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African Book Festival 2021 : Die Themen werden weltweit wichtiger

Beim African Book Festival 2021 geht es um Fragen von Herkunft, Familie und Flucht – Themen von wachsender globaler Relevanz. Am 16. und 17. Juli findet es dieses Jahr statt, ausnahmsweise aber nicht im Babylon in Mitte, sondern im Freiluftkino Rehberge. Das Programm zeugt in diesem Jahr erneut vom kosmopolitischen Blick – und von der Vielfalt der Kunst, denn ausschließlich um Literatur geht es längst nicht mehr.

Kalaf Epalanga, Festivalkurator, Schriftsteller, Musiker – und jetzt auch Berliner. Foto: David Pattinson
Kalaf Epalanga, Schriftsteller, Musiker, Kurator des African Book Festival 2021 – und jetzt auch Berliner. Foto: David Pattinson

Was tun, wenn man irgendwo in Simbabwe als Mädchen in ein armseliges Dorf hineingeboren wird? In dem für Frauen nichts als Arbeit und Kinderkriegen vorgesehen ist? Tambu, eine Figur der simbabwischen Schriftstellerin Tsitsi Dangarembga, ist so ein Mädchen. Kein durchschnittliches Mädchen allerdings. 

Denn statt sich ihrem Schicksal zu ­fügen, erkämpft sie sich mühsam Bildung und Unabhängigkeit. Zum Preis, sich von ihrer Familie zu entfremden und sich, oft innerlich einsam, in den andauernd kolonial-rassistischen Strukturen des einstigen Rhodesiens behaupten zu müssen. Dangarembgas 1988 ­erschienener ­Roman „Nervous Conditions“ –  in Deutschland kam er 1991 eher unbeachtet als „Der Preis der Freiheit“ beim Rowohlt Verlag und, 2019, unter dem Titel „Aufbrechen“ beim Berliner Orlanda Verlag heraus – war der Beginn einer Trilogie und begründete den Ruhm der Schriftstellerin. 

Soziale und moralische Konflikte

„In ihrer Romantrilogie beschreibt Tsitsi Dangarembga am Beispiel einer heranwachsenden Frau den Kampf um das Recht auf ein menschenwürdiges Leben und weibliche Selbstbestimmung in Simbabwe“, schrieb die Jury des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels Mitte Juni. Und: „Dabei zeigt sie soziale und moralische Konflikte auf, die weit über den regionalen Bezug hinausgehen und Resonanzräume für globale Gerechtigkeitsfragen eröffnen.“ Am 24. Oktober soll Tsitsi Dangarembga in der Frankfurter Paulskirche der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen werden. 

Dass die simbabwische Autorin 2019 die Kuratorin des African Book Festivals (ABF) in Berlin war, darf getrost als Ausdruck der stets hochkarätigen Besetzung dieses erst seit 2018 existierenden, jährlichen Festivals aufgefasst werden. Anerkannte Autor:innen wie der gebürtige Nigerianer Chris Abani („Grace Land“), die gebürtige Ghanaerin Ayesha ­Harruna Attah („Die Frauen von Salaga“) oder der gebürtige Kongolese Fiston Mwanzi ­Mujila („Tram 83“) traten beziehungsweise treten bei diesem Festival an.

Das African Book Festival hat den kosmopolitischen Blick

Die Bezeichnung „gebürtig“ könnte dabei fast schon als typisch gelten. Denn so ­etwas wie „Heimat“ ist bei vielen Autor:innen des African Book Festivals fluide: Sie leben nicht zwingend in dem Land, in dem sie geboren wurden, haben womöglich sogar die Nationalität gewechselt. Auch die diesjährige Festival-Teilnehmerin Sharon Dodua Otoo (zuletzt: „Adas Raum“) etwa, sie war 2016 Bachmann-Preisträgerin, wird bei Wikipedia als „britisch-deutsche Schriftstellerin, Publizistin und Aktivistin“ geführt und lebt seit 2006 in Berlin, ist Kind ghanaischer Eltern. Die Erfahrungen von Globalisierung – viele afrikanische Autor:innen, nicht nur die aus der Diaspora, haben sie am eigenen Leibe erlebt.

Der kosmopolitische Blickwinkel ist einer von vielen Gründen, warum das African Book Festival so relevant ist. Schließlich begegnen wir hier Erzählungen von Ausgrenzungs- und Fremdheitserfahrungen, Selbstbehauptungen oder – mitunter interkultureller – Liebe und ihren Missverständnissen, die das Erleben eines wachsenden Teils auch der deutschen Bevölkerung wiederspiegelt: Vor allem junge Großstädter:innen aus der Generation Z, selbst wenn sie persönlich nicht über den viel ­zitierten „Migrationshintergrund“ verfügen, erleben die wachsende Anzahl von in Deutschland lebenden Menschen türkischer, arabischer oder eben afrikanischer Herkunft alltäglich als Freund:innen, Klassenkamerad:innen, Kommilton:innen oder Arbeitskolleg:innen. 

Auch beim African Book Festival Tsitsi Dangarembga: Preisgekrönt – und nicht auf eine -Ausdrucksform festzulegen. Foto: Hannah Mentz
Tsitsi Dangarembga war Kuratorin des African Book Festivals 2019. Sie ist preisgekrönt – und nicht auf eine -Ausdrucksform festzulegen. Foto: Hannah Mentz

Als die Black-Lives-Matter-Bewegung für den 6. Juni 2020 zur Schweige-Demo wegen des gewaltsamen Todes des US-Amerikaners George Floyd an den Alexanderplatz rief, waren unter den rund 15.000 Demonstrierenden jedenfalls auch auffallend viele weiße junge Menschen, die sich gegen Rassismus positionierten.

Um die spannenden Fragen von „Herkunft, Familiengeschichte, Flucht oder auch Erfahrung in sozial und politisch unruhigen Zeiten“ geht es auch beim diesjährigen African Book Festival, das am 16. und 17. Juli Pandemie-bedingt diesmal nicht im Kino Babylon in Mitte, sondern in dem definitiv nicht weniger attraktiven Freiluftkino Rehberge stattfinden wird. 

Kurator ist in diesem Jahr der gebürtige Angolaner Kalaf Epalanga, der ­inzwischen in Berlin lebt und seinen ­Fokus auf lusophone Literatur setzen wird, also auf die Werke Schwarzer Autor:innen aus Angola, Mosambique oder Portugal. Dass Epalanga nicht nur Schriftsteller, sondern auch Musiker und Plattenlabel-Betreiber ist, könnte übrigens ebenfalls als typisch für die Autor:innen des ­African Book Festivals gelten: Sie lassen sich ungern nur auf eine Ausdrucksform festlegen. Tsitsi Dangarembga jedenfalls hat als Filmemacherin inzwischen mindestens so viel Anerkennung erlangt wie als Schriftstellerin.

  • African Book Festival Freiluftkino Rehberge, Windhuker Str., Wedding, 16.– 17.7., 12.30–18 Uhr (Einlass: je 12 Uhr), Tickets und mehr Infos hier

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