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100 Berlin-Romane, die man gelesen haben sollte (Teil 3: 1990 bis 2009)

Mauerfall und Wendezeit verändern die Stadt und damit die Literatur. Im dritten Teil der Liste mit den 100 Berlin Romanen, die man gelesen haben sollte blicken wir auf die Jahre 1990 bis 2009. Mit Ian McEwan, Alain Robbe-Grillet, Robert Harris und Cees Nooteboom setzen sich international bedeutende Autoren mit Berlin auseinander und stellen die Weichen für die, nicht nur auf literarischer Ebene folgende Internationalisierung der etwas vergessenen Mauerstadt.

In Büchern von Thomas Brussig, Adolf Endler und Wladimir Kaminer wird das Erbe der DDR verhandelt. Und 2001 erscheint ein lustig-verpeilter Roman, der ins Kreuzberger Milieu der 1980er abtaucht: „Herr Lehmann“ von Sven Regener wird ein Riesenerfolg. Aber auch Romane von Judith Herrmann und Katja Lange-Müller prägen das Bild Berlins in den Nuller-Jahren.

Die Liste ist streng chronologisch geordnet. Im dritten Teil finden Sie Romane aus den Jahren 1990 bis 2009. Wir wünschen viel Vergnügen auf der literarischen Reise tief in die Seele Berlins.

„Unschuldige“ von Ian McEwan, 1990

1955 gruben Amerikaner und Briten in der „Operation Gold“ einen Tunnel in Berlin. Darauf bezieht sich auch Ian McEwans „Unschuldige“. Hauptfigur ist ein junger Brite, der nach Deutschland geschickt wird, um unter Tage für alliierte Geheimdienste Abhöraktionen durchzuführen. Berlin ist nach dem Zweiten Weltkrieg schließlich Hauptstadt der Spionage. Viel wichtiger ist dem Fernmeldetechniker in geheimer Mission allerdings die Liebe zu einer Deutschen. Dass das durchaus blutig endet, verrät der lakonische Untertitel „Eine Berliner Liebesgeschichte“ nicht. CW


„Mit dem Rücken“ zur Wand von Klaus Kordon, 1990

Berlin 1932/33: Arbeitslosigkeit und Wohnungsnot erreichen ihren Höhepunkt, die Weimarer Republik neigt sich dem Ende zu und die Nazis greifen nach der Macht. Der 15-jährige Hans Gebhard ist Arbeiterkind und lebt als Kind von KPD-Mitgliedern im Wedding. Eigentlich ist er unpolitisch, doch angesichts prügelnder SA-Leute, seiner jüdischen Freundin und seinem Nazi-Schwager wird er gezwungen, Stellung zu beziehen.


„Vaterland“ von Robert Harris, 1992

Im März 1964, kurz vor dem 75. Geburtstag des Führers, wird am Wannsee die Leiche eines alten Parteigenossen und hochrangigen SS-Manns gefunden. Der Kripobeamte Xaver März beginnt zu ermitteln und stößt auf das größte Geheimnis der Nazis, die in diesem Buch den Krieg gewonnen und Europa unterkocht haben. Das deutsche Feuilleton war von dem Buch not amused. LuG


„Ein Brasilianer in Berlin“ von João Ubaldo Ribeiro, 1994

1990, im Jahr nach der Wende, lebte Ribeiro ein Jahr in Berlin. Seine Eindrücke und Erlebnisse mit den Deutschen und ihren Stereotypen beschreibt er herzlich-ironisch in 15 Episoden, vermutlich ohne zu ahnen, dass seitdem mit seinem hier und in seiner Heimat zum Longseller avancierten Buch, Deutschschüler in Brasilien das Nachwende-Berlin und uns Deutsche erstmals liebevoll spöttisch kennenlernen. -icke


„Aimée und Jaguar“ von Erica Fischer, 1995

Erica Fischer hat die Lebens- und Liebesgeschichte der Lilly Wust aufgeschrieben. Wust verbringt ein unglückliches Leben als Hausfrau an der Seite ihres Nazi-Ehemanns, als sie sich 1942 in die 21-jährige Jaguar, eine Jüdin, verliebt. Durch das Versteckspiel wachsen die beiden noch enger zusammen: Sie schreiben Briefe, schließen einen Ehevertrag. Doch ihr Glück währt nur kurz. XB


„Helden wie wir“ von Thomas Brussig, 1995

Thomas Brussigs Protagonist Klaus Uhlzscht glaubt, er habe die Mauer ganz allein zu Fall gebracht – mithilfe seines Schwanzes. Doch bevor die Leser*innen herausfinden, wie er zu dieser Annahme kommt, erfahren sie, wie sein Leben bis dahin verlaufen ist: Uhlzscht ist geplagt von Komplexen und einem finsteren Vater, außerdem ist er anfällig für Propaganda. Am Ende wird er Stasi-Mitarbeiter. Doch eigentlich widerspricht die Arbeit dort seinen Überzeugungen. XB


„Brennholz für Kartoffelschalen“ von Horst Bosetzky, 1996

Das Werk des großen Volksschriftstellers Horst Bosetzky teilt sich in drei Bereiche auf: die Soziokrimis, die True Crimes und die autobiografischen Erzählungen, wie diese hier. Bosetzky schildert hautnah, was es heißt, unmittelbar nach dem Krieg in bitterer Armut aufzuwachsen. Und er verliert doch nie den Humor und wird niemals verbittert.


„Die Sache mit Randow“ von Klaus Schlesinger, 1996

Klaus Schlesingers elfter Roman beschäftigt sich mit der Gladow-Bande, deren Kopf im Buch den Namen Radow trägt. Die Gladow-Bande überzog ganz Berlin zur Blockadezeit 1948/49 mit zahlreichen Einbrüchen. 1950 wurde Werner Gladow in Ost-Berlin zur Abschreckung zum Tode verurteilt. Der Roman beschreibt nicht nur die Konflikte zwischen Ost und West, sondern hauptsächlich die Spannungen zwischen Jung und Alt. XB


„Tarzan am Prenzlauer Berg“ von Adolf Endler, 1996

Als der Prenzlauer Berg noch subversiv war, war Endler dessen Tarzan. Dies war eines der Pseudonyme, unter denen der in der DDR mit einem faktischen Publikationsverbot belegte Lyriker und Prosa-Autor das dissidente, renitente Bohème-Leben der grauen 80er in den einstürzenden Altbauten Ost-Berlins nachzeichnete, wo Suff konstitutiv, Promiskuität natürlich und SED-Staatsverachtung selbstverständlich waren. Rik


„Allerseelen“ von Cees Nooteboom, 1998

„Ich bin ein Meister der Vorläufigkeit. Gerade das verbindet mich mit Berlin“, hat Cees Nooteboom einmal über die Stadt gesagt. Ein melancholisches Denkmal hat er dem noch unfertigen, wiedervereinigten Berlin mit „Allerseelen“ gesetzt. Der Episodenroman, aus der Sicht eines niederländischen Flaneurs geschrieben, führt in Kellerkneipen und Weinlokale, durch lange Nächte und mitten in Schlägereien – wobei die Handlung um den niederländischen Fernsehredakteur Arthur Daane fast egal ist, so sehr stehen Momentaufnahmen und philosophischen Abschweifungen im Vordergrund. CW


„Sommerhaus, später“ von Judith Hermann, 1998

Judith Hermann lässt ihre weiblichen Protagonistinnen in Kurzgeschichten über das Alltägliche erzählen. In ihren Erzählungen reflektiert sie mit nüchtern klarer Sprache das Lebensgefühl einer Generation und nimmt dabei die Berliner Künstler-Studenten*innen-Szene Ende der 90er Jahre in den Fokus. Mit ihrem Erzählband „Sommerhaus, später“ wird Hermann als Wegbereiterin der „Fräuleinwunder“-Literatur gesehen und feierte ihren literarischen Durchbruch. Nina Sabo


„Herr Lehmann“ von Sven Regener, 2001

Frank Lehmann, antriebsarmer Barkeeper in der Kneipe Einfall, philosophiert sich durch das Kreuzberg des Herbstes 1989, kriegt Elternbesuch, verliebt sich in eine Köchin, sieht seinen Kumpel Karl abdrehen. Mit „Herr Lehmann“ etablierte Sven Regener sein eigenes Lehmann-Universum, das in den Folgejahren immer weitere lustige Verzweigungen bekam. Rik


„Schönhauser Allee“ von Wladimir Kaminer, 2001

In Wladimir Kaminers „Schönhauser Allee“ wird das Panoptikum bemerkenswerter Menschen, Schicksale und Begebenheiten gezeichnet. Mitten auf der Schönhauser Allee wird von Vietnamesen, Spielotheken und einem überfüllten Müllcontainer erzählt, der so manchen Bibliotheks-Schatz in sich birgt. Nina Sabo


„In Plüschgewittern“ von Wolfgang Herrndorf, 2002

Von München bis nach Hamburg über Schleswig-Holstein und schließlich nach Berlin reist der 30-jährige Protagonist, der sich gerade von seiner Freundin Erika getrennt hat. In Berlin strandet der quer durch Deutschland reisende Romanheld, der dort einen ehemaligen Studienkollegen besucht. Hals über Kopf stürzt er sich in sein nächstes Liebesabenteuer, kann in Berlin allerdings nicht so recht Fuß fassen und verzweifelt an seinen gescheiterten Beziehungen. Nina Sabo


„Die Wiederholung“ von Alain Robbe-Grillet, 2002

Fünf Tage in Berlin, November 1949: Als Agent eines französischen Nachrichtendienstes wird Henri Robin in die Trümmerhauptstadt Berlin beordert, um einen nächtlichen Mordanschlag am Gendarmenmarkt zu beobachten. Alain Robbe Grillets „Die Wiederholung“ wird von Kritikern als Nouveau Roman gelobt und setzt sich experimentell mit dem Berlin der Nachkriegszeit auseinander. Nina Sabo


„Selam Berlin“ von Yadé Kara, 2003

Der Romanheld Hasan Kazan ist 19 Jahre alt, als er beschließt am Tag der Wende nach Berlin zurückzukehren und Istanbul hinter sich zu lassen. Yadé Karas Roman thematisiert das Erwachsenwerden in Zeiten des Umbruchs, die Suche nach der großen Liebe, nach Identität und Heimat. „Selam Berlin“ gilt als beliebtes Beispiel interkultureller deutschsprachiger Literatur und wurde 2004 mit dem Adelbert-von-Chamisso-Preis ausgestattet. Nina Sabo


„Berlin Fidschitown“ von Detlef Bernd Blettenberg, 2003

Blettenbergs abgedrehter Krimi führt in die Berliner Unterwelt, ins Reich vergessener Tunnel und geschmuggelter Zigaretten. Sein Protagonist Farang ist Thailänder mit deutschen Vorfahren, den es nun von Bangkok nach Deutschland verschlägt. Dort gerät er prompt zwischen die Fronten rivalisierender vietnamesischer Banden. Aber ganz allein muss er sich nicht durchschlagen: Er erhält Unterstützung von der Polizistin Romy Asbach und einer Journalistin namens Heliane Kopter. CW


„Boxhagener Platz“ von Torsten Schulz, 2004

Ost-Berlin, 1980. Oma Otti, fast 80, sechste Ehe, will wieder heiraten. Der alte Nazi Fisch-Winkler wird erschlagen. Ottis Enkel Holger will den Mord aufklären. Und drüben, im Westen, revoltieren die Studenten. Am Boxhagener Platz in Friedrichshain gehen die schrägen, liebenswerten, seltsamen Gestalten rum. Und Torsten Schulz schreibt alles auf, dass es eine Freude ist. RIK


„Mein Jahr als Mörder“ von Friedrich Christian Delius, 2004

Friedrich Christian Delius stellt eine grundsätzliche Frage nach Schuld, indem er sich der historischen Figur des NS-Richters Hans-Joachim Rehse annimmt. Er untersucht, ob jemand, der zwar nach geltendem Recht handelte, dieses aber zu Mord und Verbrechen führte, in einer anderen Zeit verurteil werden kann. Erzählt wird die autobiografisch geprägte Geschichte aus der Sicht eines Berliner Studenten, der mit dem Sohn eines der Opfer befreundet ist.


„Berliner Verhältnisse“ von Raul Zelik, 2005

Als sich Marios WG-Küche immer mehr mit wohnungslosen rumänischen Bauarbeitern füllt, fasst er einen Plan: Um die Asylsuchenden aus seiner Wohnung zu kriegen, muss er ihren Lohn eintreiben und verwandelt seine WG kurzerhand in ein zwielichtiges Inkasso-Unternehmen. Raul Zeliks Roman „Berliner Verhältnisse“ zeichnet ein Stadtporträt „von unten“ und spielt humorvoll Klischees und Skurrilitäten an. Nina Sabo


„Böse Schafe“ von Katja Lange-Müller, 2007

Katja Lange-Müllers Roman „Böse Schafe“, der in den späten 80ern spielt, erzählt von Soja, einer West-Berlinerin, die sich in den drogenabhängigen Harry verliebt. Auch nach seinem Tod kann sich Soja nicht von ihm lösen, in langen Briefen und Tagebucheinträgen erzählt Autorin Katja Lange-Müller die Geschichte ihrer Protagonistin. Nina Sabo


„Der nasse Fisch“ von Volker Kutscher, 2007

1929 in Berlin, „Blutmai“ heißen die Tage. Die Berliner Polizei geht mit Gewalt gegen KPD-Demonstrationen vor, zahlreiche Menschen sterben. In dieser aufgeheizten Stimmung spielt Volker Kutschers „Der nasse Fisch“. Der Krimi ist der erste Teil der Reihe um den Kommissar Gereon Rath, der am Alexanderplatz in Deutschlands damals modernster Mordkommission ermittelt. Russen im Exil, deren Gold einen Putsch finanzieren soll, die SA, die ebenfalls hinter dem Vermögen her ist, und ein wildes Berlin am Abgrund – aus diesen Zutaten ist ein furioser Roman entstanden. Kein Wunder, dass die Serienadaption ebenfalls ein großer Erfolg wurde. CW


„Die Mittagsfrau“ von Julia Franck, 2007

1945 flieht Helene mit ihrem siebenjährigen Sohn von Stettin in den Westen und lässt das Kind an einem Bahnhof in Vorpommern zurück. In Berlin beginnt sie nach den schweren Kriegsjahren ein neues Leben ohne zurückzuschauen. Julia Franck erzählt hier einen dramatischen Familienroman der Nachkriegszeit in Berlin. Nina Sabo


„Buch der Wolken“ von Chloe Aridjis, 2009

Peinlich: Aridjis ist US-Mexikanerin, die diese Stadt vor ihrem Aufenthalt kaum kannte. Und trotzdem ist dies der Berlin-Roman, den deutsche Autoren gerne geschrieben hätten: fiebrig, halluzinatorisch, melancholisch. Ein Buch über eine Stadt im Wandel, die ihre Rolle zwischen Vergangenheit und Zukunft noch nicht gefunden hat. Und – vielleicht – niemals finden wird. In der U-Bahn erscheint Hitler als alte Frau. Im Untergrund gibt es eine Kegelbahn der Gestapo. Freundschaft ist unmöglich.


„Es war in Berlin“ von Gabriele Beyerlein, 2009

Zwei Frauen aus unterschiedlichen sozialen Schichten am Ende des 19. Jahrhunderts versuchen, in der von Männern dominierten Gesellschaft einen Weg zu finden. Immer wieder geraten große geschichtliche Ereignisse und private Biografien aneinander. Das Buch ist nach „In Berlin vielleicht“ und „Bülowstraße 80 a“, der Abschluss von Beyerleins „Berlin-Trilogie“, die natürlich komplett gelesen werden sollte.


Die 100 besten Berlin-Romane – Teil 4

100 Berlin Romane

Weiter geht es mit dem vierten Teil, der die besten Berlin-Romane bis heute auflistet.

Der erste Teil der 100 Berlin-Romane, die man gelesen haben sollte, führte von den goldenen Zwanzigern bis in die Nachkriegszeit. Von dort bis zum Mauerfall reichte der zweite Teil. Und wer es musikalisch mag: Das sind 100 wichtige Berlin-Platten.

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