Ein gewisses Restrisiko besteht schon, wenn für die Große Berliner Büchernacht 2012 am 21. Juni (Kulturbrauerei) ein Spezial zur Fußballeuropameisterschaft eingeplant ist. An diesem Abend wird in Warschau das erste Viertelfinale ausgespielt, Sieger Gruppe A gegen Zweiter Gruppe B. Deutschland ist in Gruppe B. Gemeinsam mit den Niederlanden, Portugal und Dänemark. Die „Todesgruppe“. Man möchte ja nicht zu viel grübeln. Aber wer weiß, ob Deutschland zum EM-Spezial der Büchernacht noch im Turnier ist. Jedenfalls spielt sich die Autorennationalmannschaft, kurz Autonama, bei der Büchernacht in den Vordergrund, das kann eigentlich gar nicht traurig werden. Beim Organisator, dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels, heißt es, am Programm werde noch gearbeitet. Aber es sieht danach aus, dass der bekannte Autonama-Sportskamerad Moritz Rinke, im Nebenberuf auch Dramatiker, dann sein neues Buch „Also sprach Metzelder zu Mertesacker. Lauter Liebeserklärungen an den Fußball“ vorstellen wird, das Mitte April bei KiWi Paperback erscheint und die Fußballgeschichte in fiktiven Dramuletten durchdekliniert.
Zum Beispiel, wie sich die Herrn Beckenbauer, Rehagel und Matthäus nach dem deutschen EM-Vorrunden-Aus 2004 höchst eigenwillige Gedanken um den nächsten Bundestrainer machen. Überhaupt bietet so ein EM-Jahr eine schöne Gelegenheit, seine Ballsport-Allgemeinbildung auf den neuesten Stand zu bringen. Dazu gibt es in diesem Jahr einige interessante Neuerscheinungen, die über reine europameisterliche Wissensvermittlung hinausgehen. Im März erscheint bei der Edition Tiamat „Warum England immer verliert und andere kuriose Fußballphänomene“ von Simon Kuper und Stefan Szymanski, wobei uns auf die erste Frage schon mal spontan zwei mögliche Antworten einfallen: In England kann keiner vernünftig Elfmeter schießen, und Torhüter, die welche halten, gibt es gleich gar nicht. War doch leicht. Der Journalist und Fußballanthropologe Kuper, der vor allem für britische und holländische Blätter arbeitet, und der Sportmanagement- Professor Szymanski aus Michigan gehen die Fußballfragen allerdings weitaus fundierter an und fragen beispielsweise nach dem Millionenirrsinn auf dem Transfermarkt, oder warum eigentlich Spanien den internationalen Fußball dominiert und nicht die deutlich bevölkerungsreichere und kapitalstärkere USA.
Über Verheerungen im internationalen Fußballgeschäft schreibt seit Jahren auch Thomas Kistner von der „Süddeutschen Zeitung“. Nach Büchern über das „Milliardenspiel“ oder auch die „Strippenzieher“ im deutschen Fußball erscheint im April bei Droemer/Knaur „FIFA-Mafia. Die schmutzigen Geschäfte mit dem Weltfußball“, das vermutlich FIFA-Präsident Sepp Blatter nicht an seine Freunde verschenken wird. Eine Berliner Geschichte schließlich, die auf einem Weddinger Bolzplatz beginnt, erzählt der „FAZ“-Sportredakteur Michael Horeni: „Die Brüder Boateng. Drei deutsche Karrieren“ (Tropen). Kevin-Prince beendete mit einer Blutgrätsche Michael Ballacks Nationalmannschaftskarriere und spielte bei der WM 2010 für Ghana, Halbbruder Jйrфme für Deutschland und der Älteste, George, für den Nordberliner SC. Das Buch über Brüder, Söhne, Väter, Integration (geglückte, gescheiterte) erscheint Mitte März.
Noch offen ist dagegen ein anderer bedeutsamer Termin des EM-Jahres: El classico – Die Literaten gegen die Cineasten. Wie uns Moritz Rinke wissen ließ, werde für das ultimative Match der Autonama-Literaten – trainiert von Dettmar Cramer – gegen deutsche Schauspieler – angefragt sind unter anderem Peter Lohmeyer, Matthias Brandt und Thomas Thieme – noch ein Termin gesucht. Entweder kurz nach der Großen Buchnacht oder am Tag nach der Deutschen Filmpreis-Verleihung am 28. April. Vorteil des früheren Termins: Er liegt vor dem EM-Start. Jogi Löws Truppe ist dann auf jeden Fall noch guter Hoffnung.
Text: Erik Heier
Foto: Norbert Kron
AUSGEWÄHLTE TERMINE
Januar
Max Goldt Neue, unveröffentlichte Texte des Kleist-Preisträgers und Titanic-Kolumnisten.
28.1., Heimathafen Neukölln
Februar
„Brecht Tage 2012“ Vorträge und Diskussionen unter dem Motto „Aussicht Exil. Die aktuelle Brecht-Rezeption in den
Ländern seines Exils“.
6.–10.2., Literaturforum im Brecht-Haus
Wiglaf Droste Der Satiriker liest aus seinem in Rheinsberg entstandenen Werk „Auf sie mit Idyll“.
29.2., Heimathafen Neukölln
März
Javier Marнas In „Die sterblichen Verliebten“ lotet einer der besten Erzähler Spaniens die Grenzen zwischen Lüge, Wahrheit, Liebe, Hass und Tod aus.
20.3., Babylon Mitte
„Welttag der Poesie“ Zum 13. Mal wird der Welttag mit Lesungen, Ausstellungen und Rezitationen begangen.
21.3. Stiftung Brandenburger
VORSCHAU BÜCHER
Februar
David Bezmozgis „Die freie Welt“ Kiepenheuer & Witsch
T.C. Boyle „Wenn das Schlachten vorbei ist“ Hanser
Helen Fitzgerald „Tod sei Dank“ Galiani
Gaute Heilvoll „Bevor ich verbrenne“ Schöffling & Co
Christian Kracht „Imperium“ Kiepenheuer & Witsch
März
William Boyd „Eine große Zeit“ Berlin Verlag
Caroline Brohters „Niemandsland“ Bloomsbury
John Burnside „In hellen Sommernächten“ Knaus
Ry Cooder „In den Straßen von Los Angeles“ Edition Tiamat
Virgine Dspentes „Apokalypse, Baby!“ Berlin Verlag