Es ist soweit, wir verlassen Kreuzberg. Macht’s gut, alte Häuser, wir sehen uns fortan etwas seltener. Du warst mir nie eine Heimat, Kreuzberg, aber immer eine Erfahrung. Die tip-Redaktion segelt jetzt kanalabwärts. Ahoi, City West! Jedem Umzug wohnt ein Aufräumen inne, ein Neubewerten von Vergangenheit. Alle reden ja gerade von Marie Kondo, dieser japanischen Aufräum-Guruistin (was ist eigentlich die weibliche Form von Guru?). Sie besitzt nach eigenem Bekunden nur 30 Bücher. Frau Kondo ist eben keine Literatur-Redakteurin. Literatur-Redakteure sind ungefähr so un-Marie-Kondo wie eine kasachische Funpunkband. Ich zum Beispiel habe in den letzten Jahren eine kleine Bibliothek mit Büchern von eher jungen Berliner Autor*innen angesammelt, das ist ja hier ein bisschen der Fokus. Meine Büroregale reichten schon bisher kaum noch, deshalb begann ich vor geraumer Zeit, neue Bücher an einer Seite meines Schreibtischs zu stapeln. Das sah zuletzt ungefähr so aus wie die Grenze, die sich Donald Trump zu Mexiko vorstellt.
In unserem neuen Verlagsdomizil am Salzufer ist zwar mehr Platz für Schreibtische, aber weniger Platz für Regale. Meine vier mir zugestandenen Bücherkartons wa- ren so grotesk überpackt, dass ich den Umzugsmitarbeitern sicherheitshalber aus dem Weg ging. Trotzdem musste ich mich von vielen Büchern trennen, ich werde künftig wohl doch noch mehr auf E- Books umsteigen müssen. Natürlich hätte ich viele Bücher mit nach Hause nehmen können. Das Credo meiner Frau ist allerdings auch ziemlich kondo: „Für jedes neue Buch, das ins Regal kommt, muss ein altes raus.“ Die Band Element of Crime hat das mal so ähnlich gesungen: „Der ganze alte Schrott muss raus/ und neuer Schrott muss rein.“ Im Büro legte ich deshalb die übrigen Bücher zum Mitnehmen für die Kollegen aus. Einen Tag vor unserem Umzug standen sie vor der Haustür in einem Karton auf der Straße, im strömenden Regen, es war ein Jammer. Mich würde es nicht wundern, wenn es die Rache eines Umzugsmitarbeiters gewesen wäre. Vermutlich ist er ein Marie-Kondo-Fan.