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Berlin verstehen

„Alex, Zille und Spione“: Berlin-Lexikon für Kinder erzählt Stadtgeschichte

Was muss man über die Stadt wissen? Das weiß Kristina Volke und hat ein Berlin-Lexikon für Kinder geschrieben: In „Alex, Zille und Spione“ erzählt sie von A wie „Alex“ bis Z wie „Zille“ die schönsten, spannendsten und komischsten Geschichten aus Berlin. Volke führt zu wichtigen Orten, erinnert an historisch bedeutende Ereignisse, hat aber auch stets den Blick auf amüsante und abseitige Anekdoten. So finden sich neben Königen, Fürsten und Trümmerfrauen auch der Döner, die Berliner (Eis-)Bären und die Currywurst. Es ist ein lehrreiches Buch, das neugierig auf Berlin macht. Wir sprachen mit der Autorin über die Herausforderungen, Kindern geschichtliche Fakten zu vermitteln, den Umgang mit problematischen Themen und ihren Lieblingsbegriff.

Das alte Berlin: Kurfürstenbrücke und das Berliner Schloss. Foto: Imago/Artkoloro
Das Kinder-Lexikon „Alex, Zille und Spione“ blickt auf die Geschichte. Hier seht ihr das alte Berlin: Kurfürstenbrücke und das Berliner Schloss. Foto: Imago/Artkoloro

„Spaß macht Berlin in der Zusammenschau von Schloss und Mietskaserne“

tipBerlin Frau Volke, Sie haben mit „Alex, Zille und Spione“ ein Berlin-Lexikon geschrieben, das sich speziell an Kinder richtet. Weiß der Nachwuchs zu wenig über unsere Stadt?

Kristina Volke Ich glaube, die meisten Kinder wissen Einiges über die großen Sehenswürdigkeiten, sie sind ja auch Teil des Berliner Lehrplans. Aber Spaß macht Berlin in der Zusammenschau von Schloss und Mietskaserne, Ku’damm und Hausbesetzern, Urvogel und Nofretete. Berlin ist voller Geschichten, in denen sich die große Geschichte mit kleinen Begebenheiten mischt – und deshalb für Kinder interessant und abenteuerlich wird. Es kam mir darauf an, zu jedem Stichwort eine Miniatur zu schreiben, in der es – entgegen dem Titel – eben nicht nur um lexikalisches Wissen geht, sondern um die großen und kleinen Geschichten hinter den Jahreszahlen und Baumeistern.

Ein Beispiel: Kaum einer weiß, dass die DIN-Norm in Berlin erfunden wurde. Aber interessiert Kinder das? Wohl kaum. Wenn man aber erzählt, dass Briefe nur in Umschläge und die wiederum in Briefkastenschlitze passen, wenn Papier und Umschlag bestimmte Größen haben, wird es vorstellbar. Und das ist der Schlüssel: Die Begriffe und Namen und Zeiten und Ereignisse müssen für Kinder vorstellbar werden, indem man an Fragen oder Geschichten anknüpft, die sie sich vorstellen können.

tipBerlin Haben Sie sich mit Berliner Kindern im Rahmen Ihrer Recherchen unterhalten, was wussten die Kids und wo sahen Sie Lücken?

Kristina Volke Ich habe selbst zwei Kinder und viele im Freundeskreis und weiß, dass sie einiges wissen, aber zu diesem Wissen eher ein Verhältnis wie zu jedem Schulstoff hatten: muss man halt wissen, interessant ist es nicht. Wenn ich ihnen aber von den Pinkeltonnen erzählt habe, die vor der Einführung der großartigen Berliner Pinkelhäuschen „Café Achteck“ überall in Berlin herumstanden – übrigens auch im Eingang des Schlosses – dann hatte ich ihr Interesse. Das habe ich bei vielen Stichworten probiert und hoffentlich gute Lösungen gefunden.

In "Alex, Zille und Spione" erfährt man auch Wissenswertes über eine der berühmtesten Berlinerinnen aller Zeiten: Marlene Dietrich. Foto: Imago/IMAGO/Everett Collection
In „Alex, Zille und Spione“ erfährt man auch Wissenswertes über eine der berühmtesten Berlinerinnen aller Zeiten: Marlene Dietrich. Foto: Imago/IMAGO/Everett Collection

tipBerlin Was sollte man denn über Berlin wissen und wie erkläre ich das einem 12-jährigen Kind, das sich vermutlich eher für andere Dinge interessiert?

Kristina Volke Über Berlin muss man wissen, dass es viele Jahrhunderte alt ist und in dieser Zeit sowohl Residenzstadt (wird auch erklärt) der preußischen Könige, als auch Ort der Industrialisierung und Massenarbeit war. Dass es sich im Laufe der Zeit von einem kleinen Marktflecken an der Spree zu einer riesigen Metropole wuchs und man diese Spuren des Wachstums überall sehen kann. Dass in Berlin die Mauer stand und die Stadt damit Mittelpunkt einer der größten Konflikte des 20. Jahrhunderts war. Natürlich auch, dass Berlin seit Jahrhunderten Einwandererstadt ist, in der kulturelle Einflüsse aus Europa und der Welt sich mit dem Ur-Berlinerischen gekreuzt haben. Dass Marlene Dietrich Berlinerin war und Berlinerinnen mit ihrem ersten Filmerfolg begannen, Hosen zu tragen. Dass es auf dem Saturn auch einen Müggelsee gibt… und so weiter. 

„Alex, Zille und Spione“: Von Adlon bis Zuckerbäckerstil

tipBerlin Ihr Lexikon beginnt mit „Abgeordnetenhaus“ und „Adlon“ und es endet mit „Zoo“ und „Zuckerbäckerstil“. Wie kam die Auswahl der Schlagwörter zusammen?

Kristina Volke Es begann zunächst mit den typischen Begriffen wie „Checkpoint Charlie“, „Schloss“ und „Gründerzeit“, weitete sich dann aber immer weiter aus, weil in Berlin einfach eins zum anderen führt. Wenn man etwa von den Volksbädern erzählt, kann man auch vom Adlon berichten, denn das war in den ersten Jahren nicht nur ein Hotel, sondern auch der gediegene Rückzugsort für wohlhabende Berliner Bürgerfamilien, die hier im Gegensatz zu ihren Wohnungen eine eigene Badewanne und fließend warmes Wasser fanden.

tipBerlin Unter H findet man nicht „Hitler“ dafür aber „Holocaustmahnmal“. Haben Sie auf bestimmte Begriffe oder Ereignisse bewusst verzichtet, eben weil sich das Lexikon an Kinder richtet?

Berlin ist vor allem Atmosphäre: Offenheit, Freiheit, eine gewisse Unverfrorenheit

Kristina Volke Hitler kann man nicht in einen kleinen Absatz beschreiben, ohne eine Abscheulichkeit nach der nächsten aufzuzählen – und auch dann würde man dem Namen nicht gerecht werden. Da sind mir das Holocaust-Mahnmal und das Bayerische Viertel lieber – es erzählt von den Opfern der Hitler-Diktatur und ist übrigens nur einer von vielen Stichpunkten, in denen ich von jüdischem Leben in der Stadt berichte, ganz bewusst nicht nur aus der Opferperspektive. Andere Stichpunkte wie das Viermächteabkommen oder der Zweite Weltkrieg wären ähnlich schwierig in der pointierten Zusammenfassung, das überlasse ich dann lieber den Geschichtslehrern.

tipBerlin Dafür finden sich hier schöne Begriffe wie „Fatzke“ oder „Laubenpieper“. Wollten Sie neben historischen Fakten auch so etwas wie die Seele der Stadt vermitteln?

Kristina Volke Unbedingt! Berlin ist vor allem Atmosphäre: Offenheit, Freiheit, eine gewisse Unverfrorenheit, das Nebeneinander von Adel und Arbeitern, von Oper und Leierkastenmann, vom Soldatenkönig und dem Hauptmann von Köpenick. Und natürlich gehören die Currywurst und der Döner als Berliner Erfindungen genauso dazu wie die Frage, wer eigentlich ein echter Berliner ist.

tipBerlin Verraten Sie uns zum Abschluss Ihr liebstes Schlagwort?

Kristina Volke „Berlinerisch“ und „Berliner Schnauze“. Ich lach mich jedes Mal schlapp, wenn mein Sohn versucht, die Beispiele in echt Berlinerisch nachzusprechen.


Alex, Zille und Spione – Das Berlin-Lexikon für schlaue Kids und wissbegierige Eltern von Kristina Volke, Braus, 144 Seiten, mit 266 Einträgen, 19,95 €


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