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Berlin verstehen

Berliner Sprüche für den Alltag: „Ick hau’ Dir uff’n Kopp, ­bis de Läuse piepen“

Die Berliner Sprache brachte so manche Perle hervor. Derbe Sprüche mit Herz und Schnauze, die man sich einst (und manchmal auch noch heute) an den Kopf werfen konnte. Oder an den „Kopp“, wie es im Berlinischen korrekt heißt. Ende des 19. Jahrhunderts begann der Berliner Journalist Paul Lindenberg diese literarischen Schätze zu sammeln. Jetzt brachte der Verlag Favoritenpresse eine Auswahl der Drohungen, Kritiken und Auslassungen zu Gott und der Welt neu heraus. Das Vorwort zu dem schönen Band „Ick hau’ Dir uff’n Kopp, ­bis de Läuse piepen“ verfasste der Berliner Autor Björn Kuhligk und die Illustrationen zu dieser Liebeserklärung an die verschwindende Kultur des Berlinern stammen von Jakob Hinrichs.

Eine Sammlung Berliner Sprüche. Illustration: Jakob Hinrichs
„Ick hau’ Dir uff’n Kopp, ­bis de Läuse piepen“: Eine Sammlung Berliner Sprüche. Illustration: Jakob Hinrichs

Wer Berlin verstehen will, muss die Berliner Sprache verstehen

Wer Berlin verstehen will, muss die Berliner Sprache verstehen. Das Berlinische oder Berlinerische, da scheiden sich die Geister, den Berliner Dialekt also. Eine spröde, rotzfreche, humorvolle Art der Kommunikation. Schnell und dreckig, so wie die Stadt selbst. Gesprochen wird sie von Atzen und Ihmchen, von Ischen, Mackern und von Ollen. Auf der Straße, im Laden, in der Kneipe. Überall. Das Berlinische ist flott und schnörkellos, leicht misanthropisch, stets genervt und alles andere als freundlich. Tief im Kern aber herzlich. Manchmal aber so tief, dass man es nicht merkt. Schon gar nicht als Nicht-Berliner.

„Freundlichkeit ist irgendetwas, was es hier nicht gibt, was die anderen erfunden haben, nicht wir“, schreibt Björn Kuhligk in seinem Vorwort zu dem Band mit den „Berliner geflügelten Worten“, die jener Paul Lindenberg, ein mit Spreewasser getauftes Original, zusammengetragen hat. Schon 1887 war ihm die bewahrenswerte Qualität der hauptstädtischen Sprüche bewusst. Nach zwei Weltkriegen, Nazizeit, DDR-Sozialismus und Gentrifizierung, ist es ums Berlinern eher schlecht bestellt. Man hört es noch, hier und da ist das „Icke“ und „Ditte“ eine Selbstverständlichkeit, aber die meisten Berliner antworten auf die Frage, wie es ihnen gehe, eben nicht mit: „Ick kann nich meckern“.

So fügt sich miese Laune zu mieser Laune und alle sind zufrieden

Die Unsitte der Höflichkeit macht sich an den Ufern von Spree und Havel breit. Ein Kulturbruch! „Niemand, wirklich niemand, der in Berlin geboren wurde und dieser verbalen Schnodderei mächtig ist, würde zugeben, bester Laune zu sein, warum auch, es stimmt ja auch gar nicht und zwar immer“, führt Kugligk seine Gedanken zum mentalen Zustand seiner Mitmenschen fort, „so fügt sich miese Laune zu mieser Laune und alle sind zufrieden. Berliner Logik. So einfach ist das.“ Wer das einmal begriffen hat, dem kann nichts mehr passieren.

Ein guter Einstieg in diese Sprachwelt, die eigentlich die ausformulierte Form einer Weltanschauung ist, stellt der quadratisch-schöne Band „Ick hau’ Dir uff’n Kopp, ­bis de Läuse piepen“ dar, zu dem Kuhlight die eben zitierten Sätze Beitrug und sein Kollege, der Illustrator Jakob Hinrichs, der für den tip einen Siebdruck zum 100. Geburtstag von Joseph Beuys gestaltete, die Zwischenbilder zeichnete.

An der Imbissbude kommen Berliner Sprüche besonders gut an. Illustration: Jakob Hinrichs
An der Imbissbude kommen Berliner Sprüche besonders gut an. Illustration: Jakob Hinrichs

In 20 kurzweiligen Kapiteln versammelt der Band markige Berliner Sprüche für alle Lebenslagen. So finden sich im Abschnitt mit den „Ausrufen der Freude und Verwunderung“ so schöne Bonmots wie „Ick denke, mir soll der Affe friesieren“ oder „Nu brat mir eener ’nen Storch (aber de Beene recht‘ knusprig)“. Das Kapitel zu den „Ausrufen des Ärgers und des Schreckens“, eher ein Fachgebiet des Berliners, dient mit solchen Weisheiten wie: „Det jeht mir doch über die Hutschnur“ oder „Et is zum junge Hunde zu kriejen“.

Schön sind auch die „Ermahnungen, Ratschläge, Aufforderungen“, denn so miesepetrig der Berliner selbst sein mag, es bereitet ihm große Freude, die Laune seiner Nachbarn, Kollegen oder auch ihm völlig unbekannter Menschen, gleich mitzuvermiesen: „Mach‘ keenen Klumpatsch“, sagt er dann, oder „Machen Sie sich man keen Fleck“ oder „Kann ick det etwa riechen?“

So geht es munter weiter. Es gibt Sprüche zu den Themen Zweifel, Tod, Gesundheit, Liebe, Lüge, Spott und Freundschaft. Auch um das soziale Gefälle dreht sich ein Kapitel, in dem „Armut und Reichtum“ verhandelt werden und die feinen Nuancen des Miteinanders erörtern die Kapitel „Anmaßung und Selbstbewusstsein“ und „Lebensart und Benehmen“. Wer sich richtig reinliest, dringt in die Untiefen der Berliner Seele vor.

Aber es lässt sich auch hervorragend darin schmökern, hier etwas herausfischen, da einen Spruch merken. Die Bilder von Hinrichs sorgen für visuelle Kontrapunkte und sollte es irgendwann mal wieder Partys geben, kann man auch als Zugezogener mit dem neuerworbenem Urberliner-Wissen prahlen. Wenn sich einer das letzte Bier aus dem Kühlschrank fischt, kringt er dann was zu hören. Zum Beispiel: „Ick hau’ Dir uff’n Kopp, ­bis de Läuse piepen“.


Ick hau’ Dir uff’n Kopp, ­bis de Läuse piepen mit einem Vorwort von Björn Kuhligk und Illustrationen von Jakob Hinrichs, Favoritenpresse, 80 S., 15 €


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