„Fahret hinein mit eiserner Faust“ und „Pardon wird nicht gegeben, Gefangene werden nicht gemacht“, gab Kaiser Wilhelm seinen Soldaten mit auf den Weg, als sie aufbrachen nach China, um den „Boxeraufstand“ zu zerschlagen. Die imperialistische Politik der Westmächte, aber auch Naturkatastrophen hatten im 19. Jahrhundert zunehmend zur Verelendung der chinesischen Bevölkerung geführt. Patriotische Geheimbünde wie die Kung-Fu praktizierende Vereinigung „Faust- (-kämpfer) für Recht und Einigkeit“ erhielten massenweise Zulauf.
Mit Duldung der Pekinger Palastclique um die Kaiserinwitwe Tz’u-hsi eskalierte die Rebellion im Sommer 1900, als fanatische „Boxer“ ihre zum Christentum konvertierten Landsleute massakrierten und das Gesandtschaftsviertel der verhassten Ausländer in Peking angriffen. Der Vertreter des Deutschen Reiches, Freiherr von Ketteler, wurde auf offener Straße erschossen.
Die ausländischen Mächte reagierten mit einer konzertierten Militäraktion, eroberten und plünderten Peking, dann pressten sie den Chinesen horrende Reparationszahlungen ab. Nach akribischem Quellenstudium hat Gerhard Seyfried mutmaßliche Vorgänge im Gesandtschaftsviertel sowie die Invasion der Alliierten detailbesessen geschildert und mit einer Romanhandlung verknüpft. Waffengattungen, Schiffstonnagen, Truppenstärken, militärische Ränge, Reglements und Strategien werden penibel angegeben.
Dagegen verblasst die Beschreibung der Erlebnisse, Flirts, Gedanken und Gefühle der fiktiven deutschen Protagonisten: eine kokette Privatlehrerin, ein korrekter Marineoffizier, ein ehrgeiziger Auslandskorrespondent, ein sozialdemokratischer Reichstagsabgeordneter und der Herr eines Handelshauses samt Familie. Man empfindet kaum Empathie für diese Figuren, die dröge Sprache und Strukturierung im Protokollstil mit präzisen Orts- und Zeitangaben macht die Lektüre nicht spannender. Da war die „Invasion aus dem Alltag“ und die „Flucht aus Berlin“ des Comiczeichners Seyfried aufregender, sein Roman „Der schwarze Stern der Tupamaros“ zeugte von persönlicher Betroffenheit.
„Gelber Wind“ mag für Hobbyhistoriker oder Abonnenten des „Jane’s“-Militaria-Magazins interessant sein – den gemeinen Leser nimmt das Buch nicht gefangen, er braucht eisernen Willen, um sich durchzukämpfen. Ralph Umard
Text: Ralph Umard
Gerhard Seyfried „Gelber Wind“, Eichborn Berlin, 647 Seiten, 29,95 Euro