Sex, Lügen und ein wenig Feminismus – die neuen Romane von Diablo Cody und Hitomi Kanehara.
Warum Stripperin werden? Wegen Geld. Andere wollen rebellieren, wie Diablo Cody (Foto).
„Ich hatte mich dagegen gewehrt, an Normalität, Anstand und
Butterbroten zu ersticken, denen man die Rinden amputiert hatte.“
Außerdem, man ahnt es schon, ging die 28-Jährige auf eine katholische
Mädchenschule. Mittels aller Ich-brauch-den-Kick-Klischees, vor allem
ohne überzeugende Selbstzweifel („Ihr seid Scheiße, und ich bin
Champagner“) erzählt Cody, mittlerweile „Oscar“-gekrönte
Drehbuchautorin („Juno“), von ihrem Aufstieg zur Top-Stripperin in den Nachtclubs von Minneapolis.
Der Bürojob in der Werbeagentur war ihr schlicht zu unprätentiös. Am
Gipfel des Peepshow-Erfolgs kauft sie ein Eigenheim mit sauberem Rasen.
Aus, Ende. Wen soll so eine Erfolgsstory interessieren? Ihre Erzählung
spickt Cody, die ihren Nacktjob von der Taille abwärts ohne Gefühl
absolviert, mit seltsamer These: Männern Geld aus der Tasche zu ziehen
ist ein Zeichen feministischer Macht. Und obwohl ihre Bildsprache oft
witzig ist („Ich fühlte mich wie ein Hinternhandtuch aus dem Türkischen
Bad“), fehlt ihrer Story, die fast ausschließlich im Club spielt, das,
was ihr „Juno“-Script so herausragend machte: Charaktere, die
verschiedene Sprachen sprechen, jung, alt, Eltern, Kinder, cool oder
uncool, die sich zusammenraufen müssen. In “Nackt“ gibt es keinen Konflikt, geschweige denn ausgearbeitete Nebenfiguren.
Auch Hitomi Kanehara, Japans neuer Literaturstar, erzählt in „Obsession“
vom diffusen Verhältnis einer Frau zur Sexualität: Schriftstellerin Rin
ist eifersüchtig, hysterisch, aggressiv und zerstört damit die
Beziehung zu ihrem Ehemann. In Rückblenden beschreibt Kanehara, wie
eine junge Frau in Tokio so werden kann: Vergewaltigungspartys mit
Schulmädchen als freiwilligen Opfern, das Kind abtreiben, Prügel vom
Freund. Sich wehren und männlich fühlen: „Er würde nie wieder in der
Lage sein, mich zurechtzubiegen. Ich war nicht länger konkav und
empfangend, ich war konvex und aufragend. Ein Penis, keine Vagina.“ Da
wird also ordentlich psychoanalysiert und zurückgeführt, nur zu einer
schlüssigen „Wie ich wurde, was ich bin“-Geschichte mag sich das
nicht formen.
Muss es auch nicht unbedingt, um die Geschichte zu retten. Denn
Kanehara beeindruckt durch ihre unaufgeregte, mitleidlose Sprache.
Viel abgeklärter, als man es von einer 25-jährigen Autorin erwarten
darf. Ihre Beschreibungen depressiver Gedanken, in denen sie sich am liebsten ihre Essstäbchen in die Kehle rammen würde, wirken lange nach.
Diablo Cody „Nackt – ein Enthüllungsroman“, Kiepenheuer, 273 Seiten, 16,95 Ђ
Hitomi Kanehara „Obsession“, Ullstein Verlag, 220 Seiten, 18 Ђ