Unumstritten war die scharfe Zunge der österreichischen Kabarettistin Lisa Eckhart wahrscheinlich noch nie. Mit ihren Auftritten polarisiert sie und wird sowohl in den Feuilletons als auch den sozialen Medien heiß diskutiert. Der Streit um ihr Bühnenprogramm erreichte seinen Höhepunkt, als Eckhart vom Hamburger Literaturfestival Habour Front zunächst wegen Sicherheitsbedenken aus- und dann wieder eingeladen wurde. Dort hätte sie aus ihrem Debütroman „Omama“ vorlesen sollen. Eckhart lehnte die zweite Einladung des Literaturfestivals ab.
In Berlin wird sie hingegen an zwei Orten auftreten: Am 4., 5. und 7. September mit ihrem Soloprogramm „Die Vorteile des Lasters“ im Tipi am Kanzleramt und am 6. September mit Programm und Lesung in der Bar jeder Vernunft. Ist das noch Kunst? Rassismus? Meinungsfreiheit? Lustig oder einfach nur daneben? Zwei Tip-Autorinnen kommentieren die Debatte um Lisa Eckhart.
Pro: Überspitzung produktiver als Schweigen
Was einem sauer aufstößt, kann man erst wissen, wenn man es gegessen hat. Die Kabarettistin Lisa Eckhart wandert die Grenzen des Geschmacklosen ab. Doch sind ihre Auftritte per se unter der Gürtellinie? Die Debatte um ihre Ausladung bei einem Hamburger Literaturfestival, die nicht als Streisand-Effekt, Cancel-Culture und Rassismus abgetan werden kann – dafür sollten wir ihr danken: Sie hat diese Gespräche ermöglicht.
Es geht nicht darum, ob man bei ihrer Satire lacht, sondern um das Hinterfragen. Wieso ziehen sich meine Mundwinkel nach oben? Wieso finde ich das, was sie da in eine eloquent-bissige Sprache packt, nicht in Ordnung? Ihr Humor war schon 2016 bei einem Poetry Slam mit „Das beste aller Welten“ tiefschwarz. Der Unterschied: Sie hackte dort „nur“ auf Veganer*innen, Österreicher*innen, Reichen rum.
Gesellschaftliche Probleme lassen sich nicht durch Schweigen lösen. Nur wenn die Spitze eines Eisbergs nicht im Nebel des Unaussprechlichen verborgen bleibt, kann man überhaupt auf diesen zusteuern, um zu begutachten, wie weit er tatsächlich in die Tiefe ragt. In einer Zeit, in der viel über versteckte Rassismen gesprochen wird, sollte das Thema auch auf Bühnen präsent sein.
Dass sie hart aneckt, ist Lisa Lasselsberger, die die narzisstisch-überspitze Kunstfigur Lisa Eckhart schuf, wahrscheinlich bewusst. Sie schneidet Themen an, bei denen viele keine Witze akzeptieren. Beginnt Ausgrenzung nicht dann, wenn Kabarett soziokulturelle Gruppen auslässt? Österreich, Männer, Fridays for Future-Aktivist*innen, die FPÖ, Turnen, Yoga: Überzeichnet wird alles. Die Österreicherin leuchtet dorthin, wo andere sich nicht hinzuleuchten trauen.
Man sollte deshalb in sich horchen, sich fragen: Wieso finde ich das problematisch? Wenn die Antwort dann ist: Weil Antisemitismus in Deutschland ein Problem ist, dem in der Öffentlichkeit Gehör verschafft werden muss – genau dann hat Frau Eckhart doch alles richtig gemacht.
Text: Klaudia Lagozinski
Contra: Nicht jeder Stammtischwitz automatisch doppelbödig
Ich glaube nicht, dass Lisa Eckhart eine Rechte ist. Eher klingt sie wie eine Person, die ein paarmal zu oft von ihrer Deutschlehrerin gehört hat, sie sei etwas ganz Besonderes, so herrlich anders als die jungen Leute von heute, weil sie im Aufsatz Worte wie „Niederkunft“ und „Veitstanz“ nutzt. Äußert man Kritik an der Kabarettistin, hört man schnell den Vorwurf, ihre Hintersinnigkeit nicht zu raffen. Leider konnte mir noch keiner erklären, warum ein Gag wie „Es gibt sehr viele Dinge, die ich am Inder besser finde als an anderen Geräten“ nun eigentlich Humorgold sein soll – und nicht schlicht schäbigste Ressentiments bedient.
Eckhart teile doch in alle Richtungen aus, führen ihre Fans ins Feld. Wenn nur alle mal anständig durchdiskriminiert werden, so die Logik, sei am Ende keiner mehr benachteiligt. Blöd nur, dass diese Prämisse gesellschaftliche Gleichheit voraussetzt. Es ist weder ein Tabubruch noch emanzipatorisch, in Eckharts Position über Benachteiligte genauso laut zu lachen wie über die Menschen am längeren Hebel.
Milde setzen ihre Fans dann nach, man übersehe da was ganz Zentrales: Es sei ja eine Kunstfigur, die da sprechen würde. Aber abgesehen davon, dass nicht jeder Stammtischwitz automatisch doppelbödig wird, weil man ihn im Kostüm erzählt, hat ihre Persona kein subversives Potenzial. Die giftige, laszive Salondame irritiert das bürgerliche Publikum, dem sie angeblich so köstlich die Leviten liest, nur im angenehmsten Sinne – denn sie ist das Gegenteil von allem, was Konservative jungen Frauen ihrer Generation zuschreiben: vornehm statt laut, streng statt verweichlicht – gute alte Zeit statt „Gender-Gaga“.
Während die Zuschauer*innen über Pädophilie- und Pimmelwitze lachen dürfen, lässt Eckhart ein wenig vom Sternenstaub des bildungsbürgerlichen Kabaretts auf sie regnen. Dafür steckt man schon mal eine Spitze auf eigene Kosten ein. Ihre Fans würden die Killerphrase auffahren: Lisa Eckhart hält der Gesellschaft den Spiegel vor. Das kann schon sein. Aber was, wenn dem Publikum gefällt, was es da sieht?
Text: Julia Lorenz
- 4., 5. und 7. September 2020, 20 Uhr: „Die Vorteile eines Lasters“ von Lisa Eckhart im Tipi am Kanzleramt, Große Querallee, 10557 Berlin
- 6. September 2020, 12 Uhr: Lesung von Lisa Eckhard aus dem Roman „Omama“; 19 Uhr „Die Vorteile eines Lasters“ in der Bar jeder Vernunft, Schaperstraße 24, 10719 Berlin
- Tickets unter www.lisaeckhart.com
Diesen und viele weitere spannende Texte gibt es in der Ausgabe 19/20 unseres Stadtmagazins, das am 2. September erscheint.
Comedy oder Rassismus? Dieser Frage sind wir auch in Bezug auf „Otto der Film nachgegangen. Was tun, wenn Freund*innen rassistische Kommentare ablassen? Wie ihr gegen Rassismus eintreten könnt, lest ihr hier. Endlich wieder Theater in Berlin! Das erwartet euch auf Berlins Bühnen im September. Und außerdem: Unsere Veranstaltungstipps.