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Fotografie

Berlin im Lockdown: Fotoband „Locktown“ zeigt Bilder einer leeren Stadt

Sascha Wendling ist Stadtführer. Sein Geschäft ist die Stadt, fällt die Stadt aus, so wie während der langen Corona-Lockdowns, ist seine Existenz bedroht und der Alltag, die Routinen und normalen Laufwege komplett aus den Fugen. Weil er plötzlich nicht mehr seinem Beruf nachgehen konnte, weil Berlin in einen Dornröschenschlaf verfiel und weil keine Touristen mehr kamen, ging er alleine los, nur mir der Kamera. Er begann zu fotografieren. Bei den Wanderungen durch eine geisterhaft-verlassene Stadt dokumentierte Wendling die Orte, an denen er normalerweise seine Gruppe entlangführt, die Sehenswürdigkeiten, die fremd und einsam wirkten. In dem nun erschienen Fotoband „Locktown“ ist Berlin auf seine Essenz reduziert. Die Stadt und sonst nichts.

Die leere Stadt – Friedrichstraße Ecke Mittelstraße. Aus: "Locktown". Foto: Goldelse Verlag
Die leere Stadt – Friedrichstraße Ecke Mittelstraße. Aus: „Locktown“. Foto: Goldelse Verlag

Wendling zeigt in „Locktown“ Berlin im Lockdown

Im März 2020 geht Wendling erstmals auf Foto-Wanderung durch Berlin. Corona ist neu, der resolute Umgang mit den Fallzahlen, Testcentern und Impfungen fehlt uns noch. Der Virologe Drosten spricht erstmals in seinen Podcasts zu einem Publikum, dass kurz zuvor weitestgehend noch gar nicht wusste, dass es Virologen gibt und was sie so machen. Innerhalb von Tagen macht Berlin dicht. Das Kulturleben, die Gastronomie, große Teile des Einzelhandels, alles geschlossen. Vor den Clubs herrscht gähnende Leere. Homeoffice und Zoom-Konferenzen dominieren den Alltag, selbst die Schulen sind zu.

Dort, wo bis vor Kurzem das leben tobte, wo sich Menschenmassen aneinander vorbeidrängten, herrscht Leere. Sacha Wendling ist besorgt, die einsamen Exkursionen sind seine Art, mit dem Ausnahmezustand umzugehen. „Eine Stadt, die von einer Pandemie zum Innehalten gezwungen wird, und ein Mann, den die Sorge um seine berufliche Zukunft in Bewegung hält“, das ist die Idee, die hinter „Locktown“ steht. Wendling fotografiert, sammelt Eindrücke und dokumentiert.

Locktown Berlin, die leere Kastanienallee. Foto: Goldelse Verlag
„Locktown“ zeigt die leere Kastanienallee. Foto: Goldelse Verlag

Wendling faszinierten die sonderbar anmutenden Ansichten, um die Stimmung noch besser einzufangen, fotografierte er meist nachts. Seine Bilder zeigen ein Stück Zeitgeschichte, eine geradezu groteske Situation. Als hätte man die Stadt in den Stand-by-Modus gestellt. Die Fotos stehen aber nicht für sich, eine Reflexion und Einordnung war dem Stadtführer auf fotografischen Abwegen wichtig, so sammelte er Kommentare, Statements und Eingaben von zahlreichen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die die Bilder untermalen. Aus Text und Bild ergibt sich ein stimmungsvoller wie dokumentarischer Blick auf Berlin im Lockdown, oder „Locktown“, wie es Wendling nennt.

Er setzt neben eine geisterhafte Aufnahme der Neuen Schönhauser Straße ein Zitat des Tagesschau-Sprechers Jens Riewa: „Bund und Länder schränken das öffentliche Leben in Deutschland weiter drastisch ein“. Zu einem Foto der leeren Friedrichstraße wählt Wendling ein Zitat von Olaf Scholz (SPD), damals noch Finanzminister, der von einer Krise spricht, die in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ohne Vorbild ist. Und das Bild vom verlassenen U-Bahnhof Alexanderplatz ist von einem Zitat des Schauspielers Bjarne Mädel flankiert: „Also wenn immer alle nur meckern, können wir sowas wie Corona eben nicht mehr machen“. Bücher wie „Locktown“ werden uns einmal helfen, diese besondere Zeit besser verstehen zu können.

LOCKTOWN - Die Hauptstadt von Sascha Wendling, Goldelse Photographie, 29,90 Euro

Locktown – Die Hauptstadt von Sascha Wendling, Goldelse Photographie, 29,90 Euro


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