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Illustrierte „Paargespräche“ von Line Hoven und Jochen Schmidt

Marx und Engels, Brecht und Weigel, Bud Spencer und Terence Hill: Was es bedeutet, ein Paar zu sein, und wie sie sich die Gespräche zwischen diesen Paaren vorgestellt haben, darum geht es in „Paargespräche“, dem Buch der Hamburger Illustratorin Line Hoven und des Berliner Schriftstellers Jochen Schmidt.

Helene Weigel und Bertolt Brecht in den "Paargesprächen". Foto: Mairisch Verlag/Line Hoven
Helene Weigel und Bertolt Brecht in den „Paargesprächen“. Foto: Mairisch Verlag/Line Hoven

„Paargespräche“: Romantische Beziehungen, Affären, Ehen

Eigentlich sucht man sein Leben lang nach dem oder der Richtigen. Auch Line Hoven erging es so, schon als Kind fand sie ihn, dachte sie zumindest. Es war der Fernsehhund aus der US-amerikanischen TV-Serie „Boomer, der Streuner“. Ein Klassenkamerad erwählte sich Rüdiger, den kleinen Vampir, als Seelenpartner. Später, da schon erwachsener, folgten romantische Beziehungen, Affären, Ehen – und irgendwann kam Jochen Schmidt, schreibt Hoven. Mit dem Berliner Lesebühnenveteranen und Schriftsteller verbindet sie eine langjährige Arbeitsbeziehung. 2006 schrieb ihr Schmidt und schlug ein gemeinsames Projekt vor. 

„Er war sich sicher, dass meine „mysteriös-statischen“ Zeichnungen zu seinen Texten passen würden. Und auch, wenn ich es ungern zugebe, Jochen hatte damit absolut recht – und ich war begeistert von dem melancholischen Klang seiner Schriften und wetzte mein Messer, um gleich unser erstes Projekt „Dudenbrooks“ zu kratzen“, erinnert sich Hoven. Seitdem arbeiten die beiden ­immer wieder zusammen, dazwischen aber auch allein. Hoven illustrierte 2019 Peter Caws versammelte Lebensweisheiten „The Book of Hylas“, und von Schmidt erschien zuletzt der Roman „Phlox“, eine epochale Abhandlung über die Abgründe des Selbstversorger-Glücks im Oderbruch. 

Von Max und Moritz bis zum Tesla-Milliardär Elon Musk und dessen Popstar-Gefährtin Grimes

Die gemeinsam mit Hoven als Zeichnerin-Autor-Gespann vorgelegten „Paargespräche“ sind dagegen geradezu ein filigranes Bändchen. Knapp 90 Seiten im quadratischen Format und rosafarbenen Hardcover. Ein formschönes Buch, dafür sorgen die stimmige Typografie, vor allem aber die von Hoven gezeichneten Illustrationen in Kratztechnik und kontrastreichem Schwarz-Weiß. Herz der „Paargespräche“ sind zwei Dutzend prominente Paare, jedes wird mal in intimer, mal in alltäglicher, mal in ­befremdlicher Situation gezeigt, Schmidt verfasste dazu ergänzend alltäglich-intim-befremdliche Dialoge. Es entstand eine heitere Reise durch die Geschichte der Zweisamkeit. Von den mythischen Meeresungeheuern Charybdis und Skylla über die in die Jahre gekommenen Herren Max und Moritz bis zum Tesla-Milliardär Elon Musk und dessen Popstargefährtin Grimes.

Doch warum eigentlich Paare? „Was an Paaren reizvoll ist, im guten wie im schlechten Sinn, muss man niemandem erklären, wir sind ja durch den lieben Gott zum Paarleben geschaffen oder verurteilt. In unserem Buch geht es um die Prägung, die man schon früh von Paaren erfährt, die man in den ­Medien oder im Umfeld erlebt. Das wollte ich aufarbeiten, auch um meine Partnerschaft nicht wie die in „Ein verrücktes Paar“ mit Harald Juhnke und Grit Boettcher anzulegen oder wie die zwischen Pittiplatsch und Schnatterinchen“, erklärt Schmidt. 

Marx und Engels in den "Paargesprächen". Foto: Mairisch Verlag/Line Hoven
Marx und Engels in den „Paargesprächen“. Foto: Mairisch Verlag/Line Hoven

Auch die Arbeit als Paar stellte die beiden vor gewisse Herausforderungen, wie Line Hoven verrät: „Ich wollte vor allem, dass mein Bild noch witziger und klüger als sein Dialog wird. Obwohl uns unser ­Faible für niedrigschwelligen Humor eint, ist Jochen leider aber auch einer der schlauesten Menschen, die ich kenne, und so ist es nicht immer leicht, seine Texte zu übertreffen.“ 

Für Schmidt ergaben sich die Probleme aus technischen Vorgaben: „Dass ich nur tausend Zeichen pro Paar zur Verfügung hatte, war eine Herausforderung. Manche Paare wechseln ja viel weniger Worte als dafür nötig, die meisten aber mehr, es gibt kaum ein Paar, das sich genau tausend Zeichen unterhält oder streitet.“ Dass sich Schiller und Goethe genau tausend Zeichen lang unterhalten, ist kaum denkbar. Bei Schmidt beginnt der Dialog mit Schillers Klage: „Es ärgert mich, dass du in deinen SMS an mich nie die Rechtschreibfehler korrigierst.“ Goethe entgegnet knapp: „Ich habe es eben eilig, sie abzuschicken“. Schiller: „Früher hättest Du nie ­„Jugendherrberge“ geschrieben.“ Auch Klassiker haben ihre Schwierigkeiten mit der Kommunikation. Brecht und die Weigel erleben wir wiederum auf der Fernsehcouch und der Diskussion über die Spannung von Seifenopern. Bei Marx und Engels dreht sich das Gespräch um Haarausfall, Cellulite, ­Mikroplastik und aus unerfindlichen Gründen auch um Sascha Lobo. 

Ein Paar fehlt: Romeo und Julia. Vergessen wurden die tragischen Helden aber nicht. „Unsere „Paargespräche“ sind in der Zeitschrift „chrismon“ erschienen. Bei den dort publizierten Folgen fehlen natürlich auch Julia & Romeo nicht“, sagt Hoven. In der Buchausgabe schon, das tut der Sache aber keinen Abbruch, lange ist kein sympathischeres Buch zum Thema erschienen. Ein Muss für alle Paare und die, die es noch werden wollen (oder schon waren). 

  • Paargespräche von Line Hoven und Jochen Schmidt, Mairisch Verlag, 88 S., 22 €

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