröffentlichen Ingeborg Drewitz, Thomas Brasch und Jurek Becker wichtige Berlin-Bücher in jener Zeit und mit „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ erlangt die düstere Drogenszene West-Berlins weltweite Aufmerksamkeit. Nicht nur David Bowie ist von Christaine F. angetan.

Die Liste ist streng chronologisch geordnet. Im zweiten Teil finden Sie Romane aus den Jahren 1966 bis 1989. Wir wünschen viel Vergnügen auf der literarischen Reise tief in die Seele Berlins.

„Wenn das der Führer wüsste“ von Otto Basil, 1966 

Bereits im Dritten Reich saß Otto Basil wegen „Verspottung des Führers“ im Gestapoknast. 1966 schrieb er dann diesen satirischen Alternativweltroman, in dem die im Krieg siegreichen Nazis an Überschätzung, falschen Mythen und wahnsinniger Ideologie zu Grunde gehen. LuG


„Zu einem Mord gehören zwei“ von -ky, 1971

Der glücklose Geschäftsmann Tomaschewski überfällt eine Bank. Dummerweise begegnet ihm dabei ein alter Bekannter. Der muss mit und landet im Keller. Ein Psychoduell beginnt. -ky lieferte mit seinen ersten Romanen ein genaues Porträt dieser Stadt und ihrer Bewohner nach ’68.  LuG


„Die neuen Leiden des jungen W.“ von Ulrich Plenzdorf, 1972

Ulrich Plenzdorf vermengt in seinem Roman „Die neuen Leiden des jungen W.“ Goethes Werther mit J.D. Salingers „Der Fänger im Roggen“, streut ein bisschen Robinson Crusoe mit ein und schreibt die Geschichte seines Protagonisten Edgar Wibeau, einem Ostdeutschen, der in der DDR mit siebzehn Jahren durch einen Stromschlag getötet wird. Nach seinem frühen Tod nimmt Edgars Vater Kontakt zu Freunden und Bekannten seines Sohnes auf, um nachzuholen, was er zu Lebzeiten versäumte – seinem Kind nahe zu sein. Nina Sabo


„Ein Mord am Lietzensee“ von Richard Hey, 1973     

Heute ist Soziokrimi fast schon ein Spottwort, aber Richard Hey nahm die soziokulturellen Hintergründe, die zum Verbrechen führen, durchaus ernst. Und er war der Erste, der mit Katharina Ledermacher eine Frau zur Hauptperson eines Polizeikrimis machte. LuG


„Was will Niyazi in der Naunynstraße?“ von Aras Ören, 1973

Der erste Teil seiner „Berliner Trilogie“ war das erste Werk eines in Deutschland lebenden Türken, der die Perspektive der „Gastarbeiter“, ihre Wünsche, Ängste und Integrationsprobleme beschrieb. Mit dem Epos setzte Ören 1972 Kreuzberg ein literarisches Denkmal. -icke


„Ich hab noch einen Toten in Berlin“ von Ulf Miehe, 1973

Genau wie sein Kollege und Freund Jörg Fauser ist auch Ulf Miehe viel zu früh (1989) verstorben. Er fehlt heute sehr, war sein Ansatz des Krimis doch sehr amerikanisch, geprägt von Dashiell Hammett (dem Allerbesten!). In „Ich hab noch einen Toten …“ geht es um den Überfall auf einen Geldtransporter der Alliierten zur Zeit der Berliner Besatzung, bei dem so ziemlich alles schief geht.


„Irreführung der Behörden“ von Jurek Becker, 1973

Jurek Becker ist einer der besten und wichtigsten Nachkriegsautoren in Deutschland. Und auch wenn „Irreführung der Behörden“ nicht sein bester Roman ist, diese Mischung aus märchenhafter Poesie und Berliner Alltag, die kriegt niemand so schön hin.


„5 Tage im Juni“ von Stefan Heym, 1974

Zeithistorischer Roman um den Arbeiteraufstand 1953 in der DDR, mit dem es sich Stefan Heym mit den SED-Bonzen verscherzte. Dass der realistische Stoff um den Genossen Martin Witte zuerst im Westen erschien (und erst 1989 auch in der DDR), tat dabei ein Übriges. Rik


„Franziska Linkerhand“ von Brigitte Reimann, 1974

Zehn Jahre hat Reimann an diesem Roman geschrieben, nur um dann; viel zu früh vom Krebs besiegt, eine Romanruine zu hinterlassen. Und was für eine! 1974 in der DDR und im Westen erschienen ,entwickelte sich das Buch zu einem feministischen Fanal, die Geschichte einer Frau, zwischen Ökonomie und Ideologie. Authentisch und stark!


„Guten Morgen, Du Schöne“ von Maxie Wander, 1977

Natürlich waren Maxie Wander und ihr Mann Fred privilegiert: Mit ihren österreichischen Pässen konnten sie die DDR ja jederzeit verlassen. Doch obwohl ihr Buch mit Gesprächsprotokollen von Frauen jeden Alters und jeder Herkunft von den ostdeutschen Zensurbehörden nur mit knirschenden Zähnen akzeptiert wurde, avancierte es in der linken Szene in Ost und West zum Kultbuch.


„Vor den Vätern sterben die Söhne“ von Thomas Brasch, 1977

In Prosa-Miniaturen zeigt Autor Thomas Brasch den Alltag der DDR und beleuchtet dabei die verzweifelte Loyalität seiner Romanfiguren. „Vor den Vätern sterben die Söhne“ thematisiert in sachlich-klarer Sprache die existenzielle und politische Revolte in Ost-Berlin. Nina Sabo


„Gestern war heute: Hundert Jahre Gegenwart“ von Ingeborg Drewitz, 1978

Drewitz beschreibt das Leben einer kleinbürgerlichen Familie in Berlin vor allem aus Sicht der Frauen vom Geburtsjahr der Hauptfigur Gabriele 1923 bis zum Jahr 1978. -icke


„Ich trug den gelben Stern“ von Inge Deutschkron, 1978

Inge Deutschkrons packender Bericht über ihre Erlebnisse als jüdisches Mädchen im Nazi-Berlin von 1933 bis 45, die zunehmende Drangsalierung und Verfolgung, die sie mit viel Glück in der Blindenwerkstatt Otto Weidt am Hackeschen Markt und ab 43 untergetaucht mit Hilfe nichtjüdischer Freunde überlebte, ist heute Schullektüre. Die Bühnenadaption „Ab heute heißt Du Sara“ steht seit 1989 ununterbrochen auf dem Spielplan des Grips Theaters. -icke


„Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ von Christiane F., 1978

West-Berliner erinnern sich mit Grauen an die Horden von westdeutschen Schulkindern, die mit diesem Buch in der Hand rund um den Banhhof Zoo zogen. Christiane F. als Rollenmodell, deren trauriges Schicksal man wie mit einem Reiseführer ablaufen kann? Trotzdem trifft der Vorwurf des Sozialpornos das Buch nicht. Die beiden „Stern“-Reporter Kai Hermann und Horst Rieck haben einfach nur die West-Berliner Wirklichkeit abgebildet, ungeschminkt und nicht immer schön.


„Nixpassiert“ von Antonio Skármeta, 1978

Vor Pinochet flüchtete der chilenische Autor Antonio Skármeta in den 70er-Jahren nach West-Berlin. Auch sein 13-jähriger Protagonist in der Coming-of-Age-Geschichte muss mit seinen Eltern aus Chile emigrieren, erlebt Vorurteile, Ablehnung und Ignoranz, macht aber auch erste Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht und lernt die Degustationen im KaDeWe zu schätzen. Das Buch wurde 1978 unter dem Titel „Aus der Ferne sehe ich dieses Land“ verfilmt. -icke


„Im Namen der Hüte“ von Günter Kunert, 1978

Günter Kunert, einer der bekanntesten DDR-Lyriker, hat 1967 mit „Im Namen der Hüte“ sein Romandebüt vorgelegt. Kunerts Protagonist heißt Henry, ist noch keine 18 Jahre alt und muss sich kurz vor Kriegsende im ausgebombten Berlin durchschlagen. Es entspinnt sich ein fantasievoller Schelmenroman in den Trümmern der Stadt. Streckenweise erinnert das an Grass’ „Blechtrommel“, denn auch Henry hat besondere Fähigkeiten: Er kann Gedanken anderer Menschen lesen – jedenfalls, wenn er ihre Hüte trägt. CW


„Der schöne Vogel Phoenix“ von Jochen Schimmang, 1978

„Erinnerungen eines Dreißigjährigen“ nennt Schimmang seinen Debütroman „Der schöne Vogel Phoenix“. Es ist ein Buch über den Prozess der Desillusionierung und über das Erwachsenwerden – was ja oft zusammenfällt. Halb autobiografisch geht es um die letzten Reste des 68er-Aufbruchsgeistes, um Studium in West-Berlin, die sektiererischen K-Gruppen und den Bruch mit ihnen. Murnau, so heißt der Erzähler, blickt verträumt-melancholisch auf eine Jugend zurück, die eher Möglichkeit geblieben ist, als Wirklichkeit zu werden. CW


„Die Glücklichen“ von Peter-Paul Zahl, 1979  

Zehn Jahre saß der 2011 verstorbene Peter-Paul Zahl von 1972 bis 1982 in Haft, und dort schrieb er auch den selbst so bezeichneten „Schelmenroman“ mit dem Titel „Die Glücklichen“. Und obwohl mit verschiedensten literarischen Formen die Lektüre nicht eben leicht macht, erfährt man hier einen authentischen Blick auf die ganz linke Kreuzberger Szene von einem Insider. Der „Spiegel“ schrieb 1980: „Aber sein oppositionelles Helden-Epos geriet Zahl eher zur idealisierenden, ausweglosen Burleske. Seine Schelmen gondeln am Schluß in einem Ballon durch die Luft, gen Süden. Das ist schön und farbenprächtig vorstellbar, aber als politische Utopie kaum brauchbar.“ MS


„Der Junge der Ripley folgte“ von Patricia Highsmith, 1980

Nicht der beste der Romane um den skrupellosen, aber charmanten Schurken Thomas Ripley, aber der einzige der in Berlin spielt und eine heute noch gültige Liebeserklärung an den Flughafen Tegel enthält. LuG


„Der Mauerspringer“ von Peter Schneider, 1982

Wie sie sich anfühlte, die gespaltene Stadt in den frühen 80ern, das erspürte Peter Schneider in seinem essayistischen Erzählband um zwei Schriftsteller – einer Ost, einer West –, der schon 1982 mit Marius-Müller Westernhagen in der Hauptrolle verfilmt wurde. Rik


„Der fremde Freund“ von Christoph Hein, 1982

Christoph Hein erzählt in seinem Roman „Der fremde Freund“ die Geschichte einer Ost-Berliner Ärztin Anfang der 80er Jahre in der DDR. Im Vordergrund der Geschichte stehen die Ängst, das Misstrauen und die Frustration der kinderlosen und geschiedenen Ich-Erzählerin, die sich zunehmend von ihrer Außenwelt entfremdet. Nina Sabo


„Schlangenmaul“ von Jörg Fauser, 1985

Der Ex-Journalist Harder ist „Bergungsexperte für außergewöhnliche Fälle“. Als er jedoch den Auftrag bekommt, ein verschwundenes Mädchen zu suchen, gerät er in einem Strudel aus Korruption und windigen Baugeschäften. In Berlin, so kann man bei Lesen dieses Spätwerks des ehemaligen tip-Redakteurs Jörg Fauser erkennen, ändert sich nie was, egal ob Rote, Schwarze oder Grüne am Drücker sind, nur die Namen sind anders. LuG


„Potsdamer Ableben“ von Pieke Biermann, 1987

Richard Hey lieferte die Vorlage, Pieke Biermann perfektionierte das Subgenre Soziokrimi in der Mauerstadt. Dementsprechend heißt ihre Ermittlerin auch Karin Lietze (nach „Mord am Lietzensee“). Biermanns Stil, geschult am „Camera Eye“ eines John Dos Passos oder Alfred Döblin, ist nicht immer leicht zu lesen, ihre Schilderung der Verfassung im Berlin der 80er-Jahre trotzdem extrem lesenswert.


„Winter“ von Len Deighton von 1988

Len Deightons Spionageromane spielen oft in Berlin. „Winter“ verknüpft die Bücher um den Agenten Bernard Sampson miteinander, erzählt Vor- und Seitengeschichten aus diesem Meisterwerk und wird dabei selber zu einem der allerbesten Berlin-Romane, die jemals geschrieben wurden. LuG


„Feuer in Berlin“ von Philip Kerr, 1989

Philip Kerr hat den Blick eines Ausländers auf das Berlin der Nazizeit und kann sich deshalb so manche politische Unkorrektheit leisten, die für deutsche Autoren unmöglich sind. Dazu gehört auch, das sein Held Bernie Gunther im Verlauf dieser Romanreihe (bis zu seinem Tod 2018 hat Kerr 14 Romane der Berlin-Noir-Serie geschrieben) schuldlos schuldig wird. Denn immer wieder muss Bernie mit den verhassten Nazis zusammenarbeiten.


Die 100 besten Berlin-Romane – Teil 3

Im ersten Teil stellten wir die 100 besten Berlin-Romane von den 20er Jahren bis in die Nachkriegszeit vor. In Teil drei rücken wir von der Wiedervereinigung bis 2009 vor.

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