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Berliner Comic

Kreuzberger Kiezgeschichten: „Der analoge Mann“ von Andreas Michalke

Alltägliche Begegnungen am Pfandautomaten, im Plattenladen, an der Straßenecke und im Konzert. Der Berliner Zeichner Andreas Michalke hat seine Comic-Kolumnen „Der analoge Mann“ in Buchform gebracht

Die Bankrotterklärung eines Erzählers hat sich Andreas Michalke schon im Vorwort attestiert. Der Zeichner lebt ein zufriedenes und erfülltes Leben, er tanzt Swing und nicht Pogo, er fand die Liebe und eine Berufung. Dabei braucht ein Stadtchronist, seiner Ansicht nach, doch eigentlich ein aufregendes, von Sorgen, Exzess und wilden Abenteuern durchtränktes Leben.

Michalkes meist in schwarz-weiß gehaltenen, einseitigen Geschichten sind regelmäßig in der „Jungle World“ erschienen – und nunversammelt in einem hübsch quadratischen Buch herausgekommen. Es sind urbane Miniaturen, in denen sich verschrobene Typen an der Weltpolitik reiben, in denen kleine Veränderungen oder Ärgernisse in seelischen Notlagen münden und in denen banale Begegnungen eine Poetik entwickeln, so dass man genötigt ist, von einer „Seele der Stadt“ zu sprechen. Diese fängt Michalke virtuos ein, dafür muss man sich nicht durch Techno-Clubs vögeln und Unmengen von Drogen konsumieren.

Wie heimelig ist da vielmehr ein abendliches Telefongespräch unter Freunden, die am Schluss beide entscheiden, nicht zum Punkkonzert zu gehen, weil es draußen so kalt ist und das Sofa so gemütlich. Und wie gut kennt man die Gespräche über steigende Mieten oder die Frage, wie man Kinder und Nachtleben vereinbaren kann.  Oder die Irritation über jene seltsamen Parklets und Module in der mittlerweile gescheiterten „Begegnungszone“ in der Bergmannstraße.

Ein lakonischer Humor schwebt über dem Geschehen, doch eigentlich ist das dem Autor ohnehin alles viel zu viel. Er will seine Ruhe, verlässt kaum den Kiez, scheitert am Finanzamt und beharrt darauf, dass ein DJ nur jemand sein kann, der Vinylplatten auflegt und nicht irgend so ein dahergelaufener Typ mit einem Laptop. Der auch noch Mirko heißt.

Eine Welt ohne Smartphones

„Der analoge Mann“ ist allerdings kein strikter Verweigerer, schon eingangs bekennt sich der Autor zu einigen Vorzügen des Digitalen, aber ein Argwohn gegenüber der omnipräsenten Vernetzung wohnt ihm inne. In den programmatischen „Diktator-Andi“-Strips visioniert er von einer Welt ohne Smartphones, in der nur kleine Menschen an die Macht kommen und starke Männer sich nicht fortpflanzen dürften. Verboten wären außerdem noch schlichte Sachlichkeit sowie Reichtum und Armut.

Illustrierte Kurzgeschichten oder viel mehr biografische Betrachtungen ergänzen die Comics. Zusammen ergeben die Einsichten eine „analoge“ Haltung zum Leben, nicht nur, aber vor allem in Berlin, die einst prägend war und gerade zu verschwinden droht.

Der analoge Mann von Andreas Michalke, Reprodukt, 96 S., 20 €

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